AX ist Microsofts Lösung für den gehobenen Mittelstand. Aus der Historie heraus kommen viele Anwenderunternehmen aus der Fertigung. Von den drei zugekauften Standard-Software-Lösungen – AX, NAV und GP – war AX immer am engsten an Microsofts .NET-Architektur angelehnt. Aus Redmonder Sicht hatte es nur eine hässlichen Schönheitsfehler: Es stützte sich in erster Linie auf eine Oracle-Datenbank.
Mit Version 2012 hat Microsoft dieses Problem beseitigt. Nun versucht man die Lösung auf zwei Wegen an den Mann zu bringen. Einerseits positioniert man sich als Tier-2-Anbieter in SAP- und Oracle-Umgebungen. Zielbranchen sind vor allem die Fertigung, aber auch im Großhandel, bei der öffentlichen Hand, im Einzelhandel und bei Dienstleistern sieht Microsoft gute Chancen. Die dürften in Zukunft noch größer werden, scheint doch Epicor, dass diese Nische in den vergangenen Jahren recht erfolgreich besetzt hat, nach der Übernahme durch den Finanzinvestor Apax nach höherem zu streben und sich nicht mehr mit der Rolle im zweiten Glied zufrieden geben zu wollen.
Eine zweite Säule sind die Bemühungen Dynamics ERP via Windows Azure in die Cloud zu bringen – ohne dabei dei On-Premise-Versionen aufzugeben. CEO Steve Ballmer hat angekündigt dass „künftige Releases für die Cloud konzipiert sein werden und auf Microsofts Windows Azure Plattform laufen.“
Dafür ist es auch höchste Zeit. Schließlich zielen die SaaS-Bemühungen der Wettbewerber alle auf den Markt, in dem Microsoft traditionell stark ist: den Mittelstand. Zu den neuen Konkurrenten zählen die On-Demand-Lösungen von SAP – also Business ByDesign – ebenso wie Oracle CRM on Demand und die Oracle E-Business-Suite On-Demand. Zudem drängen von unten ganz neue, oft nur lokale oder regionale Anbieter in den Markt. In Deutschland zählt dazu etwa Scopevisio oder Abacus und auch Sage ist nach langem Zögern auf den Cloud-Zug aufgesprungen.
Bewährter Microsoft-Ansatz: breite Integration
Microsoft hofft, mit den 2012er Version der Dynamics-Produkte, mit Sharepoint und Office 365, die richtigen Karten in der Hand zu haben, um nicht nur die 30 Prozent der Mitarbeiter, die eine ERP-Lösung durchschnittlich erreicht, sondern zwischen 70 und 90 Prozent anzusprechen. Das ist ein ziemlich großer Sprung. Ein Blick auf den etablierten Wettbewerb zeigt aber, dass er gar nicht so unwahrscheinlich ist – und dass sich die ERP-Landschaft in nächster Zeit grundlegend wandeln könnte.
SAP CO-CEO Jim Hageman Snabe hat gegenüber ZDNet-Autor Dennis Howlett kürzlich dargelegt, dass Nischenanbieter künftig eher Business ByDesign als Kern ihrer eigenen Angebote nutzen könnten, als ihren veralteten Code weiterzuentwickeln. Das klingt zunächst wenig wahrscheinlich. Jetzt äußert Microsoft ähnliche Gedanken – streckt seine Hände aber nach einem viel größeren Stück des Kuchens aus. Da lohnt es sich schon darüber nachzudenken, wie Vermarktungs- und Überlebensstratgien von ISVs in der Zukunft aussehen könnten.
Vielfältige Partnerlandschaft
Als ein Beispiel führt Microsoft Lexis Nexis an, einen großen europäischen Anbieter von Spezialsoftware für Anwälte. Microsoft bietet das Kern-ERP und Case Management (ein aus der AX-Lösung für Dienstleister herausgelöstes Modul) als Ausgangspunkt an. Dadurch kann sich Lexis Nexis auf seine eigentlichen Stärken konzentrieren und Microsoft die Entwicklung der Transaktions- und Managementbestandteile überlassen. Ein weiteres Beispiel – aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung – ist Tyler Technologies. Das texanische Unternehmen nutzt AX als Kern, um den herum es seine Lösungen baut. Und Aldata verfolgt eine ähnliche Startegie für seine Produkte zur Steuerung von Firmen im Einzel- und Großhandel.
Alle drei sind keine kleinen Marktteilnehmer: Zusammengenomen erwirtschaften sie jährlich einen Umsatz von 3,5 Milliarden Dollar. Selbst wenn man annimmt, dass sich Microsoft auch nur zwei Prozent davon als Lizenzgebühren sichern kann, sind das doch 70 Millionen leicht verdientes Geld. Dazu kommt die Aussicht, dass diese und andere Firmen sich Microsofts neu entdeckter Begeisterung für die Cloud anschließen und damit auch ihre Kunden anstecken – die dann wiederum die Durchdringung ihres Mitarbeiterstamms mit Technologienutzung erheblich ausbauen werden.
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