Die Initiatoren der schriftlichen Erklärung 29 haben für ihre Parlamentskollegen die Website smile29.eu eingerichtet. Dort ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass es um die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Suchmaschinen gehen soll. Unter dem emotional gestalteten Foto eines Kindes ohne Mund findet sich in großen Buchstaben "Stoppt sexuelle Belästigung – Stoppt Pädophilie – Stoppt Kinderpornografie".
Daneben befindet sich eine Aufforderung, die schriftliche Erklärung 29 zu unterzeichnen. Die Website erweckt eher den Eindruck, dass das Parlament mit der Erklärung die genannten Straftatbestände allgemein verurteilen solle, zumal schriftliche Erklärungen oft auch für Meinungsäußerungen ohne konkretes Gesetzgebungsvorhaben genutzt werden.
Auch ein Schreiben, das Mitinitiator Tiziano Motti an alle EU-Parlamentarier verschickt hat, enthält nur vage Hinweise darauf, worum es eigentlich geht. Nur der Satz
"Wir wären Dir dankbar, wenn auch Du Dich wie schon viele andere Kolleginnen und Kollegen vor Dir dieser wichtigen Initiative anschließen und die Schriftliche Erklärung Nr. 29 zur Schaffung eines europäischen Frühwarnsystems gegen Pädophilie und sexuelle Belästigung unterzeichnen würdest.“
lässt darauf schließen, dass mit "Frühwarnsystem" ein konkretes Vorhaben gemeint ist. Im Text (PDF) der schriftlichen Erklärung 29 wird die Vorratsdatenspeicherung nur mit ihrer Richtliniennummer erwähnt: "Das europäische Parlament […] fordert Rat und Kommission auf, die Richtlinie 2006/24/EG umzusetzen und ihren Anwendungsbereich auf Suchmaschinen auszudehnen, um schnell und wirksam gegen Kinderpornographie und sexuelle Belästigung im Internet vorgehen zu können".
MdEP Christian Engström vermutet, dass die Verfasser absichtlich nicht den Begriff "Vorratsdatenspeicherung" verwendet haben und nur von der "Richtlinie 2006/24/EG" sprechen. Seine Kollegin Cecilia Wikström von der schwedischen Folkpartiet liberalerna (nicht zu verwechseln mit Innenkommissarin Cecilia "Censilia" Malmström von derselben Partei) spricht sogar offen davon, getäuscht worden zu sein.
Wikström hatte die Erklärung zunächst unterschrieben. Erst später begriff sie, dass es nicht um eine allgemeine Verurteilung von Pädophilie und sexueller Belästigung geht, sondern um die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung auf Suchmaschinen. Sie hat ihre Unterschrift inzwischen zurückgezogen.
Auch hat Wikström einen Brief an alle Parlamentarier verfasst: Sie erläutert ihren Fehler und bittet ihre Kollegen darüber nachzudenken, ob sie ebenfalls die Erklärung nur irrtümlich unterzeichnet haben.
Angesichts der "Implementierungsprobleme" mit der Vorratsdatenspeicherung in Belgien, Deutschland, Griechenland, Rumänien, Österreich und Schweden sei es für das Parlament unangemessen, zum jetzigen Zeitpunkt Stellung zu beziehen, da aufgrund der verfassungsrechtlichen Probleme in vielen Ländern eine offizielle Überprüfung durch die Kommission im Gange sei, deren Ergebnisse im September erwartet würden.
Die Langzeitspeicherung von Daten der Bürger habe eindeutig nichts mit einem "Frühwarnsystem" zu tun, zu welchem Zweck auch immer. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass die Parlamentsmitglieder, die die Erklärung unterzeichnet hätten, wüssten, worum es eigentlich geht.
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7 Kommentare zu Vorratsdatenspeicherung 2.0: EU will Googles Sucharchive
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Armseelig
Also zumindest ein Politiker sollte schon lesen und verstehen BEVOR
er etwas unterschreibt…
Meiner Meinung nach gehört JEDER, der diesen Wisch unterschrieben hat,
seines Amtes enthoben!
Der Verfasser selbstverständlich auch…
Einfach nur lächerlich dass sowas keine Konsequenzen hat…
Unter diesen Umständen: EU – nein danke!
Even bigger Brother wacthing YOU!
Es lebe der Überwachungsstaat..sorry die Überwachungsunion! Bürokratisch…Bürokratischer…EU
Sanfte Verdummung
Nein, Cueball, Du bist sicherlich nicht alleine. Aber trotzdem sind wir eine Minorität. Dem Großteil unserer lieben Bevölkerung fehlt nach meiner Einschätzung jegliches Verständnis für diese Thematik. Und genau wie die Werbung auf Emotionen und niederste Instinkte abzielt, macht es Politik. Ich nenne das die „sanfte Verdummung“. Dem Bürger wird ständig eingeredet, wie wichtig Politik ist. Verstehen kann er sie aber nicht. Und das soll er auch garnicht. Ihm muss nur klar gemacht werden, dass er 1x alle 4 Jahre sein Kreuzchen zu machen hat, und zwar möglichst weit oben auf dem Stimmzettel, und ansonsten mal lieber die Fresse hält.
Verarsche der Bevölkerung
Hi,
ich bin immer wieder erstaunt, über die Menge der Artikel auf diversen Seiten, die sich darüber aufregen, dass man uns allen ein X für ein U vormachen will.
Zudem ist es doch sehr erstaunlich was Regierung & Co sich alles einfallen lassen zum Thema: Internetkriminalität usw.
Aber es wundert mich genau so sehr, dass immer nur geredet wird… getan wird quasi gar nichts.
Die Situation wird immer schlimmer und die Regierungen arbeiten immer mehr Hand-in-Hand mit Medienunternehmen zusammen um uns das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin bereits ist.
Wann passiert endlich mal was??? Ich habe jeden Tag die Schnauze ein wenig mehr voll als den Tag zuvor – bin ich alleine??
AW: Verarsche der Bevölkerung
Ein Problem ist ja, was in „Angriff auf die Freiheit“ schon erörtert wurde: Irgendwie scheinen sich nur die IT-Magazine ernsthaft mit der Thematik auseinanderzusetzen, während andere Presseorgane Begriffe wie „Terrorverdächtiger“ bereitwillig in ihr Vokabular aufnehmen. Es scheint fast, als wären nur Nerds an einem freien Internet interessiert sein. Offenkundig, weil nur sie es wirklich verstanden haben.
Aber wie war das doch gleich: Meine Daten können sie ja ruhig haben, ich habe mir doch nichts vorzuwerfen. Das ist doch vom Staat, das kann doch nichts Böses sein…
Vorratsdatenspeicherung 2.0
… mir fehlt da noch die vorsorgliche Speicherung aller Chatdialoge …. das natürlich mit Suchindex nach den wichtigen Schlagwörtern und automatischer Mail (die natürlich durch alle SPAM-Filter per entsprechender Verordnung) durchgelassen werden muss ….
Orwell lässt grüßen !!
abschalten!
ja entweder das internet abschalten oder das europarlament.
viel mehr bleibt dann ja nicht mehr.
Ps.: gab es da nicht mal überwachungsinstanzen die so ein "marketingverhalten" "überwachen" sollten?!?!?!