Software und Bedienung

Bis hierher beeindruckt das N8 mit einer gigantischen Ausstattung, einer hohen Qualität und macht einen sehr guten Eindruck. Der Trubel beginnt aber in dem Moment, wo das N8 zum ersten Mal eingeschaltet wird, beziehungsweise kurz danach. Das Handy bootet halbwegs flott, fragt nach der PIN und präsentiert die neue Oberfläche von Symbian 3, wobei hier eigentlich eher alles aussieht wie immer.

Tatsächlich hat sich beim User-Interface weniger getan als erwartet. Es gibt drei Homescreen-Seiten, die sich im feinsten Android-Stil mit Widgets und Verknüpfungen vollpacken lassen, und die intuitiv per Wisch-Geste durchgeschaltet werden. Intuitiv? Ja, wobei beim ersten Versuch gleich zwei Seiten gewechselt werden. Der Homescreen bewegt sich nicht unterm Finger mit, sondern schaltet die Ansicht gemächlich auf die nächste Seite um, wenn die Geste schon längst beendet ist – ungeduldige Zeitgenossen wischen da schon zum zweiten Mal. Man gewöhnt sich daran, nach dem Wischen kurz zu warten.

Durch den Druck auf die mechanische Taste unter dem Display wird das Hauptmenü auf den Schirm geholt. Hier verbergen sich die verschiedenen Programme und Tools wie Adressbuch, Kalender, Mediaplayer, Webbrowser und so weiter. Nachinstallierte Apps landen in Unterordnern. Programme und Games gibt es von Haus aus. Zwei testweise über den Ovi-Store nachinstallierte Spiele finden sich aber im Ordner Programme wieder. Warum, wenn es doch auch Games gibt, in dem übrigens zwei andere Spiele aus dem Ovi-Store gelandet sind. Immerhin lassen sich die Icons verschieben. Beim iPhone und bei Android würde man jetzt lange aufs Symbol tippen und es dann bequem per Drag and drop an seinen prädestinierten Ort schieben. Hier ist es etwas rudimentärer: Unten befinden sich zwei Schaltflächen aus der Zeit, in der unterm Display noch zwei Knöpfe waren, die die jeweils angezeigte Aktion ausgeführt haben. Hier tippt man auf Optionen, wählt Verwalten, sucht die entsprechende App heraus, tippt lange auf das Symbol, bis ein Wartekringel auftaucht, wartet, bis er fertig ist und das Optionen-Menü aufgeht, wählt die einzige Option (In Ordner verschieben) und tippt im daraufhin aufklappenden Menü den gewünschten, neuen Ort – zum Beispiel Stammordner oder Games.

In diesem Stil zieht sich die Bedienung wie ein roter Faden durch, meistens. Wer zum Beispiel eine Telefonsperre einrichten möchte, damit das Gerät beim Aufwecken aus dem Stand-by-Modus nach einem Kennwort fragt, arbeitet sich durch die Menüpunkte Menü, Einstell., Telefon, Tel.-managem., Sicherheitseinstell. und Telefon und SIM-Karte bis zum gewünschten Punkt Zeit bis Telefonsperre durch – wo selbige auch aktiviert wird. Das mag jetzt vielleicht gar nicht so schlimm wirken, aber bis man diesen Weg gefunden hat, vergeht einige Zeit.

Anderes Beispiel: Es wird versucht – unter anderem auch mit Smartphone-erfahrenen Testpersonen – eine Synchonisation des Telefonbuchs mit einem Google-Konto (oder einem Zugang eines anderen, vergleichbaren Anbieters) einzurichten. Eine Option wie Konten gibt es nicht, die Optionen rund um Synchronisieren beziehen sich auf den Abgleich von Daten via USB mit dem PC oder über das Internet mit dem Nokia-eigenen OVI-Angebot. Die Testpersonen versuchen das Google-Konto online mit dem OVI-Konto abzugleichen (mit einer echten Synchronisierung, nicht mit einem einmaligen Kopieren der Daten), sich durch Optionen wie OVI Sync, Synchronisation, Dat.-austausch, Verb.-manager, Datentransfer oder Admin. Einstell. zu arbeiten – und legen das N8 danach frustriert zur Seite. Um Kontakte mit dem N8 abzugleichen, wird später ein Exchange-Konto hinzugefügt (das Freemail-Anbieter üblicherweise nicht bieten), und zwar über Einstellungen, Telefon, Mail, Optionen und Neues Postfach.

Unverständlich ist der Einsatz der vielen Abkürzungen Tel.-managem., Ben.-Beleucht., Progr.-einstell.. Ganz ohne Not wird hier geschnitten und gepunktet, obwohl die fehlenden paar Buchstaben in vielen Fällen durchaus noch Platz hätten.

