Was kosten H.264-Lizenzen wirklich?

Grundsätzlich unterteilt die MPEG LA ihre Kunden in zwei Kategorien, für die unterschiedliche Tarife gelten. In die erste Gruppe fallen Firmen, die „AVC Encoder und Decoder herstellen und vertreiben“ – üblicherweise als Teil einer Hard- oder Software. Sie bezahlen die Lizenzgebühren an die MPEG LA. Dafür dürfen ihre Kunden die zur Verfügung gestellten Codecs im Rahmen der Software für persönliche Zwecke oder firmenintern nutzen. Die Erlaubnis zur firmeninternen Nutzung ist neu. Zur zweiten Gruppe gehören Anbieter von Video-Inhalten oder -Diensten, die Teillizenzen benötigen, um AVC-Encoder sowie -Decoder benutzen und H.264-formatierte Videos ausliefern zu dürfen, die nicht unter die Lizenz für die persönliche Nutzung fallen.

Die Teillizenz für die erste Kundengruppe deckt „unter eigener Marke vertriebene Encoder und Decoder“ ab, die an Endbenutzer und OEMS verkauft werden. Auch dabei gibt es wieder eine Zweiteilung – und zwar, ob sie zur Verwendung in einem PC als Bestandteil dessen Betriebssystems gedacht sind oder nicht. In die erste Gruppe fallen zum Beispiel Adobes Flash Player, Microsofts Silverlight und Apples QuickTime.

Unterm Strich kommt so gut wie jeder verkaufte PC heute mit AVC/H.264-Codecs beim Kunden an. Jede Version von Windows 7 enthält Microsofts Version des Codecs, wobei die relevanten Absätze zur Nutzung in der Betriebssystemlizenz enthalten sind (PDF). Dasselbe gilt auch für Mac OS X 10.6, dessen EULA (PDF) eine vergleichbare Passage enthält und natürlich auch für iOS-Geräte wie iPad und iPhone oder Windows-7-Smartphones.

Bei Google stehen im Absatz 8.7 der Nutzungsbedingungen nach dem Stand vom 17 Januar 2011 die oben genannten AVC-Lizenzbedingungen. Außerdem wird dort Adobe-Software erwähnt, die eine zweite Lizenz für das AVC-Patent-Portfolio enthält. Bisher war Chrome der einzige Browser, der AVC/H.264-Codecs enthält – was Google ja aber künftig ändern wird. Unter anderem mit Verweis auf die damit verbundenen Kosten. Wie hoch sind diese jedoch tatsächlich?

Deckelung auf 6,5 Millionen Dollar pro Jahr

Laut den Lizenzbedingungen für 2011 bis 2015 sind die Tarife unabhängig davon, ob ein Produkt Teil eines Betriebssystems ist oder nicht. Außerdem fallen keine Gebühren für die ersten 100.000 verkauften Einheiten eines lizensierten Produktes an. Für Sublizenzen verlangt die MPEG LA 20 Cents pro Einheit bei bis zu 5 Millionen Stück und 10 Cent bei mehr als 5 Millionen. Die Kosten für ein Unternehmen sind gedeckelt: Sie übersteigen bis 2015 auf keinen Fall den Betrag von 6,5 Millionen Dollar pro Jahr.

Obwohl in den Lizenzbedingungen von „verkauften Einheiten“ die Rede ist, beziehen sie sich auch auf kostenfrei abgegebene Produkte, etwa Browsersoftware. Um von der Deckelung von 6,5 Millionen Dollar pro Jahr etwas zu haben, muss ein Unternehmen rund 60 Millionen lizenzpflichtige Produkte absetzen. Aufgrund ihres hohen Marktanteils überspringen Microsoft und Adobe diese Hürde wahrscheinlich jedes Jahr. Auch Apple kommt – rechnet man alle relevanten Produkte zusammen – wahrscheinlich auf solche Zahlen. Aber obwohl es für Google bei Chrome gut läuft, erreicht es nicht vergleichbare Zahlen.

Was die Videoanbieter zahlen

Die zweite Gruppe, also Anbieter von Video-Inhalten oder -Diensten, benötigt Teillizenzen aus dem MPEG LA Patentportfolio, um AVC/H.264-formatierte Videos auszuliefern. Dazu gehören Publishers von Blu-ray-Discs ebenso wie Anbieter von Video-on-Demand und Pay-per-View-Services via Kabel, Satellit, Internet oder Mobilfunk. Was müssen sie bezahlen?
Sofern das Angebot lediglich werbefinanziert ist, der Endnutzer also weder für das Recht auf den Empfang noch das Betrachten des Videos bezahlt, fallen für die Dauer der Lizenz keine Kosten an. Das wäre etwa – zumindest bei der heutigen Ausgestaltung des Dienstes – bei YouTube der Fall. Außerdem sind Angebote kostenfrei, die höchstens 12 Minuten laufen – selbst wenn für sie bezahlt wird.

Für alles, was länger als zwölf Minuten dauert, muss bezahlt werden. Der Betrag hängt davon ab, ob der Endbenutzer pro Film oder im Abo bezahlt. Für Einzelvideos liegen die Kosten für den Anbieter bei 2 Cent oder maximal 2 Prozent des vom Endkunden bezahlten Betrags. Für einen Videoclip, der einen Dollar kostet, und für eine Blu-ray-Disc, die für 20 Dollar verkauft wird, fallen also jeweils Lizenzgebühren in Höhe von 2 Cent an.

Bei Abo-Diensten hängt die Höhe von der Zahl der Gesamtnutzer ab. Sind es weniger als 250.000 ist die Lizenz kostenlos, bei über einer Million kostet sie 100.000 Dollar pro Jahr. Wie bei den Softwareanbietern ist der Betrag auf 6,5 Millionen Dollar pro Jahr gedeckelt.

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ZDNet.de Redaktion

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