Einem Bericht von Bloomberg zufolge haben sich Google und der US-Kabelnetzbetreiber Verizon über die Netzneutralität geeinigt. Die New York Times hat allerdings andere Informationen. Demnach ist Verizon bereit, den Traffic von Google bevorzugt durch sein Netz zu leiten, wenn Google dafür bezahlt. Dabei dürfte es hauptsächlich um die Google-Tochter YouTube gehen.
Den Internet-Providern sind Video-Dienste wie YouTube ein Dorn im Auge. Bei der knappen Kalkulation ihrer Flatrates haben sie nicht damit gerechnet, dass Videos im Internet einen derartigen Erfolg haben werden.
Noch vor wenigen Jahren galt Filesharing über Netze wie Bittorrent und eDonkey als die Anwendung, die den meisten Traffic verursacht. Inzwischen führen meist Videos – zum Teil in HD-Qualität – zu Engpässen bei den Netzbetreibern. Dagegen gibt es ein einfaches Mittel, nämlich den Netzausbau im Backbone. Das ist technisch kein Problem, aber es kostet Geld.
Dass Anbieter wie Google dafür zahlen sollen, ist keine neue Idee. Auch die Deutsche Telekom ist nicht abgeneigt, sich von Anbietern entlohnen zu lassen, damit deren Pakete zum Kunden kommen und andere Anbieter, etwa Blogs, Webshops und private Internetradio-Betreiber, im Zweifel das Nachsehen haben.
Das Prinzip der Netzneutralität schreibt vor, dass alle Pakete gleich behandelt werden müssen. Egal, ob sie von einem großen Anbieter mit starkem finanziellen Hintergrund kommen oder von einem kleinen Webshop-Betreiber. Wenn die Kapazitätsgrenze erreicht ist, wird das Netz langsamer. Davon müssen jedoch alle Anbieter gleichermaßen betroffen sein. Es kann nicht angehen, dass die Pakete von großen Konzernen bevorzugt werden.
Weiter gebietet die Netzneutralität, dass ein Carrier keine bestimmten Dienste bevorzugen oder benachteiligen darf. VoIP-Gespräche und Instant-Messaging-Dienste haben dieselbe Daseinsberechtigung wie alle anderen Dienste auch. Mobilfunkanbieter müssen die Konkurrenz zu GSM-Telefonie und SMS hinnehmen, zumal mobiles Internet über GSM und UMTS von denselben Angebotsoligopolisten abgewickelt wird wie klassische Mobilfunkkommunikation.
Ohne staatliche Regulierung wird es jedoch keine Netzneutralität geben. An einer Verlangsamung von Filesharing-Diensten haben sich bereits eine Menge Anbieter versucht, zum Glück ohne Erfolg, da die Dienste ihre Protokolle ständig verändern können, um einer DPI-Entdeckung zu entgehen.
Festnetzprovider wie T-Online, Alice und Versatel fälschen unverblümt DNS-Antworten. Kabel Deutschland hat diese Unsitte inzwischen aufgegeben.
Die Mobilfunkprovider werden sogar kriminell und nutzen Bytemobile-Technologie, um HTTP-Traffic abzufangen und Webseiten zu fälschen. Dabei werden Bilder ausgetauscht und Javascript-Programme auf dem Rechner des Nutzers ausgeführt. Das geht so weit, dass viele AJAX-Websites nicht mehr funktionieren.
Damit verstoßen die Provider gegen § 88 Absatz 3 TKG (Fernmeldegeheimnis), § 206 Absatz 2 Nummer 1 StGB (Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnis) und § 303a Absatz 1 StGB (Datenveränderung). Ein Schutz der technischen Systeme gemäß § 88 Absatz 3 Satz 1 ist zumindest bei UMTS und HSDPA nicht gegeben.
Die Provider führen an, dass sie die Bilder aus technischen Gründen komprimieren müssen. Selbst wenn eine Funkzelle so überlastet ist, dass nur 64 KBit/s Durchsatz erzielt wird, ist das kein Grund für eine Fälschung. Bei ISDN geht es schließlich auch ohne.
Die Gesetzgeber sind gefordert, dafür zu sorgen, dass das Netz neutral bleibt und jedermann die gleichen Bedingungen beim Zugang hat – sei es als Anbieter oder als Konsument. Bisher hat nur Chile die notwendigen Gesetze geschaffen.
In den USA versucht die FCC unter ihrem Chef Julius Genachowski, Netzneutralität durchzusetzen, jedoch sind ihr die Hände gebunden. Als sie gegen Comcasts P2P-Blockade vorgehen wollte, wurde sie per Gerichtsurteil daran gehindert. Der vorsitzende Richter monierte zurecht, dass keine gesetzliche Grundlage vorliegt, in Comcasts Praktiken einzugreifen.
In Europa können die Provider derzeit noch tun und lassen was sie wollen. Abgesehen von einigen vagen Beteuerungen einiger Politiker, grundsätzlich für Netzneutralität zu sein, zeigt sich eher Desinteresse und Inkompetenz. Ein Handeln ist jedoch dringend erforderlich. Es müssen bestehende Gesetze eingehalten und neue geschaffen werden, sonst laufen nur noch solche Dienste performant, für die der Anbieter beim Provider bezahlt hat.
Update 05.08.2010 19.18 Uhr:
Google hat inzwischen die New-York-Times-Meldung dementiert: „Die New York Times hat ganz einfach Unrecht. Wir haben mit Verizon nicht darüber gesprochen, für den Transport von Google-Traffic zu zahlen. Wir bekennen uns zu einem offenen Internet, so wie wir es immer getan haben.“
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