Apple in Firmen: So könnte es weitergehen


Apple-CEO Tim Cook bei der Vorstellung des iPhone 4S (Bild: CNET.com).

Schon beim Rückzug von Steve Jobs aus dem Tagesgeschäft fragten sich viele, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Aber sie vertrauten darauf, dass der Mitgründer mit seinem Gespür für das Machbare und seinem Drang, das Machbare zu perfektionieren, zumindest weiterhin die wichtigen Impulse geben würde. Diese Hoffnung der Apple-Gemeinde ist mit dem Tod von Steve Jobs erloschen.

Ganz bestimmt strahlt sein Einfluss noch eine Weile in die Zukunft aus. Schließlich ist vieles, was erst im nächsten Jahr auf den Markt kommt, schon heute in Vorbereitung. Allerdings hat mit Tim Cook nun ein Supply-Chain-Experte und Geschäftsprozess-Genie den Posten des CEO übernommen. Geht das Apple-Geschäft dennoch wie gewohnt weiter? Wird der Konzern mit gefragten Consumer-Produkten nach wie vor tonnnenweise Geld scheffeln? Drückt er mit seiner Vermarktungsmaschine nach wie vor in schöner Regelmäßigkeit neue Macs, iPhones und iPads in den Markt? Und baut er sein mit iTunes ja in gewisser Weise schon länger vorhandenes Cloud-Geschäft mit der iCloud nun in schwindelerregender Geschwindigkeit aus?

Die Antwort auf all diese Fragen ist: Ja, sicher. Allerdings stört etwas in dem Bild des schicken, allmächtigen und alles könnenden Konzerns. Es bleibt eine Stelle die juckt, die man aber nicht kratzen kann, ein unbekanntes Paralleluniversum, ein riesiges unerschlossenes Potenzial. Etwas, das schon vor dreieinhalb Jahren als Versäumnis aufgefallen ist: Die seltsame Abstinenz Apples im Geschäftskundenmarkt.

2008 ließ sich die Situation so zusammenfassen: Apple gelingt es hervorragend, seine Botschaft klar und unmissverständlich an seine Kernzielgruppe zu vermitteln. Das hat sich in der gesamten Firmengeschichte bezahlt gemacht. Unglücklicherweise für Apple lehnten Firmen die Vermarktungsstrategie aber ab: Apple ließ sich einfach nicht festnageln. Das iPhone SDK und die Anbindung an Firmenmailsysteme waren damals ein guter Anfang, aber eben auch nur ein Anfang.

Seit damals ist viel passiert. Alleine das iPhone und der App Store haben den Markt komplett umgewälzt, bei Research in Motion und Microsoft für schlaflose Nächte und erhebliche Umsatzeinbußen gesorgt und den Weg für Google und seine Android-Mitstreiter geebnet. Das iOS-SDK hat sich als Goldgrube für Apple erwiesen, da es die Initialzündung für ein riesiges Software-Ökosystem und den Erfolg im Privatkundenbereich gewesen ist. Und Macs haben in dieser Zeit in einigen interessanten und inzwischen gar nicht mehr so kleinen Nischen deutlich zugelegt.

Die Apple-Aktionäre geraten darüber ins Schwärmen. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat das Unternehmen den Traum der Alchemisten nahezu erfüllt: Zwar kann es noch nicht aus Blei Gold machen, aber aus Silizium ist ihm das schon gelungen.

Was Apple nicht geschafft hat

Soweit, so gut. Der phänomenale Erfolg des iOS und die Fortschritte des Mac in den vergangenen drei Jahren werden ohnehin überall und jederzeit in den höchsten Tönen bejubelt. Zeit, sich einmal etwas anderem zuzuwenden. Zeit einmal zu prüfen, was Apple in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft hat.

Dazu zählt, trotz der Erfolge im Privatkundenumfeld und dem durch das iPad mit neuem Schwung versehenen Trend zur „Consumerisierung der IT„, dass Apple nach wie vor einen verschwindend geringen Einfluss auf die IT in Unternehmen hat. Nun könnte man sagen: Wen kümmert es angesichts des aktuellen Aktienkurses und Barreserven von über 50 Milliarden Dollar, ob Apple eine Firma ist, die Enterprise-IT anbieten kann oder nicht?

