Angetestet: Android-Tablet HTC Flyer mit Stifteingabe

Noch viel interessanter ist hingegen der „magische Stift“, den HTC dem Flyer beilegt. Er ist ebenfalls aus eloxiertem Aluminium gefertigt und hier schwarz, zur Markteinführung wird er aber wohl im gleichen Silber-Look gestaltet sein wie das Tablet selbst. Er hat ein angenehmes Gewicht, das primär durch die AAA-Batterie im Inneren bedingt wird. Vorne hat er eine Mine aus Kunststoff, die stark an die alten Stylus-Konstruktionen früherer Windows-Mobile-Handys mit resistivem Touchscreen erinnert. Aber keine Angst, der Touchscreen des Tablets arbeitet natürlich kapazitiv – reagiert also auf Berührungen und Multi-Touch-Gesten.

Ist eine Anwendung mit Stift-Unterstützung aktiv, wird das entsprechende Icon unterhalb der Anzeige grün. Wer hier jetzt den Stift aufsetzt, klappt verschiedene Optionen auf - hier beispielsweise lässt sich die Farbe der virtuellen Miene ändern (Foto: CBS Interactive).
Ist eine Anwendung mit Stift-Unterstützung aktiv, wird das entsprechende Icon unterhalb der Anzeige grün. Wer hier jetzt den Stift aufsetzt, klappt verschiedene Optionen auf – hier beispielsweise lässt sich die Farbe der virtuellen Miene ändern (Foto: CBS Interactive).

Hinter der Spitze der Kunststoff-Mine sitzt ein kleiner Taster, der beim Aufdrücken des Stifts auf den Touchscreen aktiviert wird. Außerdem hat der Schreiber noch zwei weitere Knöpfe vorzuweisen: Wer den unteren gedrückt hält, nutzt den Stylus als Textmarker. Und beim Druck auf die obere Taste wird aus dem Stift ein Radiergummi.

Für Nutzereingaben eignet sich der Stift nicht. Man kann mit ihm also weder die Tasten der virtuellen Tastatur betätigen noch ihn im Browser unten aufsetzen und nach oben schieben, um zu scrollen. Man kann keine Einstellungen festlegen und keine Apps starten. Klingt komisch, ist aber eigentlich ganz gut – denn das ist den Fingern vorbehalten. Wer den Stift an einer beliebigen Stelle auf das Display aufsetzt, sieht sofort, wie sich eine Applikation namens Kritzeln öffnet.

Sie fertigt einen Screenshot vom aktuellen Display-Inhalt an und ermöglicht es sofort, Kommentare, Zeichnungen, Diagramme et cetera frei Hand einzuzeichnen. Das klappt einfach bei allem – also bei Spielen, dem Webbrowser, dem Einstellungs-Dialog oder dem Homescreen. Und es ist beispielsweise dann praktisch, wenn man etwas kommentieren und weiterleiten möchte. Denn nachdem man mit dem Kommentieren oder Zeichnen fertig ist, tippt man mit dem Finger auf das Display – und es öffnet sich ein Dialog, der beispielsweise das Speichern als Bilddatei, das Verwerfen oder das Versenden ermöglicht. Je nach installierten Apps lädt das Tablet die kreativen Ergüsse auf Wunsch in die Dropbox oder zu Facebook hoch, versendet es per E-Mail oder Bluetooth oder packt es zu Bilderdiensten wie Flickr und Picasa.

Alternativ kann man auch in ein virtuelles Notizbuch zeichen und schreiben und das auf Wunsch mit Audio-Kommentaren hinterlegen. Ein schönes Beispiel wären etwa Vorlesungen in der Uni – während man ein paar Notizen anfertigt, kann man die Stimme des Dozenten aufnehmen. Der Wehrmutstropfen dabei ist nur, dass jede Seite maximal fünf Minuten Ton aufzeichnet und ein übergangsloser Wechsel zu einer neuen Seite zumindest bei unserem Prototypen nicht möglich ist.

Außerdem ist ein Evernote-Client integriert. Dabei handelt es sich um die App eines Anbieters, der Notizen, Merkzettel und dergleichen zwischen verschiedenen Computern, Smartphones und Tablets synchronisiert – und in der Cloud beispielsweise auch eine Handschriftenerkennung mitbringt. Wer also seine Einkaufszettel mit dem Stift auf das Flyer-Display schreibt, kann ihn einige Zeit später auch in Textform auf seinem Smartphone abrufen oder die Inhalte aller Aufzeichnungen einfach nach Schlagworten durchsuchen. Diese Funktion ließ sich bis zur Veröffentlichung dieses Artikels allerdings noch nicht völlig testen, da die Server des Anbieters handschriftlich verfasste Texte erst Stück für Stück abarbeiten. Wer sich für einen kostenpflichtigen Pro-Account entscheidet, kann diese Wartezeit aber laut Evernote-Webseite verkürzen.

Beim Zeichnen, Malen und Schreiben lässt sich die Art des Stifts ebenso wie seine Farbe und Dicke wählen. Man tippt dafür einfach mit dem Stylus auf das grün leuchtende Symbol rechts unterhalb des Displays, woraufhin sich ein kleines Menü ausklappt. Per Tipp mit der Mine wechselt der Nutzer hier zwischen Pinsel, Buntstift, Kuli, Füller et cetera sowie durch verschiedene Farben. In der Praxis funktioniert das nach kurzer Eingewöhnung hervorragend. Allerdings muss man sich etwas daran gewöhnen, dass der Stift aufgrund der Taste hinter der Mine trotz des ansonsten so empfindlichen Touchscreens tatsächlich gedrückt werden will. Das hinterlässt vor allem beim Schreiben auch eine ebenfalls gewöhnungsbedürftige Geräuschkulisse, aber vielleicht ändert sich an dieser Konstruktion bis zum offiziellen Verkaufsstart noch etwas.

