Trotz aller von Marktbeobachtern entworfenen Untergangsszenarien ist die E-Mail in deutschen Unternehmen nach wie vor die wichtigste Kommunikationsform. Dies gilt nicht nur intern, sondern vor allem auch im Kontakt mit Kunden und Lieferanten. Allerdings hat die E-Mail nach wie vor eine Zwitterfunktion: Zwar dient sie der geschäftlichen Kommunikation, ist aber eine personalisierte Form davon und unterliegt rechtlich in der Regel dem Telekommunikationsgesetz und dem Fernmeldegeheimnis. Das rechtliche Risiko ist für Arbeitgeber daher groß, wenn sie in Problemfällen Zugriff auf Mail-Konten ihrer Mitarbeiter benötigen. Denn ein Verstoß ist nicht nur eine Verletzung des Arbeitvertrages, sondern zugleich auch eine Straftat.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Auseinandersetzung zwischen einem Beschäftigten und seinem Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zu sehen. Der Mitarbeiter hatte sich für einen langen Zeitraum krankheitsbedingt abgemeldet, ohne eine elektronische Abwesenheitsnotiz einzurichten und ohne einen Stellvertreter zu benennen. Nach einiger Zeit versuchte die Firma Kontakt aufzunehmen, um die dienstlichen E-Mails zu prüfen. Als Grund führte sie an, dass zwischenzeitlich mehrere Kundenanfragen eingegangen seien, die bearbeitet werden müssten.
Als keine Reaktion erfolgte, bemühte sich die Firma mehrmals, ihren Mitarbeiter zu erreichen, was dieser im Laufe des Verfahrens bestritt. Nachdem der Betriebsrat und eine Sozialbetreuerin informiert wurden, ermöglichte die IT-Abteilung den Zugriff auf den E-Mail-Account. Die privaten und dienstlichen Mails wurden zunächst gesichtet. Allerdings wurden nur die dienstlichen Mails tatsächlich geöffnet, ausgedruckt und zur Bearbeitung weitergeleitet. Dies hielt der Mitarbeiter jedoch für unzulässig und klagte.
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg wies die Klage ab (Aktenzeichen 4 Sa 2132/10). Unter keinem ersichtlichen Aspekt stehe dem Kläger ein Unterlassungsanspruch zu. Das Unternehmen habe anhand ausgedruckter Mails nachweisen können, dass es mehrfach versuchte den Beschäftigten zu erreichen, bevor es auf den E-Mail-Account zugreifen wollte. Es habe also die privaten Interessen schützen und nicht ohne vorherige Absprache und Einwilligung den Posteingang öffnen wollen. Auch dass Betriebsrat und Sozialbetreuerin informiert wurden, lässt nach Ansicht des Gerichts darauf schließen, dass das Unternehmen bemüht gewesen ist, die Rechte des Mitarbeiters nicht zu verletzen.
Es sei aber im Rahmen einer Abwägung nachvollziehbar, dass die Firma zur Bearbeitung der alltäglichen Belange und Kundenanfragen auf die dienstlichen Mails zugreifen müsse. Es sei auch dargelegt worden, dass nur diese geöffnet und bearbeitet wurden. Dass dabei anhand der Betreffzeile auch private Mails gesichtet wurden, sei nicht rechtswidrig. Denn der Inhalt dieser Mails sei nicht eingesehen worden.
Die Frage, inwieweit Arbeitgeber die Mails ihrer Mitarbeiter lesen dürfen, ist immer noch sehr umstritten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat nun allen Arbeitgebern einen konstruktiven und vor allem praxisnahen Weg aufgezeigt, wie sie sich rechtskonform verhalten können, um an die dienstlichen Mails länger abwesender Mitarbeiter zu gelangen. Wie Firmen bei E-Mail-Accounts ausgeschiedener Mitarbeiter vorgehen sollten, erörtert die Kanzlei Dr. Bahr in einem Video mit dem Titel Was tun mit den E-Mail-Accounts ausgeschiedener Mitarbeiter?
Die Kanzlei Dr. Bahr kommentiert für ZDNet aktuelle Urteile aus dem IT-Bereich. Sie ist auf den Bereich des Rechts der Neuen Medien und den Gewerblichen Rechtsschutz (Marken-, Urheber- und Wettbewerbsrecht) spezialisiert. Unter www.Law-Podcasting.de betreibt sie einen eigenen wöchentlichen Podcast und unter www.Law-Vodcast.de einen monatlichen Video-Podcast. Außerdem stellt die Kanzlei aktuelle Informationen über eine eigene iPhone-App zur Verfügung.
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