Heise gegen Musikindustrie: Bundesgerichtshof stärkt Pressefreiheit

Nach sechs Jahren andauernden Rechtsstreitigkeiten hat sich der Heise-Verlag gegen Vertreter der Musikindustrie durchgesetzt. Laut BGH darf ein journalistischer Beitrag durchaus Links auf möglicherweise urheberrechtswidrige Seiten enthalten: Wie eine Fußnote in einem Buch stelle die Verlinkung einen zusätzlichen Informationsgewinn dar.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Bild: BGH).
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (Bild: BGH).

Mehrere große Unternehmen der Musikindustrie, unter ihnen BMG, Edel, EMI, Sony, Universal Music und Warner hatten den Heise Zeitschriften Verlag im Jahr 2005 wegen eines Beitrags bei Heise Online abgemahnt. Der Verlag hatte darin auf die Webseite des ausländischen Anbieters Slysoft verlinkt, der die nach deutschen Urheberrecht rechtswidrige Software AnyDVD herausgab.

Die Kläger hielten diese Verlinkung für rechtswidrig und nahmen den Verlag auf Unterlassung in Anspruch. Sowohl im einstweiligen Verfügungsverfahren als auch im Hauptsacheverfahren waren die Kläger vor dem Landgericht München und dem Oberlandesgericht München mit ihrem Anliegen zum überwiegenden Teil erfolgreich.

Nach sechs Jahren der Rechtsstreitigkeiten kam der Fall schließlich vor den Bundesgerichtshof. Die BGH-Richter stuften die Verlinkung in dem Artikel als erlaubt ein, da sie von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt sei (Aktenzeichen I ZR 191/08).

Die Linksetzung im Bericht habe dem Informationsinteresse des Leser gedient und sei daher rechtlich nicht zu beanstanden, so die Richter in der Urteilsbegründung. Der Schutz der Pressefreiheit umfasse ebenso wie der Schutz der Meinungsfreiheit das Recht, den Gegenstand einer Berichterstattung frei zu wählen. Inhalt und Qualität der vermittelten Information oder Meinung seien für die Anwendung der Grundrechte ohne Belang. Es sei insbesondere nicht Aufgabe der Gerichte zu entscheiden, ob ein bestimmtes Thema überhaupt berichtenswert ist oder nicht.

Der Grundrechtsschutz umfasse die Meinungs- und Pressefreiheit in sämtlichen Aspekten. Er erstrecke sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Form der Meinungsäußerung oder Berichterstattung. Ähnlich wie einer Fußnote in einem Buch komme im vorliegenden Fall der Verlinkung ein zusätzlicher Informationsgewinn zu.

Der Verlag müsse sich auch nicht dergestalt einschränken lassen, dass er nur ohne direkte Verlinkung, also quasi nur mittelbar, berichte. Die Meinungs- und Pressefreiheit garantiert laut BGH auch die äußere Form der Berichterstattung. Der Verlag könne daher selbst entscheiden, in welcher Art und Weise er über Dinge berichte.

Die Verlinkung werde auch nicht dadurch illegal, indem sie auf urheberrechtswidrige Seiten verweise. Der Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit umfasst nach Ansicht der obersten Richter auch Informationen, die Dritte beleidigen, aus der Fassung bringen oder sonst stören könnten. Grundsätzlich dürfe daher auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persönlichkeitsrechte Dritter beeinträchtigt worden seien, trotz der in der Weiterverbreitung liegenden Perpetuierung oder sogar Vertiefung des Ersteingriffs berichtet werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse bestehe und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen mache. Auf den Fall Heise gegen Musikindustrie angewandt, rechtfertige also auch ein vorsätzlicher Eingriff in gewerbliche Schutzrechte nicht, die Verlinkung zu untersagen.

Das Urteil ist jedoch keineswegs als genereller Freibrief zur Verlinkung von urheberrechtswidrigen Inhalten zu sehen. Erst vor kurzem hatte der Bundesgerichtshof im Streit zwischen einem Jugendlichen un dem Rechteinhaber eines Musikstücks nämlich anders entschieden (Aktenzeichen I ZR 17/07). Der Jugendliche hatte auf seiner Homepage einen Link zu einer Website gesetzt, die urheberrechtswidrige Inhalte anbot. Als der Rechteinhaber dass entdeckte mahnte er ihn ab und verlangte die Zahlung der außergerichtlich entstandenen Kosten sowie 7000 Euro Schadenersatz.

Der Bundesgerichtshof gab dem Kläger Recht und wies den Antrag des Jugendlichen auf Prozesskostenhilfe aufgrund mangelnder Erfolgsaussicht ab. Er habe die Website selbst betrieben und verwaltet. Daher habe er für die durch die Verlinkung entstandene Urheberrechtsverletzung einzustehen. Also müsse er insgesamt 9000 Euro an den Kläger zahlen.

Die Kanzlei Dr. Bahr kommentiert für ZDNet aktuelle Urteile aus dem IT-Bereich. Sie ist auf den Bereich des Rechts der Neuen Medien und den Gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Unter www.Law-Podcasting.de betreibt sie einen eigenen wöchentlichen Podcast und unter www.Law-Vodcast.de einen monatlichen Video-Podcast. Außerdem stellt die Kanzlei aktuelle Informationen über eine eigene iPhone-App zur Verfügung.

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2 Kommentare zu Heise gegen Musikindustrie: Bundesgerichtshof stärkt Pressefreiheit

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  • Am 21. April 2011 um 8:24 von Löst die Münchener Gerichte auf

    Löst die Münchener Gerichte auf!
    Meiner Meinung nach sind die Münchener Gerichte seit Jahren in der Bevölkerung dafür bekannt, gesetzlich falsche Urteile zu fällen. Weil es keinen Kontrollmechanismus gibt, kommen sie damit immer wieder durch. Daher sollten alle Richter beim Amtsgericht, Landgericht und Oberlandesgericht fristlos entlassen und das Gerichtswesen dort komplett neu aufgebaut werden.

  • Am 20. April 2011 um 20:06 von FrankEMeyer

    Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.
    So sehr wie ich das Urteil des Bundesverfassungsgericht begrüße finde ich es doch befremdlich das es in einem ähnlichen Fall, dem eines Jugendlichen, anders entschieden wurde. Anscheinend gilt auch beim Bundesverfassungsgericht das Prinzip das nur die kleinen Fische hart ab gestraft werden und mit den großen legt man sich besser nicht an.

    Ich denke, der Sachverhalt liegt etwas anders: Bei den Kollegen von Heise Online stand der Link im Zusammenhang mit einer breiteren Aufarbeitung und wahrscheinlich wurde auch auf die aus juristischer Sicht bedenklichen Aspekte hingeweisen. Damit dürfte der Link nicht mehr den Charakter einer Empfehlung, sondern eines Belegs gehabt haben (Fußnote, wie die Richter sagen). Ohne den Fall des Jugendlichen im Detail zu kennen, nehme ich an, dass da der Link eher als Empfehlung und damit eine Art Anstiftung zu missbräuchlichem Verhalten eingestuft wurde.
    Peter Marwan
    ZDNet-Redaktion

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