Der Grund für die aktive Stift-Technologie ist übrigens nicht zu vernachlässigen. Denn bei „herkömmlichen“ Stifteingaben mit Standard-Kunststoff-Spitzen auf resistiven Touchscreens sowie häufig mit Spezialstiften auf kapazitiven Touchscreens gibt es einen gravierenden Nachteil: Der Nutzer darf den berührungsempfindlichen Bildschirm an keiner anderen Stelle berühren. Denn die Technik kann in diesem Fall nicht zwischen Stift und Finger unterscheiden. Das Flyer kann das, und deswegen kann man das Tablet beim Zeichnen problemlos mit einer Hand greifen, beim Schreiben den Handballen auf dem Display ablegen oder mit dem Finger Menüpunkte aktivieren, die beim Aufsetzen mit dem Stift überschrieben werden würden.

Außerdem muss man ganz klar sagen: Noch nie hat die Eingabe per Stift auf einem Touchscreen so überzeugt wie beim Flyer. Selbst handschriftliche Notizen mit minimaler Minendicke erscheinen flüssig und fehlerfrei auf der Anzeige, nichts ruckelt, es gibt keine komischen Ecken statt der eigentlich gezeichneten Rundungen – und so weiter.

Eine ausführliche Erklärung der verschiedenen Möglichkeiten, die die Stift-Eingabe des Flyers zu bieten hat, zeigt die Bildergalerie.

Software

Dass HTC einen Sonderweg geht und sein Tablet Flyer mit Android 2.3, also der Smartphone-Version namens Gingerbread, ausstattet, hat wohl mehrere Gründe. Zum einen soll die neue Tablet-Version noch nicht ausgereift genug sein, um im Mai den Verkauf zu starten – das rufen zumindest die Spatzen von den Dächern. Ob das stimmt oder nicht, lässt sich bald feststellen, denn sukzessive kommen die Konkurrenten mit Android 3.0 in den Handel. Und zum anderen gibt es beim Tablet-Android eine neue Oberfläche, die bei allen der Touch-Computer zum Einsatz kommt. Da ist aber nichts für ausgerechnet den Hersteller von Android-Smartphones, der extrem viel Aufwand und Geld in ein eigenes User-Interface gesteckt hat. Und tatsächlich gehört HTC Sense zu den besten Oberflächen, die es aktuell bei Smartphones zu haben gibt.

Die Entwickler haben noch einmal Hand angelegt und die Oberfläche zumindest etwas an die Gegebenheiten eines Tablets angepasst. Primär unterscheiden sich Home- und Lockscreen von der Smartphone-Variante. Ansonsten ist das Interface dem des HTC Desire S extrem ähnlich.

Viele der Tuning-Maßnahmen der Oberfläche sind schon von den Smartphones bekannt, darunter etwa die große Auswahl an Widgets oder Integration von Social Networks wie Facebook und Twitter. Neu ist, dass der Launcher nun nicht mehr frei, sondern seitenweise scrollt: Beim Wischen durch die Apps rutscht man also immer eine komplette Seite, und damit 24 Icons, nach unten. Das ist gewöhnungsbedürftig, aber immerhin lassen sich jetzt häufig benutzte Anwendungen gruppieren – wer das macht, muss sich zwar zunächst daran gewöhnen, arbeitet dann aber noch ein Stück flotter mit dem Gerät. Wer einen genauen Blick auf das User-Interface des Flyers werfen will, findet die Details zur Hard- und Software in der Bildergalerie.

Viel interessanter ist an dieser Stelle ohnehin die Tatsache, ob alle Android-Apps laufen. Die Antwort nach dem Prototypen-Test: Ja. Alles läuft, weniges läuft mit Einschränkungen. Browser, Angry Birds, Townsmen 6, Google Maps und so weiter werden vollkommen korrekt dargestellt. Nicht alle profitieren von der im Vergleich zum Smartphone-Display größeren Bilddiagonalen – so gibt es gerade bei Listen häufig Freiraum, der in der Praxis aber nicht stört. Damit verhält sich das Flyer in diesem Punkt wie das Galaxy Tab von Samsung.

Nur wenige Apps, darunter primär Spiele, haben überhaupt Probleme. Die Freeware Scooter Hero beispielsweise hat mit Grafikproblemen zu kämpfen. Das sieht nicht hübsch aus, wäre aber im Notfall dennoch benutzbar. Auch dazu finden sich in der Bildergalerie viele Beispiele.

Neu beim Flyer werden zusätzliche Services von HTC sein, darunter eine Video-on-Demand-Bibliothek, die Zugriff auf Spielfilme ermöglichen soll, und den Cloud-Gaming-Dienst On-Live. Bei letzterem laufen aktuelle High-End-Games auf den Servern des Anbieters, während die Darstellung des Spiels ressourcenschonend auf dem Tablet erfolgt. Beide Neuerungen haben auf dem Prototypen aber noch gefehlt.

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