Das stimmt teilweise. Apple braucht ja aber auch keine Hardware für die Firmen-IT herzustellen. Es herscht weitgehend Konsens darüber, dass die Xserve-Server und die Speicherlösungen dafür ein totaler Flop waren. Niemand außer ganz abgedrehten Administratoren mit ungewöhnlichen Konzepten wollten sie einsetzen. Und damit war das von Apple verkündete Aus für diese Produkte durchaus gerechtfertigt. Und auch der Mac OS X Server kann in keiner Weise als Server-Bertriebssystem der Enterprise-Klasse betrachtet werden – obwohl er ein kleiner, feiner Server für Arbeitsgruppen ist.

Was bleibt also für Apple in Firmen zu holen, wenn es weder Enterprise-Hardware noch Enterprise-Server-Software anzubieten hat? Eine ganze Menge – man muss die Sache nur einmal von einem anderen Standpunkt angehen.

Tim Cook: Apple-Maanger mit IBM-DNA

Fangen wir mit dem obersten Entscheider bei Apple, an, mit Tim Cook. Auf den ersten Blick sieht er aus, wie ein Apple-Top-Manager auszusehen hat: Er macht in dunklen Hemden und Jeans eine gute Figur und kommt glaubwürdig rüber. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen, hinter dem Kreativ-Outfit verbirgt sich die DNA eines Managers, der anders als Steve Jobs nicht nur weiß, wie ein Unternehmen geführt werden muss, sondern auch, wie Produkte an Geschäftskunden verkauft und verteilt werden müssen. Tim Cook kommt schließlich von IBM, wo er zwölf Jahre für das Fulfillment des PC-Geschäfts zuständig war, bevor dieses an Lenovo verkauft wurde.

In dieser Position war Cook auch dafür zuständig, die Beziehungen zu Vertriebs- und Technologiepartnern zu pflegen. Dazu gehören sowohl die Großhändler und PC-Verkäufer wie auch die Systemintegratoren oder Firmen, die Software schrieben und sie mit den IBM-PCs zu Lösungen schnürten.

Im Augenblick sind iOS und Mac-Rechner in erster Linie Geräte für Verbraucher. Zwar gibt es immer noch die Grafik- und Designscheine, die auf den Mac setzt, aber sie macht nur noch einen kleinen Bruchteil des Geschäfts aus. Und ja, für iOS gibt es ein paar im Business-Alltag nützliche Apps sowie einige auf vertikale Märkte ausgerichtete Apps, aber im Vergleich zu der riesigen Anzahl von Spielen und Apps mit zweifelhaftem Nutzwert entfällt auch auf sie nur ein winziger Bruchteil.

Aber will Apple dieses riesige Feld wirklich kampflos Microsoft überlassen? Insbesondere in einer Zeit, in der man Redmond dabei ist, sich aus praktischen Gründen von der ganzen Weiterentwicklung von Legacy-Software zu verabschieden? Will Apple die fantastische Gelegenheit vorüberziehen lassen, seinem ärgsten Mitbewerber in Zeiten grundlegender Verschiebungen im Markt erhebliche Marktanteile abzunehmen?

Und will Apple wirklich nur zusehen, wie Firmen wie Microsoft oder Google um Firmen wie IBM und SAP herumscharwenzeln? Um HP? Oder um Salesforce.com? Na gut, im Augenblick ist es eher unwahrscheinlich, dass Larry Page bei Larry Ellison vorstellig wird und ihm anträgt, dass Oracle Android Apps schreibt. Aber die Zeiten ändern sich, und es geht ja hier nicht um eine bestimmte Firmenbeziehung, sondern vielmehr um das große Bild.

Partner, Partner, Partner, Partner

Zahlreiche Personen aus der Management-Ebene besitzen heute iPhones und iPads. Viele nutzen Macs. Aber sind diese Geräte wirklich mit den Anwendungen der Fachabteilungen integriert? Zugegeben, es gibt die gängigen Tools, um die täglichen Office-Aufgaben zu erledigen, sowie um Messaging und Kalenderfunktionen zu nutzen. Aber darum geht es nicht in erster Linie. Es geht um Business Analytics, um die Visualisierung von Daten, Um Berichtssysteme, um den heiligen Gral der Anwendungssoftware in Firmen, um die vielbeschworene „360 Grad Sicht auf das Unternehmen“.

Geht das mit iPad oder iPhone heute wirklich? Nein, nicht wirklich. Es gibt zwar einige schöne Beispiele und Demos, aber vollintegrierte Lösungen findet man nicht. Dass sie gebraucht werden, spüren die führenden Köpfe der Branche aber, etwa SAP-CTO Vishal Sikka.

