Mit den neuesten, besonders gut ausgefallenen Quartalszahlen hat der Interims-Apple-Chef Tim Cook einen guten Start erwischt. „Wir hatten ein phänomenales Weihnachtsquartal mit Rekordverkäufen für Mac, iPhone und iPad“, sagte Steve Jobs. Es war aber nicht nur das klassische Weihnachtsgeschäft mit Verbrauchern, von dem Apple profitiert hat. Ein genauerer Blick auf die vorgelegten Zahlen bestätigt auch, dass sich Apple-Produkte in Firmen ausbreiten.
Apples Weg in die Unternehmen führt überwiegend immer noch über den einzeln Mitarbeiter. Das Schlagwort dafür ist Consumerization. Es beschreibt den Umstand, dass Angestellte einerseits für die Arbeit immer häufiger ihre eigenen IT-Geräte nutzen wollen, sie andererseits aber von den im Unternehmen zur Verfügung gestellten Geräten und Anwendungen erwarten, dass diese sich ähnlich wie privat genutzte verwenden lassen.
Laut Apple-CFO Peter Oppenheimer werden iPhone und iPad derzeit von vielen Firmen auf die Shortlist der Einkäufer gesetzt und zu den zur Anschaffung genehmigten Produkte hinzugefügt. Ähnlich äußerte sich auch CEO Tim Cook: „Ich glaube, dass die Consumerization der Firmen einer der kommenden Megatrends ist. Ich denke, die zukunftsorientiertesten CIOs kommen zu dem Schluß, dass Produktivität und Kreativität des Einzelnen erheblich wichtiger sind, als dass jeder dieselben Dinge benutzt.“ Die Möglichkeit, Apps mit dem zur Verfügung gestellten SDK einfach und überschaubar zu schreiben, biete die Möglichkeit „das gesamte Unternehmen von einem iPad oder iPhone aus zu steuern.“
Namhafte Apple-Kunden hinzugekommen
Laut Cook haben das auch die Firmen erkannt: „Das iPad wird seit April ausgeliefert und bereits bei 80 Prozent der größten Firmen eingesetzt oder in Pilotprojekten erprobt. Das ist noch nie dagewesen – zumindest nicht in den Jahren, in denen ich Erfahrungen im Geschäft mit Firmen habe.“ Die aktuelle Entwicklung sieht Cook daher nur als die Spitze des Eisbergs.
Ausdrücklich nannte Cook einige Fortune-500-Firmen, die auf Apple-Produkte setzen. Dazu zählen Wells Fargo, Archers Daniel Midlands, DuPont, Staples, Starbucks und Genworth Financial für das iPad, sowie Nissan Motor, BBVA, Standard Chartered Group und Dannon für das iPhone. Insgesamt würden bereits 80 Prozent der Fortune-100-Unternehmen das iPad einsetzen oder erproben. Oppenheimer nannte JPMorgan Chase, Cardinal Health, Wells Fargo, Archer Daniels Midland, Sears Holding und DuPont als Konzerne, die kürzlich iPad-Testeinsätze gestartet haben.
Diese Zahlen und Namen erklären zum Teil auch, warum die Anbieter von Standardsoftware so versessen darauf sind, ihre Anwendungen für die Apple-Geräte tauglich zu machen und bei der iPad-Nutzung eine Vorreiterrolle einzunehmen: Es sind weniger neue Einsatzmöglichkeiten, sondern einfach der erwartete Druck der Kunden, die mit ihren ins Unternehmen eingeschleppten i-Geräten dann auch irgendetwas sinnvolles anfangen müssen, um deren Anschaffung zu rechtfertigen.
Ist Apple zu optimistisch?
Man muss die Euphorie der Apple-Verantwortlichen aber etwas bremsen. Zugegeben: Es ist wirklich phänomenal, auf welches Interesse vor allem das iPad als sehr junges Produkt bei den sonst neuen Technologien eher zögerlich gegenüberstehenden Einkäufern stößt. Aber: Ein Pilotprojekt anzustoßen heißt noch nicht, den firmenweiten Einsatz konkret vorzubereiten. Es ist erst einmal ein Versuch. Zu Recht weisen Experten darauf hin, dass Firmen gut daran täten, lieber eine umfassende Mobilstrategie statt lediglich einer iPad-Strategie auszuarbeiten.
Der Einwand ist berechtigt: Denn aus Sicht eines potenziellen Anwenderunternehmens macht Apple es Firmenkunden nicht besonders leicht. Das fängt schon mit der Produktpolitik an. Damit, dass das neueste Betriebssystem immer nur mit der neuesten Hardware läuft, können sich viele Unternehmen nur schwer anfreunden.
Diesen Punkt sprach Ende vergangenen Jahres auch Christian Wolf von der BHI Systemberatung auf der i-Meeting-10-Konferenz in München in seinem Vortrag an. Firmen, die bisher von ihrem PC-Lieferanten hunderte oder sogar tausende Systeme über einen gewissen Zeitraum in identischer Konfiguration erhalten haben, kämen in Bezug auf ihr Change Management bei Apple in Teufels Küche. Für Apple werde sich die im Consumer-Umfeld bewährte Produktstrategie im Firmenumfeld noch als Problem erweisen. Dieser Einwand lässt sich mit dem lapidaren Satz des Apple-CEOs „Produktivität und Kreativität des Einzelnen sind erheblich wichtiger, als dass jeder dieselben Dinge benutzt“, nicht aus der Welt schaffen.
Auch die im Consumer-Markt bislang sehr erfolgreiche Geheimniskrämerei und Mystifizierung kommender Produkte ist für Unternehmen ein Manko. Wenn sich die erste Apple-Aufregung gelegt hat, und die Angst etwas wichtiges zu verpassen verflogen ist, werden Firmen wieder Investitionssicherheit und eine verlässliche Produktroadmap verlangen. Ein weiterer Stolperstein könnte die je nach Standpunkt
als anspruchsvoll oder als arrogant bezeichnete Haltung von Apple gegenüber Zusatzprodukten werden.
Unter der Hand lassen viele Firmen, die jetzt auf der iPad-Welle mitschwimmen und irgendwelche Ergänzungsprodukte anbieten, durchblicken, dass ihre Beziehung zu Apple alles andere als harmonisch ist. Das liegt unter anderem daran, dass der Konzern einen Teil ihrer Anfragen und Vorschläge einfach damit abweist, dass er behauptet, ein Anbieter von Consumer-Produkten zu sein. Dass ist natürlich ein Totschlagargument für alle möglichen Wünsche – von enterprisetauglichen Support- und Servicestrukturen bis zu Wünschen nach mehr Kontrolle für den Anwenders (oder den für ihn zuständigen Administrator) über die Geräte.
Fazit
Wenn Apple in Firmen wirklich und langfristig erfolgreich sein will, dann muss es die Rolle und die damit einhergehende Verantwortung als Enterprise-Lieferant auch akzeptieren. Consumerization ist zwar ein Trend, aber Trends kommen und gehen. Die Möglichkeit besteht durchaus, dass Microsoft und die Android-Fraktion dann, wenn die erste, heiße Liebe der Firmen zu Apple abkühlt, endlich praxistaugliche Geräte samt den von Firmen gewohnten und benötigten Diensten und Funktionen liefern können. Und dann könnte die derzeitige Apple-Manie schnell nur noch eine Fußnote der IT-Geschichte sein – in der Erinnerung der Menschen eine spannende und aufregende, aber eben vergangene Zeit.
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