Die Idee hinter Unified Communications begeistert nicht nur Firmenchefs: Man führt alle im Unternehmen genutzten Kommunikationsdienste zusammen und integriert sogenannte Präsenzfunktionen. Das ist heute technisch machbar und soll dazu führen, dass sich die Erreichbarkeit im Betrieb wesentlich verbessert und Arbeitsaufgaben und -prozesse schneller erledigt werden.
In der Praxis sollte es nach Einführung einer Unified-Communications-Lösung keinesfalls mehr vorkommen, dass eine Kundenanfrage wochenlang unbearbeitet liegenbleibt, weil niemand so recht weiß, wo sich der zuständige Mitarbeiter befindet. Auch die Problematik, einen Außendienstler erst nach Dutzenden Versuchen zu erreichen, soll es nicht mehr geben: Informationen „folgen“ dem Mitarbeiter dorthin, wo er sich gerade aufhält. Gleichzeitig sorgt die Technologie dafür, dass jeder Kollege auf dem gleichen Informationsstand ist. Kein Kunde müsste mehr ein Telefonat mit dem Satz „Wie ich schon gestern ihrem Kollegen sagte…“ beginnen. Das alles hört sich für geschäftliche Anwender sehr sinnvoll an. Schließlich muss, wer sich gegen die nationale und internationale Konkurrenz behaupten will, heute schnell und vor allem kompetent reagieren können.
Vor allem große Unternehmen haben das erkannt und vielfach bereits eine solche Kommunikationslösung eingeführt. Eine PAC-/Berlecon-Studie vom Herbst vergangenen Jahres ermittelte, dass 58 Prozent aller Unternehmen in der Größenordnung 500 bis 1000 Mitarbeiter einen Unified Communications Server betreiben. Bei kleineren Unternehmen (100 bis 500 Mitarbeiter) liegt dieser Anteil mit 34 Prozent deutlich niedriger. Da in vielen Branchen Mittelständler mit geringeren Margen leben müssen als Konzerne, erscheint es kurios, warum diese Möglichkeit zur Verbesserung der Kostensituation nur so verhalten angenommen wird.
Der Geschäftsführer eines IT-Systemhauses aus Nordrhein-Westfalen glaubt zu wissen, warum hier noch relativ zurückhaltend investiert wird: „Die Zurückhaltung basiert meist nicht auf Technikfeindlichkeit. Viele kleinere Firmen haben schlicht ein zu knappes Budget, um im schnelllebigen Unified-Communications-Segment eine Fehlentscheidung zu riskieren.“ Die Folge: Man ist sich in etlichen Firmen einig darüber, dass eine UC-Lösung sinnvoll ist. Unklarheit besteht bei vielen Mittelständlern aber darüber, zu welchem Zeitpunkt man in welche Lösung investiert. Der Systemhaus-Geschäftsführer: „Wir haben jede Menge Projektanfragen, aber Entscheidungsprozesse ziehen sich oft hin bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.“ Dabei birgt das Abwarten durchaus Risiken, denn wer im Wettbewerb mit größeren Akteuren steht, gerät womöglich in einen zu großen Rückstand.
Robert Ehses, Senior Vice President Small and Medium Enterprises bei Siemens Enterprise Communications, bestätigt diese Situation: „Im Vergleich zu Großunternehmen zeigen sich kleine und mittelständische Firmen nach wie vor sehr zurückhaltend, wenn es um die Investition in Unified Communications-Lösungen geht“. Auch die Folgen liegen für den Siemens-Mann auf der Hand: „Die Unternehmen verzichten so auf hervorragende Wachstumschancen, eine hohe Produktivität sowie eine auf lange Sicht erhebliche Kostenersparnis.“ Den Hauptgrund für das abweisende Verhalten sieht er in erster Linie in Unkenntnis: Die Vorzüge einer UC-Lösung seien kleineren Unternehmen bislang kaum geläufig. Ehses setzt deshalb auf Aufklärungsarbeit, die der Hersteller und dessen Partner leisten müssten.
