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IPv6 kommt: Wie weit sind Provider in Deutschland?

Wie bei so vielen Sachen ist auch beim Schritt zu IPv6 die Frage, wer ihn zuerst gehen soll – und das seit fast zehn Jahren. Wegen der für sich selbst befürchteten Unannehmlichkeiten schoben lange Jahre viele Akteure diesen Schwarzen Peter jeweils auf die anderen ab. Gerade in Europa war jahrelang das Problem, das das Problem nicht groß genug war: Adressen standen zur Verfügung, die Nachfrage war gering, die möglicherweise erzielbaren Vorteile ungewiss.

Kein Wunder, dass die ständigen Quengeleien von Bitkom, IPv6-Rat und anderen Mahnern in Bezug auf die nächste IP-Generation vielfach abgetan wurden: Im Laufe der Jahre machte sich die Einstellung breit dass man dann, wenn es wirklich notwendig wird, sich damit zu beschäftigen, einem schon irgendwer Bescheid sagen wird – am besten mit Deadline und Checkliste, was genau zu tun ist.


Laut den Messungen von Arbor Networks bei sechs großen Carriern liegen die Spitzenwerte für IPv6-Traffic derzeit bei lediglich 0,25 Prozent des Gesamtvolumens (Grafik: Arbor Networks).

Das ist leider nicht so, denn es findet ja keine einmalige Umstellung von IPv4 auf IPv6 statt. „Endkunden mit IPv6 zu versorgen heißt auch, Ihnen weiterhin Zugang zum IPv4-Internet zu gewährleisten“, teilt DNS Net mit. „Gerade der Zugriff ins IPv4-Internet von IPv6 aus verursacht die größeren Kosten und den größten Aufwand.“ Klar, dass unter diesen Voraussetzungen die Provider sich nicht vorgedrängelt haben. Zwar machen einige große Anbieter ihr Webangebot auch per IPv6 erreichbar, aber das Interesse daran ist noch bescheiden.

Die von ZDNet für diesen Beitrag befragten Firmen wollten oder konnten keine Angaben zum Anteil des IPv6-Traffics in ihrem Netz machen. Spacenet-Vorstand von Bomhard wendet zudem ein, dass „nicht der Traffic der Punkt ist, sondern die Anzahl der Kunden, die sich mit IPv6 beschäftigen. Prozentual spielt das transportierte Datenvolumen keine Rolle. Jeder testet und macht sich fit, während der Betrieb heute noch IPv4 ist.“


Insgesamt nimmt der IPv6-Traffic zu, ist aber immer nur noch ein kleiner Bruchteil des Gesamtvolumens. Fast zwei Drittel des IPv6-Traffics stehen im Zusammenhang mit Peer-to-Peer-Applikationen (Grafik: Arbor Networks).

Das untermauern die kürzlich von Arbor Networks vorgelegten Zahlen. „Trotz 15 Jahren Entwicklungsarbeit am IPv6-Standard, Produktvorstellungen der Hersteller und Lobbyarbeit, hat nur ein kleiner Bruchteil des Internets IPv6 angenommen“, sagte Craig Labovitz, Chief Scientist bei Arbor Network, gegenüber ZDNet USA. Er führt die zögerliche Einführung von IPv6 gleichermaßen auf technische und konzeptionelle Hürden sowie den Mangel an ökonomischen Anreizen und IPv6-Inhalten zurück.


IPv4-basierender Internet-Traffic wird hauptsächlich durch Video verursacht: Dass 20 Prozent davon von Netflix stammen zeigt, dass die Untersuchung von Arbor Networks sehr US-lastig ist (Grafik: Arbor Networks).

Während des sechsmonatigen Untersuchungszeitraumes für die Studie legte der IPv4 Traffic zwischen Domains durchschnittlich zwischen 40 und 60 Prozent zu. IPv6-Traffic (sowohl native als auch getunnelt) nahm dagegen um 12 Prozent ab – obwohl der kleine Anteil an nativem IPv6-Traffic sich mehr als verdoppelte. Er trägt laut Arbor Networks nun 0,25 Prozent zum Gesamtvolumen, 61 Prozent davon sind Peer-to-Peer-Traffic, etwa via BitTorrent. „Die 250.000 Endpunkte der IPv6-Tunnel zeigen eine äußert ungleichmäßige Verteilung. Die Top-Fünf tragen über 90 Prozent allen getunnelten IPv6-Traffics bei. Zu ihnen gehören die Anycast-Addresse (192.88.99.1), die Angebote des Tunnel-Brokers Hurricane Electric und Microsofts Teredo (65.55.158.118).“

Fazit

IPv4 wurde 1980 eingeführt und basiert auf einer Adresse mit 32 Bit, wodurch maximal 4,3 Milliarden Kombinationen möglich sind. Der Nachfolgestandard IPv6 verwendet 128 Bit, sodass 340 Sextillionen Adressen vergeben werden können. Angesichts der ständig und rasch zunehmenden Zahl von Geräten mit eigener IP-Adresse ist der neue Standard unerlässlich. Provider profitieren von der Umstellung auf IPv6 durch einfachere Verwaltung und neue Möglichkeiten – allerdings bezahlen sie diese Vorteile mit dem Ärger, den sie voraussichtlich noch einige Jahre mit IPv4 haben werden: Die beiden Standards sind nicht zueinander kompatibel, eine Umstellung auf Knopfdruck – quasi „par ordre du mufti“ – unrealistisch.

Für die meisten Firmen ist die Umstellung auf IPv6 zunächst einmal eine lästige Pflichtübung. Allerdings lässt sich diese durchaus nutzen, um im Zuge der Migration andere Ziele zu erreichen – etwa eine modernere Netzwerktopologie. Mit den Überlegungen dazu sollte man spätestens jetzt anfangen – auch wenn man es, nachdem Verbände und Lobbyisten jahrelang versuchten „IPv6-Panik“ zu verbreiten, schon gar nicht mehr glauben mag, dass die Migration wichtig ist.

Am 8. Juni 2011 wird ein großer, weltweiter Feldtest zu IPv6 stattfinden. An diesem Tag sind viele große Websites auch über den neuen Standard abrufbar. Ihrem Beispiel sollten Firmen folgen, denn IPv6 birgt einige Tücken. Es muss ja nicht am 8. Juni sein – aber sicher noch dieses Jahr.

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ZDNet.de Redaktion

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