ZDNet: Sie sagen, die deutsche Wirtschaft wird 2010 alleine durch nicht korrekt lizenzierte Software einen Schaden von bis zu dreißig Milliarden Euro erleiden. Wie ist das genau zu verstehen? Sind das Ausfälle, die Softwareanbieter durch Unterlizenzierung haben, sind das Mehrkosten, die Firmen durch zu viel erworbene Lizenzen entstehen oder beides?
Orhanovic: Ich muss nochmal darauf hinweisen, dass es hier um Schätzungen geht und darum, überhaupt einmal einen Richtwert nennen zu können. Den exakten wirtschaftlichen Schaden zu ermitteln dürfte schwierig sein, da die Unternehmen diesbezüglich keine Zahlen offenlegen. Um auf die Frage zu antworten: Es geht schon um beides, also um den Schaden, den Hersteller aufgrund der Unterlizenzierung haben und – quasi umgekehrt – auch denjenigen, den die Anwender durch zu viele Lizenzen haben.
ZDNet: Der rechnerische finanzielle Schaden für die Gesamtwirtschaft hebt sich doch wenigstens zum Teil dadurch wieder auf, dass des einen Vorteil des anderen Nachteil ist.
Orhanovic: Ein Gleichgewicht entsteht meiner Meinung nach hier nicht. Zum einen stehen sich die Fälle der Überlizenzierung und der Unterlizenzierung nicht im gleichen Maß gegenüber, sondern in einem Missverhältnis. Das spiegelt auch das Ergebnis der Umfrage wider, in der nur 16 Prozent der Befragten sagten, dass es mehr überlizenzierte Unternehmen gibt, 44 Prozent aber davon ausgehen, dass die unterlizenzierten Betriebe in der Mehrheit sind. Diese Einschätzung stimmt übrigens. Aber selbst wenn es ein Gleichgewicht zwischen über- und unterlizenzierten Unternehmen gäbe, käme es doch niemals zu einem finanziellen Ausgleich. Kunde A hat beispielsweise 1000 Lizenzen zu wenig erworben, Kunde B dagegen 50 zuviel.
Ferner müssen Sie auch bedenken, dass gerade unterlizenzierte Anwender deutlich mehr Geld in die Hand nehmen müssen, um eine Nachlizenzierung vorzunehmen. Rabatte kommen für ihn dann nicht mehr in Frage und er muss zum Listenpreis kaufen. Kommt es gar zu einer strafrechtlichen Verurteilung – in Form einer Geldstrafe – hat auch der Hersteller nichts davon. Insgesamt dürfte der Teil, in dem sich der finanzielle Schaden für die Gesamtwirtschaft „aufhebt“, in der Tat sehr gering sein.
ZDNet: Über ein Drittel der Befragten sieht die Hauptverantwortung beim Gesetzgeber. Welche dieser Bestimmungen wirken sich denn direkt auf die Lizenzierungspraxis aus? Oder zeigt sich bei den Befragten nur eine lediglich „gefühlte“ Einmischung der Behörden?
Orhanovic: Ihre Vermutung ist richtig. An dieser Stelle handelt es sich in der Tat um eine „gefühlte“ Schuld des Staates. Mich hat die Zahl derjenigen, die diese Antwort gaben, selbst etwas überrascht. Tatsächlich trägt der Gesetzgeber im Rahmen der ganzen Lizenzierungsproblematik – wenn überhaupt – nur eine geringe Verantwortung. Der einzige Punkt, in dem sich dem Gesetzgeber ein Vorwurf machen lässt, ist dieser: Es fehlt an einer Klarstellung, was eigentlich passiert, wenn ein Kunde mit dem Lizenzmodell oder den Lizenzbestimmungen nicht zurechtkommt und dies gegebenenfalls auch noch auf die falsche Beratung seitens des Herstellers oder des Lieferanten zurückzuführen ist.
Das geschieht nun einmal – auch wenn ich hier niemandem Absicht unterstellen möchte. Da kommen wir in den Bereich der Compliance und wie mit dieser umgegangen wird. Die Bedeutung der IT im Rahmen der Compliance hat stark zugenommen – eine Tendenz, die sich in Zukunft fortsetzen wird.
ZDNet: Wer ist Ihrer Ansicht nach wirklich am Lizenzierungsschlammassel schuld?
Orhanovic: Die Verantwortung liegt klar auf Seiten der Hersteller, die momentan mit ihren Lizenzbestimmungen für Verwirrung sorgen. Vor allem dadurch, dass diese sehr häufig geändert werden. Noch einmal: Absicht unterstelle ich an dieser Stelle niemandem, aber die Hersteller müssen selbst schon Personal beschäftigen, das sich ausschließlich um Lizenzfragen kümmern – um den Überblick zu behalten.
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