„Es herrscht der Mythos, UC sei für den Mittelstand zu komplex“, sagt Jürgen Signer, Geschäftsführer Aastra Deutschland (Bild: Aastra).
Auch beim Konkurrenten Cisco räumt man ein, dass der Mittelstand in Sachen Unified Communications und Collaboration ein zäher Brocken ist: Die Zahl der Unternehmen, die erkannt haben, was sie mit der Migration ihrer Kommunikation auf UC-Lösungen erreichen können, nehme zwar zu, sagt Ernst Engelmann, Business Development Manager Collaboration bei Cisco. Zudem würden auch immer mehr mittelständische Unternehmen diese Vorteile entdecken, doch der Großteil habe den Mehrwert noch nicht erkannt.
Jürgen Signer, Geschäftsführer von Aastra Deutschland, sieht sich in Sachen Unified Communications geradezu einer Flut von überholten Vorurteilen ausgesetzt: „Wir haben hartnäckig mit einer Reihe von Argumenten zu kämpfen, die angeblich gegen UC sprechen. Es herrscht der Mythos, die Technologie sei für den Mittelstand zu komplex. Die Anschaffung sei zu teuer, man benötige Programmierer, die die Lösung implementieren müssen. Schlussendlich komme dann auch noch der Schulungsaufwand der einzelnen Mitarbeiter hinzu. Unterm Strich bedeute das für Unternehmen einen langen Return on Invest und hohe Betriebskosten.“
Nach Einschätzung von Signer mag dies einmal so gewesen sein. Doch die Technologie sei vorangeschritten: „Nach unserer Überzeugung und Erfahrung sind diese Argumente falsch. Es gibt Lösungen wie unsere Aastra 400, die die Bedürfnisse der kleinen und mittleren Unternehmen berücksichtigen und entsprechend konzipiert sind.“
Ralf Ebbinghaus, Vorstandsmitglied des Dortmunder Unified-Communications-Anbieters Swyx, hält den Mittelstand hingegen weder für unzureichend informiert, noch für zu zögerlich. „Auch der Mittelstand ist sich bewusst, dass UC-Lösungen bei der Erreichbarkeit von Kommunikationspartnern oder der Beschleunigung von Geschäftsprozessen ein wichtiger Faktor sind.“
Swyx-Vorstand Ralf Ebbinghaus (Bild: Swyx).
Dass die Nachfrage nach solchen Kommunikationslösungen vor allem bei großen Anbietern wie etwa Cisco oder Siemens vergleichsweise verhalten sei, sieht er in einem anderen Punkt begründet: „Gerade größere Anbieter entwickeln oftmals Lösungen, die an den Bedürfnissen vieler kleiner und mittelständischer Betriebe vorbeigehen und die vorhandene Infrastruktur überfordern. Mittelständler suchen eine moderne TK-Anlage, die einfach zu administrieren ist, sich nahtlos in bestehende Applikationen integriert, eine Vielzahl von Endgeräten unterstützt und sich per Update einfach und schnell um neue Leistungsmerkmale oder User erweitern lässt.“ Sein Unternehmen biete exakt auf das Mittelstandssegment zugeschnittene Lösungen an und könne sich dementsprechend über Nachfragemangel nicht beklagen.
Ist die Investitionsbereitschaft also nur deshalb begrenzt, weil große Konzerne ihre Produkte und Lösungen an den Bedürfnissen der Mittelstandsklientel vorbei planen? „Die IP-Isierung der Kommunikationsinfrastruktur und der Ausbau der UC-Fähigkeit werden sich in den nächsten Jahren fortsetzen – darauf weisen die Investitionspläne der Unternehmen hin. Jedes vierte Unternehmen plant in den kommenden zwei Jahren Neu- oder Erweiterungsinvestitionen im UCC-Infrastrukturumfeld“, heißt es bei den Analysten von Berlecon/PAC. Gut möglich also, dass einige Telekommunikationsanbieter noch einmal kritisch überdenken müssen, ob ihre Lösungen wirklich für den Einsatz in mittleren Unternehmen geeignet sind.
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