Als Google gestern seine – sehr gute ausgefallenen – Zahlen für das vierte Quartal 2010 vorgelegt hat, gab der Konzern auch einen Führungswechsel bekannt: Firmengründer Larry Page übernimmt von Eric Schmidt den Posten des CEO. Die Nachricht kam für alle Beobachter überraschend.
Page ist ab 4. April für das Tagesgeschäft verantwortlich. Schmidt wird sich dann als Executive Chairman um Verträge, Partnerschaften, Kunden und Geschäftsbeziehungen sowie Kontakte zu Regierungen kümmern. Außerdem steht Schmidt Larry Page und Sergey Brin weiterhin als Berater zur Seite. Brin wird sich in dem neu geordneten Führungstrio auf strategische Projekte und neue Produkte konzentrieren.
Was ändert sich bei Google durch diesen Umbau an der Spitze? Schmidt erklärte selbstironisch via Twitter, die „tägliche Aufsicht durch einen Erwachsenen“ sei nicht mehr nötig. Etwas ernster und ausführlicher erklärt Schmidt den Schritt in seinem Firmenblog. In den vergangenen habe man wichtige Entscheidungen gleichberechtigt zu dritt getrofffen. Das sei wegen der von jedem eingebrachten Gedanken und Anregungen auch gut und richtig gewesen. Aber das Geschäft sei komplexer und vielfältiger geworden. Man werde zwar auch künftig noch zu dritt beraten, habe es aber für notwendig gehalten, die Rolle jedes einzelnen des Triumvirats in der Firma klarer zu definieren.
Wie sieht Schmidts Aufgabe künftig aus? Den Finanzanalysten sagte er gestern, er werde sich künftig um die Dinge kümmern können, die ihn am meisten interessieren. Das ist schön für Schmidt, hilft aber zum Verständnis seiner Aufgabe nicht wirklich weiter. Tatsächlich wird Schmidt wohl eine vergleichbare Rolle einnehmen wie der Bundespräsident in Deutschland: Viele Reden halten, viele wichtige Menschen bei wichtigen Veranstaltungen treffen und viel repräsentieren. In gewissem Maße hat Schmidt das bereits in den vergangenen Monaten getan – manchmal mit merkwürdigen Ergebnissen.
Man kann den Umbau im Führungstrio als Zeichen dafür sehen, dass Schmidt auf das Abstellgleis geschoben wird. Zahlreiche gemeinsame Fotos der drei Google-Chefs legen diese Interpretation nahe: Oft steht Schmidt etwas unbeholfen und ratlos neben den beiden Wunderkindern. Man kann den Umbau aber auch als Zeichen sehen, dass Google allmählich versteht, dass sich die Wahrnehmung des Unternehmens in der Welt gewandelt hat.
Wie auch die aktuellen Zahlen zeigen, ist das Google-Geschäftsmodell nach wie vor ausgesprochen erfolgreich. Allerdings hat Google trotzdem einige Probleme. Die Welt sieht das Unternehmen inzwischen nicht mehr als improvisierendes, buntes und herzerfrischend unverdorbenes Such-Start-Up aus dem Silicon Valley. Nein, Google ist ein börsennotierter Konzern mit Gewinnerzielungsabsicht und wird auch als solcher gesehen – mit allen Vor- und Nachteilen, die dieser Status mit sich bringt.
Das lediglich national Aufmerksamkeit erfahrende Gezeter von Ministerinnen und Datenschützern oder selbst Untersuchungen europäsicher Institutionen stört die Managementriege im Googleplex wahrscheinlich kaum – auch wenn sie sich Mühe gibt, so zu tun, als würden sie selbst die Bedenken des geringsten Bedenkenträgers ernst nehmen. Mehr Sorgen macht Google dagegen sicher der rauhere Wind, der dem Unternehmen in Washington ins Gesicht weht. Dort nimmt man das Unternehmen in letzter Zeit genauer unter die Lupe. Das hat dazu geführt, dass einige wichtige Projekte ins Stocken geraten sind oder auf Eis gelegt wurden. Beispiele sind das Google Book Settlement oder die geplante Übernahme von ITA Software, einem Suchanbieter für Flugtickets.
„Ein Großteil der Probleme die wir haben ist darauf zurückzuführen, dass die Leute nicht wirklich verstehen, was wir tun“, sagt Schmidt. Das liege auch daran, dass man es ihnen in der Vergangenheit zu wenig erklärt habe – wodurch Wettbewerber und Kritiker die Deutungshoheit an sich gerissen hätten.
Aber nicht nur politischen Widerstand hat Google zu überwinden. Auch bei Projekten wie Google TV geht es nicht recht voran. In dem Fall liegt das daran, dass sich die US-Sender und Medienkonzerne wie Fox und Viacom dagegen sperren.
Die Liste der – inzwischen fast weltweiten – Google-Probleme, die auf die Intransparenz des Konzerns zurückzuführen sind, ließe sich fortsetzen. Es macht also durchaus Sinn, an prominenter Stelle im Management einen „Google-Erklärer“ zu installieren. Spannend wird allerdings, ob Schmidt in dieser Position die schon öfters bewiesene Neigung überwinden kann, von Zeit zu Zeit gezielt mit beiden Füßen tief ins Fettnäpfchen zu springen.
So erntete der Google-Manager etwa heftig Kritik für seine Aufforderung, die Menschen sollten einfach aufpassen, was sie im Internt tun und notfalls mit der Volljährigkeit den Namen ändern, um den Folgen früherer Online-Sünden zu entgegehen. Auch die Idee, dass Nutzer die Kontrolle ihres Lebens Computern überlassen sollten sowie die Erkenntnis, dass sie hinter dem Mond wohnen, ließ die Menschen aufhorchen. Zwar schien Schmidt das manchmal als Spaß zu meinen – es kam aber bei den meisten Zuhörern nicht so an. Als Google-Erklärer muss Schmidt künftig besser aufpassen, worüber er Witze macht – vor allem in einer Zeit, in der die Leute beim Thema Google immer seltener Spaß verstehen.
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