Vergangene Woche fand hier in München mit der eCarTec eine Messe statt, zu der IT-Journalisten normalerweise nicht gehen. Es war schon die dritte Veranstaltung ihrer Art in der bayerischen Landeshautptstadt – und ich muss zugeben, dass die beiden ersten komplett an mir vorbeigegangen sind – obwohl sich die Redaktionsräume von ZDNet direkt gegenüber des Messegeländes befinden. Aber schließlich kann man ja nicht zu jeder Veranstaltung dort gehen – von der Immobilienmesse ExpoReal bis zur Wintersportmesse ISPO. Aber die eCarTec hat sich gelohnt. Warum?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Branche befindet sich insgesamt im Aufwind, international noch stärker als in Deutschland. Aber auch hierzulande spüren die Hersteller erhöhte Nachfrage, obwohl Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Subventionen für Elektroautos kategorisch abgelehnt hat – ausgerechnet aus Geldmangel: „In einen teuren Subventionswetttlauf zu treten, können wir uns nicht leisten. Wir brauchen marktfähige, alltagstaugliche Produkte, die sich in der Praxis bewähren und die Bürger überzeugen.“
Dennoch soll Deutschland führend bei Elektroautos werden. Das von Kanzlerin Angela Merkel bei der Übergabe des zweiten Berichts der Nationalen Plattform Elektromobilität am 16. Mai erklärte Ziel ist es, „Deutschland bei der Elektromobilität zum Leitanbieter und Leitmarkt zu machen.“ Es gehe aber nicht nur um attraktive Produkte und Exporte, sondern auch um 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze bis zum Jahr 2020.
Um ihre Ziele zu erreichen, verdopple die Bundesregierung die Mittel für Forschung und Entwicklung. Schwerpunkt hier ganz unsexy: Die Batterieforschung. Annette Schavan, ihres zeichens Bundesforschungsministerin, begründet das völlig im Einklang mit ihrem Amtskollegen Ramsauer damit, dass über den Markterfolg der Elektromobilität nicht das üppigste Suventionspaket entscheide, sondern die größte technologische Kompetenz.
Die Bundesregierung selbst will – allerdings erst ab 2013 – ihren Fuhrpark umstellen. Zehn Prozent der Neufahrzeuge sollen dann weniger als 50 Gramm CO2 pro Kilometer verbrauchen. Als Anreize für Privatleute, Elektroautos zu kaufen, sind Bonbons vorgesehen, die die Regierung wenig kosten: die Befreiung von der Kfz-Steuer für zehn Jahre, ein Wechselkennzeichen, mit dem sich eine Versicherungsprämie sparen lässt, das Ausweisen von Sonderparkflächen, die Lockerungen von Zufahrtsverboten und die Möglichkeit, Busspuren mitzubenutzen.
Ob die jemanden überzeugen, sei dahingestellt. Für mich wären sie nicht attraktiv genug. Schließlich kosten Elektroautos derzeit doch noch mehr, als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Der viel beworbene, demnächst verfügbare Opel Ampera etwa rund 40.000 Euro und der bereits verfügbare Mitsubishi i-MiEV rund 35.000 Euro. Aber die Preise geraten spätestens im kommenden Frühjahr unter Druck, wenn Nissan und Renault mit ihren Modellen Leaf beziehungsweise der Limousine Fluence Z.E. auf den Markt kommen – letztere schon für 25.690 Euro und einer monatlichen Gebühr von 72 Euro für die Batterienutzung.
Von den 2708 Stellplätzen im Parkhaus Riem Arcaden in München ist einer mit einer Ladestation für Elektroautos ausgestattet (Bild: ZDNet).
Bei steigenden Spritpreisen kann man sich dann schon mal überlegen, ob zumindest als Zweitwagen, der nur für den Weg zur Arbeit und zum Einkaufen zum Einsatz kommt, nicht doch ein Elektroauto infrage kommt. Wobei sich dann aber das wahre Problem offenbart: Zumindest in meiner Tiefgarage zuhause befindet sich keine Steckdose. Schon gar keine, die – wie die Industrie das will – garantiert mit Ökostrom beliefert wird und die irgendwelche Abrechnungsmöglichkeiten vorsieht.
Bei der Arbeit sieht es nur wenig besser aus: Im Parkhaus Riem Arcaden, unter der ZDNet-Redaktion, existiert zwar eine Ladestation von RWE, es ist aber völlig unklar, wie die genutzt werden darf. Und angesichts von 2708 Stellplätzen insgesamt ist ein für Elektroautos reservierter Stellplatz nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause für eine halbe Stunde bei einer öffentlichen Ladestelle Pause zu machen, kommt gar nicht in Frage. Was uns auf das wirklich große Problem der Elektromobilität bringt: Trotz geschätzter vier Milliarden Steckdosen sind keine dort, wo man sie für das Auto eigentlich braucht. Schade eigentlich. Es gibt dafür zwar einige, wenig ausgereifte Konzepte der Stromanbieter, aber die helfen kaum weiter, konzentrieren sie sich doch zumeist auf ein Tankstellen-ähnliches Modell. Interessanter ist da schon der Vorschlag von E-Planet, Besitzer von günstig gelegenen Steckdosen zur Ministankstelle zu machen – wobei Abrechnung und Stromversorgung zentral verwaltet werden und der Steckdosenbesitzer einfach eine Provision erhält.
Und schließlich sind natürlich für uns als IT-Site die Möglichkeiten interessant, die durch die Verknüpfung von Mobilität und IT entstehen. Die ergeben sich ganz natürlich daraus, dass ein Elektroauto mehr Verwaltung benötigt, als ein Benziner oder Diesel: Ladestand, nächste Ladestation, verbleibende Reichweite, günstigster Stromtarif – alles Fragen, die der E-Car-Fahrer am besten auf seinem Smartphone beantwortet haben möchte um dann spontan die für ihn günstigste Variante auszuwählen.
Das setzt eine hohe Integration von IT und Automobil voraus – und führt wahrscheinlich letzendlich dazu, dass die gut gedachten aber meist schlecht gemachten, proprietären Infotainmentsystem aus den Fahrzeugen verschwinden. Denn eigentlich reicht ja eine Dockingstation für das Smartphone und ein etwas größeres Display dort, wo sich heute noch das aufgebohrte, festinstallierte Navigationssystem samt Musikanlage befindet. Einiges davon gab es schon auf der diesjährigen eCarTec zu sehen. Mehr kommt sicher 2012. Schon ein Grund, dort wieder hinzugehen.
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