Das alles geschieht natürlich nicht über Nacht. Ray Wang hat auf der Convergence Stimmen zu den Upgrade-Plänen eingeholt. Seiner Schätzung nach planen 20 Prozent der Microsoft-Kunden in den nächsten 12 bis 18 Monaten ein Upgrade. Das ist aber natürlich nur eine selektive Momentaufnahme – die Bereitschaft kann je nach Branche oder Region stark schwanken.
Inwieweit solche eine Strategie funktioniert, hängt auch davon ab, wie man vertikale Märkte in Teilsegmente unterteilen kann. Unabhängig davon, welche Anbieter Microsoft für seine Pläne gewinnen will, ist die Tatsache, dass es bereits drei wichtige davon überzeugen konnte, ein starkes Argument. Und es ist das Eingeständnis, dass sich heutzutage die ERP-Entwicklung für manche einfach nicht mehr rechnet, sondern lieber Spezialisten überlassen wird, die über die notwendigen finanziellen Ressourcen und ein entsprechendes Entwicklerteam verfügen.
Gute Ausgangsposition als Lieferant für den Mittelstand
AX war im Trio NAV, GP und AX immer das Flaggschiff. Jetzt beginnt sich für Microsoft die Investition möglicherweise auszuzahlen. Indem das Angebot aufgefrischt wird, bringt sich der Konzern in eine gute Ausgangsposition als Lieferant für den Mittelstand. Dass Microsoft weiß, wie man in diesem Umfeld ein Ökosystem auch konkurrierender Partner managt, hat es in anderen Produktbereichen zur Genüge bewiesen.
Aus Sicht von Microsoft gilt es jetzt, das Engagement für den AX-Kern aufrecht zu erhalten und gleichzeitig die Verbindung und Integration mit Sharepoint und Office zu vertiefen. Dann ist es irgendwann nur noch ein kleiner Schritt, alle drei als Bundle anzubieten – sei es nun als Lizenz oder aus der Cloud oder in hybriden Varianten.
Echte Wettbewerbssituation mit SAP und Oracle
In den vergangenen Jahren hat Microsoft den Ball bei Standardsoftware vergleichsweise flach gehalten. Ist es mit der oben beschriebenen Strategie erfolgreich, entsteht jedoch eine echte Wettbewerbssituation mit SAP und Oracle. SAP hat offenbar schon ähnliche Pläne wie Microsoft, auch wenn sich die auf die Cloud-basierende Lösung Business ByDesign beschränken. Von Oracle kam bisher noch kein Vorstoß in diese Richtung.
Microsoft hat ein riesiges Partner-Ökosystem, dass es nach Möglichkeiten zum Ausbau dieses Geschäftsmodells durchforsten kann. SAP hat weniger, aber immerhin einige Partner – und vielleicht denken manche bereits darüber nach, auf Business ByDesign ein zweites Standbein aufzubauen. Oracle hat nicht annähernd etwas, das mit den Voraussetzungen der beiden Wettbewerber vergleichbar wäre – und manövriert sich mit seinem zwanghaften Bemühen, alles aus einer Hand anzubieten, noch weiter ins Abseits.
Ein weiterer Aspekt spricht ebenfalls für Microsoft: Zwar sorgen aufstrebende Cloud-Player derzeit in den Medien für viel Aufsehen – aber keiner davon erreicht auch nur annähernd die Vielfalt an Branchen, die Microsoft mit seinen unterschiedlichen Lösungen abdeckt. Microsoft muss nur ein Dutzend Anbieter mit halbwegs vernünftiger Größe von den Fähigkeiten von AX überzeugen.
Schafft Microsoft das, wird es eine Art „Phantom-Wettbewerber“ zu SAP, Oracle, Infor sowie dem aus Epicor und Activant neu geschmiedeten Unternehmen: Indem es den Weg über die Partnerschaften wählt, schafft es diesen Schritt, ohne einen einzigen Vertriebsmitarbeiter beschäftigen zu müssen. Gleichzeitig macht es sein ERP-Angebot deutlich glaubwürdiger und signalisiert der Welt ein beständiges Bemühen um die Weiterentwicklung des Bereichs. Ganz nebenbei bindet es zahllose Kunden eng an den von Microsoft gewählten Technologiepfad. Das ist – wenn es funktioniert – ein sehr cleveres Geschäftsmodell. Ob es funktioniert wird man zur nächsten Convergence möglicherwise schon absehen können.
Im ZDNet-Interview spricht Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware und Initiator des Seestern-IT-Forums, über Einsparpotenziale bei Standardsoftware durch alternative Beschaffungswege, Drittwartung für einzelne Module und wann der Verzicht auf Wartung möglich ist.
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