Grundlegende Gerichtsentscheidung: Surfen in offenen WLANs

ZDNet: Mit welchen Argumenten haben Sie Ihren Mandanten verteidigt?

Jens Ferner: Da unser Mandant das WLAN letztlich bestimmungsgemäß genutzt hat und kein ausdrückliches Verbot dieses Verhaltens existiert, sehen wir schon gar keine rechtliche Grundlage für ein strafbares Verhalten. Die Heranziehung des Abhörverbotes (Paragraf 89 Telekommunikationsgesetz) überschritt den rechtlich möglichen Rahmen und stellte quasi schon eine Zweckentfremdung dieses Paragrafen dar. Hinsichtlich des Vorwurfs, personenbezogene Daten erfasst zu haben, war festzustellen dass eben keine personenbezogenen Daten des WLAN-Inhabers erfasst wurden. Die ausführliche juristische Begründung findet sich auf der von uns zum Thema „Schwarz surfen“ eingerichteten Website.

ZDNet: Und wie hat das Gericht entschieden?

Jens Ferner: Das Gericht hat dieser Sichtweise zugestimmt: Hinsichtlich des „Abhörverbotes“ sieht man ausdrücklich den Anwendungsbereich des Paragrafen 89 des Telekommunikationsgesetzes „überspannt“. Zugleich stellt der Richter klar, dass er beim einfachen Surfen über ein fremdes WLAN nicht automatisch das unerlaubte Erfassen fremder personenbezogener Daten erkennt. Dabei wurde richtigerweise – entgegen dem früheren Urteil – klargestellt, dass die im Intranet vergebene IP-Adresse eben nicht personenbezogen ist.

ZDNet: Teilen Sie die Ansicht des Gerichts vollständig, oder gibt es Punkte, in denen Ihre Meinung von der des Gerichts abweicht?

Jens Ferner: In einem kleinen Detail gibt es Kritik, die aber mit der Entscheidung insgesamt nichts zu tun hat: Die Ausführungen des Richters zum Personenbezug der IP-Adresse stoßen bei mir auf Widerstand. Der Richter führt aus, dass die IP-Adresse kein personenbezogenes Datum sei, da es sich um ein allgemein verfügbares Datum handelt. Allerdings wirkt sich die allgemeine Verfügbarkeit nach Paragraf 28 Bundesdatenschutzgesetz nicht auf einen eventuell vorhandenen Personenbezug aus. Vielmehr ist festzustellen, dass die im Intranet vergebene IP-Adresse von Anfang an für unseren Mandanten bestimmt war, es sich somit nicht um fremdes, sogenanntes personenbezogenes Datum handeln kann.

Dieses kleine Detail finde ich insofern wichtig. Denn die Tatsache, dass bei diesem Sachverhalt mehrere IP-Adressen existieren – zum Beispiel die der Nutzer des Routers im Intranet und die des Routers im Internet – sorgt bei Gerichten immer wieder für Verständnisprobleme. Im früheren Urteil des Amtsgerichts Wuppertal war dies sehr deutlich zu merken. Dort war immer nur von „der IP-Adresse“ die Rede.

ZDNet: Es handelt sich ja lediglich um den Beschluss eines Amtsgerichts. Sie halten die Entscheidung dennoch für außerordentlich wichtig. Warum?

Das Thema Schwarz-Surfen nahm in Wuppertal seinen Anfang. Es war das Amtsgericht Wuppertal, dass das erste bekannte Urteil zum Thema gefasst hat. Dieses Urteil wurde in der „Neuen Zeitschrift für Strafrecht“ (NStZ) publiziert und damit unter Strafrechtlern recht bekannt. Wann immer etwas zum Thema Schwarz-Surfen geschehen ist, wurde sich auf dieses Urteil berufen. Dadurch, dass nun ausgerechnet das Wuppertaler Amtsgericht sich selbst ausführlich „berichtigt“, wird zumindest das ursprüngliche Urteil keine attraktive Referenz mehr sein. Letztlich ist dies aber natürlich keine Garantie: Wie sich die Gerichte und Staatsanwaltschaften zukünftig verhalten, wird sich erst noch zeigen.

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