RIM hat zum Start des Playbook zusammen mit QNX auf Entwicklerkonferenzen einiges in der Richtung angedeutet. Aber ehe die Plattform sich auf breiter Front durchsetzt, friert die Hölle zu. Die Kanadier sehen das Problem wohl auch. Schließlich haben sie mit Alec Saunders kürzlich einen erfahrenen Microsoft-Mann angeheuert. Der kann zwar irgendwann vielleicht das einen oder andere Kanninchen aus dem Hut zaubern, aber noch ist es nicht soweit. Aber die Kunden wollen von RIM Taten und nicht nur Worte sehen – insbesondere nach dem Vertrauensverlust durch die jüngsten Ausfälle und die katatstrophale Kommunikation dazu.

HP schickte sich vor ungefähr einem Jahr mit WebOS an, säbelrasselnd in diese Domäne vorzustoßen, aber Leo Apocalypse sorgte dafür, dass diese Pläne für das TouchPad ziemlich schnell und gründlich wieder vom Tisch waren. Also bleibt nur Apple übrig. Und Tim Cook. Erinnern wir uns daran, wie Steve Ballmer sich beim Thema „Developers, Developers, Developers, Developers“ in Ekstase redete. Daran sollte Cook sich ein Beispiel nehmen – allerdings mit anderem Text. Bei ihm müsste es heißen: Partner, Partner, Partner, Partner.

Und wie steht es mit dem Mac in Unternehmen? Apple sollte sich da auf seine bekanten Stärken besinnen. Aber nicht auf die, die einem zuerst in den Sinn kommen. Sicherlich werden immer mehr leitende Angestellte mit einem MacBook Air durch die Gänge ziehen. Auch IT-Leute und Softwareentwickler werden sich an ihrem MacBook Pro festklammern.

Aber was ist mit all den anderen? Wenn es nach Microsoft geht, werden sie Windows 8 und Metro Apps nutzen. Das Einfallstor dafür soll VDI (Virtual Desktop Infrastructure) sein. Hinweise darauf finden sich in Windows 8 Server mit den RemoteFX-Technologien überall.

Bekannte Stärken und neue Ideen

Ich für meinen Teil denke jedoch, dass die neue Oberfläche von Windows 8 in Firmen auf wenig Gegenliebe stoßen wird. Ja sie wird sogar vehement abgelehnt werden – zumindest bis eine schlüssig nachvollziehbare Notwendigkeit vorliegt, sie zu nutzen und genügend Metro Apps vorhanden sind, um dies auch zu tun.

Es klingt vielleicht verrückt, aber Mac OS X ist viel mehr „Windows-ähnlich“ als die Metro-Oberfläche von Windows 8. Berücksichtigt man, wie fremd sie schon den Technikexperten ist, dann kann man sich gut vorstellen, dass sie viele Verbraucher dazu bringt, von Windows auf Mac umzusteigen.

Microsoft hat in seiner über dreißigjährigen Geschichte den Privatkundenmarkt immer über den Umweg durch die Unternehmen infiltriert: Die Käufer waren mit einer gewissen Technologie von ihrem Arbeitsplatz vertraut und wollten sie daher auch zuhause nutzen: Sie sickerte nach unten durch. Jetzt geht das andersherum: Apple schleicht sich mit Consumer-Produkten wie dem iPad in die Firmen. Da ist es doch nicht abwegig, dass ein Produkt wie der Mac den anderen Weg nimmt und sozusagen nach oben durchsickert.

Was wäre denn, wenn Apple mit einer Firma wie VMWare oder Red Hat eine Technologiepartnerschaft eingeht, um Firmen und vertikalen Märkten eine OS X VDI anzubieten? Bei der Thin Clients genutzt werden? Oder wenn Apple in die Portokasse greift und einen am Markt etablierten Mac-Virtualisierungsanbieter wie Parallels übernimmt und es damit ermöglicht, OS X auf Enterprise-Class x86-Hardware laufen zu lassen?

Das wäre doch mal ein neuer Denkansatz. Und zwar ein grundlegend Neuer. Steve Jobs wären allein bei dem Gedanken daran kalte Schauer über den Rücken gelaufen. Aber Tim Cook ist nicht Steve Jobs. Nachdem Jobs den Consumer-Markt erobert und verändert hat, sollte es da nicht Tim Cooks Mission sein, iOS und Macs in die Unternehmen zu bringen?

ZDNet.de Redaktion

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