Streitgespräch: Braucht die Verwaltung Open Source?

Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die Grundlage von IT-Entscheidungen auch im öffentlichen Bereich sein sollen, werden hier nicht immer in erforderlichem Maße durchgeführt. „Wirtschaftlichkeitsberechnungen sollten die Grundlage jeder Entscheidung zum Einsatz von Software jeglicher Art sein“, so Heimes. „Es ist allerdings wichtig, dass dies eine holistische Betrachtung ist, welche nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und langfristige Kosten beinhaltet. Denn ein Umstieg ist nicht immer einfach und führt nicht immer zu kurzfristigen Einsparungen.“

Langfristig hingegen könnten aber große Einsparpotenziale, besonders im Bereich Commodity Software, möglich sein und verbesserte Flexibilität sowie Unabhängigkeit erreicht werden. Förster ergänzt: „Sicherlich sind die Anschaffungskosten sehr gering, aber eine gesamte TCO-Betrachtung ist dennoch sinnvoll. Allerdings kann man hier keine allgemeingültige Aussage machen, ob der Einsatz von Open Source in jedem Fall sinnvoll ist, vielmehr ist jeder Einsatz und jedes Projekt für sich zu betrachten.“

Ähnlich argumentiert Urban: „IT-Beschaffungen basieren zumeist auf einer Gesamtkostenbetrachtung. Demnach werden Kosten für Software-Lizenzen nicht isoliert betrachtet, sondern der gesamte Aufwand für Implementierung, Schulung der Mitarbeiter oder mögliche Produktivitätsausfälle in die Berechnung miteinbezogen. Oft sind die Hauptkostentreiber in der Hardware und im Personal zu sehen. Die Gesamtkostenbetrachtung klärt über die ganzen Kosten auf, mit denen man rechnen muss, unabhängig von vermeintlicher Kostenfreiheit bei bestimmten Geschäftsmodellen.“ Bei einer umfassenden Wirtschaftlichkeitsbetrachtung seien aber auch qualitative und strategische Faktoren einzubeziehen.

Die politische Dimension

Hat die Diskussion um die Entscheidungen für oder gegen Open Source in Öffentlichen Einrichtungen nicht nur technische und wirtschaftliche, sondern auch eine politische Dimension?
„Vermutlich ja“, meint Heimes. Einige Kunden, vor allem im behördlichen Umfeld, die Open Source einsetzen, begründeten dies unter anderem auch damit, dass dadurch lokale IT-Anbieter und Dienstleister gefördert würden. Dies legt auch eine inzwischen drei Jahre altes EU-Papier nahe. Außerdem sei das Thema Open Source sehr eng mit Offenen Standards verwandt. „Spätestens hier kommt die politische Dimension mit den De-Jure-Standards und den entsprechenden Organisationen ins Spiel.“

Förster ergänzt: „Darüber hinaus unterliegen Organisationen, auch politische, oft Compliance-Zwängen, zum Beispiel bezüglich Prozessen oder auch Archivierung. Hier ist es offensichtlich, dass Offene Standards und somit auch darauf aufbauende Open Source sehr hilfreich sein kann.“

Urban dagegen sieht bei Microsoft-Kunden keine politischen Hintergründe: „Die Kriterien unserer Kunden für Entscheidungen sind eigentlich immer rein technischer und wirtschaftlicher Natur.“

Gibt es bestimmte Präferenzen? Bevorzugen konservative Politiker beispielsweise den Marktstandard, Grüne und Liberale Open Source? „Diese Frage sollte direkt an die genannten Gruppen und Organisationen adressiert werden“, meinen Urban und Heimes in seltener Einmütigkeit. „Aber ich denke, dass die Popularität von Open Source überparteilich ist und sich nicht auf bestimmte Gruppen oder Organisationen beschränkt – das lässt zumindest die Presse der letzten Jahre zu diesem Thema erkennen“, so Heimes.

Als konkretes Beispiel, bei dem Open-Source-Lösungen Vorteile gebracht haben nennt Heimes ODF. „Es hat sich gezeigt, dass dieser erste offene Standard zum Thema Office Formate, mit wenigen hundert Seiten an Spezifikation sich großer Beliebtheit erfreut. Im Gegensatz zu vergleichbaren Standards, die allerdings weniger offen sind und einige tausend Seiten Spezifikation umfassen, hat sich ODF als sehr agil gezeigt und kann eben nicht nur von Großunternehmen, sondern auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen implementiert werden. Es hat sich so rund um ODF eine große Community, ein starkes und gesundes Ökosystem, sowie ein stetiger Fluss an Innovationen entwickelt.“

Außerdem habe die Mozilla Foundation mit dem Firefox-Browser dazu beigetragen, dass wieder mehr Fokus auf Einhaltung der Web-Standards wie HTML, CSS, XML, XHTML gelegt werde und die Browserhersteller weniger eigene und nicht standardkonforme Erweiterungen verbreiten.

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1 Kommentar zu Streitgespräch: Braucht die Verwaltung Open Source?

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  • Am 1. September 2010 um 21:53 von Ettore Atalan

    Proprietäre und offene Software zu vermischen ist eine Krankheit
    Proprietäre und offene Software zu vermischen ist vergleichbar mit dem Beimischen von Cholera in Vitamin-C-Tabletten. Beides vollkommen unlogisch, da man immer noch von proprietärer Software abhängig ist bzw. mehr krank als gesund wird.

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