Telekom-Chef Obermann: „Netzneutralität ist eine Scheindebatte“


René Obermann (Bild: Deutsche Telekom)

Laut Telekom-Chef René Obermann müssen die Kapazitäten von Internetverbindungen in Zukunft besser gemanagt werden. „Das heißt konkret, je nach Service unterschiedliche Qualitätsstufen bereitstellen – ohne den heutigen Standard zu verschlechtern“, sagte Obermann im Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit.

Als Beispiel nannte Obermann die Übertragung einer Fern-OP in der Telemedizin. Hier sei es wichtig, dass die Bilder in bester Qualität übertragen würden und schneller ans Ziel kämen als eine E-Mail, auf die man auch ein paar Sekunden länger warten könne. „Also müssen einige Datenpakete schneller übertragen werden als andere“, sagte er der Zeit.

Wer eine zusätzliche Leistung in Anspruch nehme, also die höchstmögliche Bandbreite garantiert haben wolle, müsse auch mehr zahlen. Die Telekom könne nicht akzeptieren, Milliarden in den Ausbau des Netzes zu stecken, ohne neue Umsatzquellen zu erschließen. „Wir müssen trotzdem aufpassen, dass wir schnell genug sind. Sonst passiert das, was wir bei Wettbewerbern in einigen Ballungsräumen in den USA schon beobachten können: Gespräche brechen ab, von Videotelefonaten ganz zu schweigen, Filme ruckeln, im Netz entsteht ein Stau. Das müssen wir verhindern.“

Die Netzneutralität bezeichnete Obermann als „Scheindebatte“: „Dass unterschiedliche Anwendungen unterschiedliche Netzgeschwindigkeiten erfordern, leuchtet vielen ein, aber sobald ein Preis ins Spiel kommt, flammt eine Debatte auf, als ginge es um Grundrechteentzug.“ Unterschiedliche Preismodelle gebe es schon heute, etwa bei E-Mail-Diensten und in Sozialen Netzen. „Wir wollen unterschiedliche Qualitätsstufen im Netz – nach klar definierten Kriterien und zwar für alle.“

Nach Ansicht des Telekom-Chefs schließt sein Modell kleine, weniger finanzkräftige Unternehmen nicht aus. „Wir wollen möglichst viele junge, innovative Unternehmen als Partner gewinnen und ihnen tragfähige Geschäftsmodelle anbieten. Wir sind keine Zensurbehörde!“, bekräftigte er. Wie ein solches Modell aussehen könnte, sagte Obermann allerdings nicht.

Im März hatte Obermann gegenüber dem Manager Magazin erklärt, die Telekom könne nicht alles umsonst anbieten. „Zahlen müssen diejenigen, die die Netze stark beanspruchen.“ Die Kosten für Anbieter sollten sich nach der benötigen Bandbreite richten: Je mehr Traffic ein Dienst verursache, desto höher wären die Gebühren. Ende Juli erneuerte er seine Forderung nach Zahlungen von datenintensiver Dienste.

Das Prinzip der Netzneutralität fußt darauf, dass alle Datenpakete gleich behandelt werden – unabhängig davon, ob sie von einem großen Anbieter mit starkem finanziellen Hintergrund kommen oder von einem kleinen Webshop-Betreiber. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, wird das Netz für alle langsamer.

ZDNet.de Redaktion

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