„Sie machen aus einer Fliege einen Elefanten“, könnte man jetzt vorwerfen. Mag sein – ein E-Mail-Konto beispielsweise richtet man schließlich nur einmal ein. Aber das sind einfach ein paar Beispiele von ganz vielen. Mehr gefällig? Man startet den App Store OVI Store über die Verknüpfung aus dem Hauptmenü. Die Überraschung: Er befindet sich nicht auf dem Gerät. Die Verknüpfung führt zum Download. Hier kann man ihn installieren und danach funktioniert es. Warum ist der Store nicht ab Werk auf dem N8 verfügbar? Dann wird der Youtube-Player gestartet. Anstelle einer attraktiven, bunten, flüssigen App, die man erwartet, öffnet sich der Webbrowser und zeigt nach zehnsekündiger Wartezeit die Youtube-Mobilwebseite an. Es funktioniert, ist aber nicht attraktiv, nicht schnell und nicht auf dem Niveau, auf dem Apple, Google und inzwischen sogar Microsoft sind.

Ein weiteres Beispiel: Man startet den Browser – und anstelle einer Google- (oder beispielsweise auch Nokia-) Webseite mit Adressleiste oben erscheint eine schwarze, bilderlose Liste, die voreingestellte Lesezeichen untereinander anzeigt: Nokia.mobi, Music Store, Shop Themes. Wer eine bestimmte Webseite aufrufen möchte, muss zunächst unten einen Button tippen und die URL in das aufpoppende Fenster tippen. Dann erscheint die gewünschte Webseite. Sie sieht ganz ansprechend aus und ist mit zwei Fingern zoombar. Dank Flash Lite laufen auch Videos und diverse Flash-Applets, aber eben nicht alle, wie bei aktuellen Android-Phones. Umfangreichere Webseiten (wie dieser Testbericht) ruckeln beim Scrollen und zoomen erheblich, und wer die Seite wechseln möchte, muss unten rechts auf einen Doppelpfeil tippen und danach auf eine Schaltfläche mit Weltkugel-Icon, bis er wieder eine Adresse eintippen kann.

Ein anderer Fall: Man tippt auf das Icon OVI Musik – das Pendant zum iTunes-Store auf dem iPhone. Und wieder öffnet sich der Browser, wieder dauert es. Zehn Sekunden später erscheint eine Webseite mit einem Knopf: OVI Music. Das wäre das Ziel. Tippt man darauf, dauert es wieder und es erscheint die Info Einen Moment bitte. Dann geht es in den virtuellen Plattenladen, der gut funktioniert, aber eben auch nicht sonderlich attraktiv und animiert ist.

Das ließe sich jetzt quasi ewig weiter führen. Über eine Tastatur, die nur im Querformat ein QWERTZ-Layout zeigt und im Hochformat ein klassisches Telefon-Tasten-Layout, bei dem Tippen ewig dauert. Darüber, dass man beim Tippen nur Tastatur und Text sieht, aber nicht zum Beispiel die Beschriftung des Feldes, in das man gerade tippt. Darüber, dass es unterschiedliche Menüpunkte für das Senden von Fotos an Facebook oder per Mail gibt – und dass sich das Mail-Programm bei dem Versuch ohnehin aufhängt. Bis hin zu Einstellungen wie dem haptischen Feedback, das man für jedes Profil einzeln deaktivieren muss, wenn man es nicht möchte.

Sicherlich hat das N8 auch bei der Software seine guten Seiten. So zeigt das N8 im Standby-Modus eine Uhr auf seinem OLED-Display an, was die Konkurrenz nicht kann. Es bietet witzige Programme zum Bearbeiten von Bildern und Fotos. Es gibt die Karten-Anwendung, die Straßenkarten auf Wunsch auf dem Gerät speichert und eine kostenlose, echte Turn-by-Turn-Navigation integriert. Es liefert ein gut funktionierendes Multitasking. Und so weiter. Aber unterm Strich frustriert die Bedienung jeden Anwender, der in den letzten Jahren mit Touchscreen-Smartphones anderer Hersteller zu tun hatte. Nokia hat hier den Schritt zu Symbian 3 leider nicht genutzt, um mit den Altlasten aufzuräumen, sondern die Jahre alte Menüführung weiter aufgebohrt. Das mag gut sein für Nutzer von Nokia-Handys, die sich erstmals in Richtung Touchscreen orientieren. Aber wer bereits mit ähnlich hochwertigen Android-Phones oder dem iPhone zu tun hatte, der wird hier wohl die Nase rümpfen.

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1 Kommentar zu Nokia N8 im Test: Kamera-Smartphone mit Symbian 3 und HDMI

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  • Am 17. November 2010 um 18:02 von KNSC

    Bericht Nokia N8 Pro und Contra
    Pro

    * wirkt sehr wertig und stabil
    * Ausstattung innovativ und auf höchstem Niveau

    Contra

    * Oberfläche und Bedienung wirken altbacken
    * trotz gutem Touchscreen nur mäßig schnelle Reaktionen
    * Software insgesamt nicht auf dem Niveau der Konkurrenz

    Wer hat diese Pro und Contra Argumente nur geschrieben. Meiner Meinung nach passen diese nicht mit einander.
    Schlechte Bewertung!

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