Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) lässt die Gegner von Softwarepatenten befürchten, dass Software in Deutschland prinzipiell als patentierbar angesehen wird. Hintergrund des BGH-Beschlusses Xa ZB 20/08 vom 22. April 2010 ist ein Streit zwischen Siemens und dem Deutschen Patent- und Markenamt.
Mit dem Antrag DE000010232674A1 vom 18. Juli 2002 wollte Siemens ein „Verfahren zur dynamischen Generierung strukturierter Dokumente“ patentieren lassen. Das Patentamt wies den Antrag jedoch wegen „Fehlens einer erfinderischen Tätigkeit“ zurück. Siemens legte daraufhin Beschwerde beim Bundespatentgericht ein – das der Argumentation des Konzerns allerdings ebenfalls nicht folgte. Nach dem Beschluss des Technischen Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts vom 17. Januar 2008 beinhaltete der Siemens-Antrag konzeptionelle Überlegungen und keine technischen Mittel.
Voraussetzung für die Patentierbarkeit von Software ist jedoch, dass eine so genannte „Technizität“ vorliegt. Das bedeutet, dass von der Software ein bestimmter technischer Beitrag geleistet wird. Schlichte Programmabläufe oder einzelne Codezeilen sind nicht patentfähig. „Es ist jedoch möglich, Patentschutz zu bekommen, wenn durch die Software ein bestimmter technischer Beitrag geleistet und ein bestimmtes technisches Problem gelöst wird“, sagte Boris Kreye, Rechtsanwalt für Patentrecht bei der Kanzlei Bird & Bird.
In der Beschwerde gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts machte Siemens denn auch geltend, dass Programme technisch seien. Computer und deren Programmierung gehörten zur Technik. Der Bundesgerichtshof schloss sich dieser Argumentation an. Für die Technizität reiche es aus, „wenn die Lösung … darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt“, heißt es im Urteil. Diese Voraussetzung sei in der Streitsache erfüllt. Der Bundesgerichtshof wies den Fall daher an das Bundespatentgericht zurück.
Open-Source-Aktivisten befürchten nun, dass Software in Deutschland bald prinzipiell als patentierbar angesehen wird. Florian Müller, prominentester deutscher Software-Patent-Gegner, glaubt, dass Patentinhaber verstärkt versuchen könnten, ihre Forderungen vor Gericht durchzusetzen. Er zieht zudem Parallelen zum US-Prozess um Bernard L. Bilski und Rand A. Warsaw, den der US Supreme Court Ende des Jahres 2009 entschied.
Nach Angaben von Creative Commons Deutschland forderten Bilski und Warsaw ein Patent auf eine Geschäftsmethode zur Aushandlung von Rohstoffpreisen. Diese Methode beinhaltet auch einen Algorithmus zum Umgang mit Kundeninteressen. Das Gericht entschied letztlich gegen die Patentierbarkeit der Bilski-Methode, weil sie nicht auf ein bestimmtes Gerät oder einen sonstigen physischen Gegenstand bezogen sei. Die Free Software Foundation (FSF) griff den Fall im Dokumentarfilm Patent Absurdity: how software patents broke the system auf.
Von der Piratenpartei hieß es, man habe das BGH-Urteil „mit Bestürzung“ zur Kenntnis genommen. „Dieses Urteil ebnet den Weg, um einen Großteil der heute stattfindenden Datenverarbeitung zu monopolisieren“, sagte Benjamin Stöcker, Diplom-Informatiker und Mitglied des Bundesvorstands der Piratenpartei. „Zwar wird die Patentierbarkeit von Software eingeschränkt, aber diese Einschränkung ist ein Papiertiger. Das Gericht ist gewillt, Patente zu gewähren, die die Leistungsfähigkeit der Hardware berücksichtigen. Das ist, als würde man Autos schon deswegen patentieren können, weil sie Räder haben.“
„Mathematik und Logik dürfen nicht patentierbar sein“, so Christopher Lauer, Mitglied des Bundesvorstands der Piratenpartei. „Software ist ein gesellschaftlich extrem wichtiges Werkzeug, das nicht durch Patente monopolisiert werden darf. Wir sind überzeugt, dass durch den freien Austausch von Software-Ideen mehr Innovation und Nutzen für die gesamte Bevölkerung entsteht.“ Der Gesetzgeber müsse endlich Klarheit schaffen und ein Verbot von Softwarepatenten in Gesetzesform gießen.
Nach Meinung der Piraten unterstützt der BGH Konzerne in „ihrem innovationsschädigenden Verhalten“, während die kleinen und mittelgroßen Unternehmen an ihrer Arbeit gehindert werden. Man erwarte vom Gesetzgeber, dass er nach Jahrzehnten der Untätigkeit die Weichen für ein Patentrecht des 21. Jahrhunderts stelle. Das Patentrecht solle Innovationen fördern, realitätsnah sein und alle gleich behandeln. Wohin Softwarepatente führen, könne man in den USA sehen, wo große Softwarekonzerne kleine, innovative Firmen aus dem Markt drängten, so die Piratenpartei.
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