Warten auf den EuGH: zum Stand der Dinge bei Gebrauchtsoftware

„Auch wenn die Vorlage der Entscheidung an den EuGH aus Sicht der Rechtsgelehrten sicherlich konform ist, ist diese abermalige Vertagung, Verschleppung und Zauderei der unangenehmste anzunehmende Fall“, sagt Axel Oppermann von der Experton Group. Für das Tagesgeschäft habe die Vorlage an den EuGH aber keine Auswirkung. Der Handel werde sich weiterhin im definierten und/oder etablierten Rahmen abspielen: „Anwender können die logischen Möglichkeiten weiterhin nicht umfänglich ausnutzen“, so Oppermann.

Der Analyst rechnet damit, dass die Anbieter kommerziell ähnlich erfolgreich wie in den vergangenen Jahren sind. „Allerdings wird der Markt keine Nische mehr sein, die überdurchschnittliches Wachstum bei komfortablen Margen bietet.“ Er warnt davor, dass Anwender und Händler gebrauchter Software, abermals wie das Kaninchen auf die Schlange – diesmal den EUGH – starren, und sich nicht bewegen. „Die Wirklichkeit – also der Markt – muss schneller werden, als die juristische Diskussion. Hierzu müssen sich alle Beteiligten – auch die Anwender- einer zielführenden Aussprache stellen. Ziel muss es sein, einen marktkonformen Konsens zu finden. Ein Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass Aktionen mit Debattierclub-Charakter keinen Nutzen stiften.“

Ähnlich äußert sich auch Harry Voortmann, Vorstand der Re-License AG. „In der Praxis ist die anstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofes für die Majorität des Marktes unerheblich. Für einen wesentlichen Teil des europäischen B2B-Marktes ist das so genannte OEM-Urteil des BGH von 2000 maßgebend. „Mit dieser höchstrichterlichen Entscheidung können unter anderem OEM-Lizenzen ohne Zustimmung des Softwareherstellers an Dritte übertragen werden. Des Weiteren ist für viele OEM-Lizenzen die Zustimmung zur Übertragung durch die Lizenzverträge gegeben. Sowohl auf Basis des BGH-Urteils, als auch der Lizenzbedingungen, können diese Lizenzen rechtsicher übertragen werden.“

Auch wenn es immer wieder Störfeuer der Hersteller gibt – normal seien unbeanstandete Übertragungen. „Es besteht auch kein Grund, die höchstrichterlich noch nicht entschiedenen offenen Fragen bei der Übertragung – zum Beispiel von Microsoft-Volumenlizenzen – auf Basis des Erschöpfungsgrundsatzes zu diskutieren beziehunsgweise in Kauf zu nehmen. Diese Lizenzen werden seit Jahren – per Mitteilung an Microsoft Irland oder USA – weltweit legal und lizenzvertragskonform an nicht verbundene Unternehmen übertragen.“ Für sinnvoll hält Voortmann daher Diskussionen, wie zum Beispiel die legitimen und legalen Interessen von Unternehmen durchgesetzt werden, wenn diese die Vorteile von gebrauchter Software bereits nutzen oder in Zukunft nutzen wollen.

Damit dürfte er vielen deutschen Firmen aus der Seele sprechen. Ein aktuelle Umfrage von Vanson Bourne im Auftrag der Preo Software AG zeigt ein etwas anderes Bild, als es die Hersteller zeichnen. Im Vergleich zu 2008 hat der Wunsch der Unternehmen, IT-Budgets durch gebrauchte Software zu entlasten, um mehr als 50 Prozent zugenommen. 2008 bekundeten 49 Prozent der Befragten daran Interesse, 2011 waren es 76 Prozent. „Die überwiegende Mehrheit – knapp 70 Prozent – der befragten Unternehmen ist für den freien Handel von gebrauchter Software und hoffte auf ein entsprechendes Urteil“, so Boris Vöge, Vorstand der Preo Software AG. Der BGH habe die Möglichkeit, den Wertschöpfungszyklus von Software für die Anwender zu verlängern, was eine wesentliche Dynamik in den Softwaremarkt bringen würde.

Themenseiten: Analysen & Kommentare, Compliance, Gerichtsurteil, IT-Business, Microsoft, Mittelstand, Oracle, Preo, Software, Susensoftware, Usedsoft

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

Noch keine Kommentare zu Warten auf den EuGH: zum Stand der Dinge bei Gebrauchtsoftware

Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *