Obwohl Google+ noch in einer ganz frühen Phase steckt, gab es schon einige Diskussionen darüber, ob sich das Angebot für die Nutzung durch Firmen eignet oder nicht. Das liegt vielleicht am raschen Wachstum und der hohen Aufmerksamkeit in den Medien, vielleicht aber auch daran, dass sich Erwartungen an Aktivitäten in bisherige Soziale Netzwerke nur für wenige erfüllt haben. Es herrscht wohl das Gefühl vor, „es muss doch irgendwie gehen, andere tun es schließlich auch.“
Ein Beispiel für „die anderen“ ist Dell. Das Unternehmen ist bereits durch sein Engagement und die kommunizierten Erfolge bei Twitter vorgeprescht. Ende 2009 hatte der Anbieter nach zwei Jahren Aktivität bei Twitter einen Umsatz von 6,5 Millionen Dollar darüber erzielt. Die Einnahmen verteilen sich auf PCs, Zubehör und Software. Mehr als 100 Mitarbeiter traten über den Mikroblogging-Dienst über mehrere Nutzerkonten in Kontakt zu über 1,5 Millionen Followern.
Die Zahlen müssen aber im Zusammenhang gesehen werden: Angesichts eines Jahresumsatzes von 61,1 Milliarden Dollar im Jahr 2008 nimmt der Vertrieb über Twitter bei Dell trotzdem nur einen geringen Stellenwert ein. Er ist wohl eher Teil des Credos und des Images, Kunden „direkt“ anzusprechen – und dies eben auf allen erdenklichen und möglichen Wegen. Es erstaunt daher nicht, dass Michael Dell – natürlich per Twitter – auf Pläne hingewiesen hat, Google+, insbesondere die Videofunktionen des Dienstes „Hangouts“, für Kundenbetreung und Vertrieb zu nutzen.
Ein kleiner Testballon
Einige Beobachter befürchten, dass Google Google+-Angebote für Firmen zu schnell nachschiebt, andere wiederum bemängeln, dass es zu lange dauert, bis sie kommen. Welcher Fraktion man auch angehören mag, steht es generell außer Frage, dass Google+ sich rasant ausbreitet. Ebenfalls unzweifelhaft ist, dass Firmen Wege finden werden, es für ihre Zwecke zu nutzen – unabhängig davon, ob Google Werkzeuge und Möglichkeiten bereitstellt.
Ein kleiner Versuch zeigt, was heute schon möglich ist. Am Wochenende schlug ZDNet-Autor Dennis Howlett Loïc LeMeur, dem CEO von Seesmic, vor, dass er ausprobieren könnte, ob Mitglieder der Salesforce.com-Community daran interessiert sind, über Google+ zu frühen Releases der Seesmic-Software informiert zu werden. Dahinter stand die Idee, dass Seesmic bei ausreichendem Interesse auf diesem Weg eine Gruppe von Testern für Angebote in einer frühen Entwicklungsphase gewinnen könnte.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
LeMeur griff den Vorschlag auf. Er verschickte eine angemessen formulierte Mitteilung und hatte innerhalb von zwei Stunden 60 positive Antworten. Bemerkenswert daran ist unter anderem, dass die zwei Stunden die Zeit zwischen 22.30 und 0.30 Uhr waren. Aus diesem kleinen Versuch und seinem Ergebnis lassen sich gleich eine Vielzahl von Schlußfolgerungen ziehen.
- Menschen, die G+-Nachrichten um diese Zeit lesen, gehören wahrscheinlich zu denen, die am meisten am Erfolg der Plattform interessiert sind. Es sind heute noch die ganz frühen Teilnehmer, es könnte aber bald eine wahre Armee von Nutzern sein.
- Die „Rücklaufqoute“ beträgt bei den 20,000 G+-Kontakten von LeMeur 0,3 Prozent. Wahrscheinlich liegt sie sogar um einiges höher, wenn man später eintreffende Antworten noch dazuzählt. Unabhängig davon sind auch 0,3 Prozent kein schlechtes Ergebnis, wenn man es mit denen von Mailings oder anderen traditionellen Werbeformen vergleicht.
- Es ist sicher zulässig vorauszusetzen, dass es sich bei allen Antwortenden um Personen handelt, die Werbetreibende als „vorqualifiziert“ bezeichnen würden.
- Personen wie LeMeur können vom starken Multiplikationseffekt profitieren, den sie sich in den vergangenen Jahren durch die eifrige und umsichtige Nutzung von Blogs, Facebook, Twitter und anderen Werkzeugen für das Netzwerken erarbeitet haben. Sie profitieren aber nicht nur davon, sondern schaffen auch zusätzliche Wert für diese Arbeit, indem sie diese auf die allein schon durch ihren Neuigkeitswert attraktive Plattform Google+ übertragen.
- Aller Voraussicht nach wird Google auch bei Google+ sein auf Werbevermarktung ausgerichtetes Geschäftsmodell nicht ändern. Rührige Unternehmerpersönlichkeiten und gewitzte Entwickler werden dennoch Mittel und Wege finden, sich im Glanz von Google+ zu präsentieren. Bisher scheint es aber so zu sein, dass zumindest anfänglich eher der Einzelne als eine Marke profitieren kann.
- Einzelpersonen ziehen daher zunächst den meisten Nutzen aus Google+, weil sie strenggenommen nicht werben, sondern Personen, die ihre Verbindung zu ihnen bestätigt haben, zu einer Diskussion einladen, die deren Anforderungen entgegenkommt. Google kann dagegen eigentlich nichts unternehmen, da es sich nicht um Werbung im herkömmlichen Sinne oder in dem des Google-Geschäftsmodells handelt.
- Denkbar ist allerdings, dass Google für dieses Vorgehen ein angepastes Bezahlmodell entwickelt. Das wäre jedoch nicht sehr förderlich und würde wahrscheinlich auch auf viel Widerstand stoßen. Allein deshalb, weil die Abgrenzung schwerfallen dürfte. Höchstwahrscheinlich behalten also diejenigen, die Google+ so einsetzen können, also auch in der Zukunft einen kostenlosen Zugang zu ihrem Markt.
Fazit
Firmen und Marken denken schon jetzt darüber nach, wie sie aus Google+ für sich Vorteile ziehen können. Grundsätzlich ist es offenbar möglich. Das zeigen der Versuch von LeMuir und die Absichtserklärungen von Dell. Aber es ist eine Herkulesaufgabe: Entweder erschlägt man das Problem mit der Masse an Mitarbeitern (so wie Dell bei Twitter) oder durch extremes Engagement einiger weniger, hochqualifizierter und in der Branche sehr bekannter Kräfte.
Zuletzt hat diesen Weg Robert Scoble erfolgreich beschritten, als er bei Microsoft war. Und er geht ihn jetzt als Manager bei Rackspace wieder. LeMeur hat mit seinem kleinen Versuch bewiesen, das sich mit einer sehr interessierten und engagierten „Follower“-Gruppe auch bei Google+ inerhalb kurzer Zeit vorzeigbare Erfolge erzielen lassen.
Natürlich ist aber nicht jeder ein LeMeur oder ein Scoble. Es gibt jedoch sicher in jeder Branche und in jedem Markt genügend Menschen, die sich als deren Botschafter profilieren und als Mitgestalter der Zukunft der Branche auftreten können. Google+ bietet ihnen hervorragende Möglichkeiten – sofern sie einen langen Atem oder bereits entsprechende Vorarbeiten geleistet haben.
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