Das Management braucht unterschiedliche Sichten auf Kennzahlen und Geschäftsdaten, um Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen auf Kurs zu halten. Der Blick in das SAP ERP-System sagt aber nicht auf Anhieb, welcher Umsatz im letzten Jahr in den Zielmärkten erwirtschaftet wurde. Open-Source-Analysesoftware hilft, Klarheit in den Datendschungel zu bringen.
Nicht das SAP-System selbst, sondern ein betriebliches Informationssystem liefert Kennzahlen, die für Entscheidungen herangezogen werden können. Diese Daten liegen normalerweise als Berichte und Dashboards vor. Erst dadurch können die Informationen aus SAP ERP richtig gedeutet und mit denen anderer Systeme in Verbindung gebracht werden. Unverzichtbar ist dabei eine homogene Datenbasis: Sie enthält die Informationen der operativen Systeme und setzt sie zueinander in Beziehung.
Stefan Müller, der Autor dieses Gastbeitrags für ZDNet, ist Senior Consultant Business Intelligence beim Beratungsunternehmen it-novum (Bild: it-novum).
In der Regel erfüllt das Controlling diese Aufgaben, indem es die Daten aus Systemen wie SAP ERP exportiert, in Tabellenkalkulationen weiterverarbeitet und schließlich per E-Mail oder Fileserver an die Empfänger verteilt. Die Daten werden extrahiert, da sie zum einen nicht die notwendige Verdichtung für die Steuerungsinformationen aufweisen. Zum anderen will man sie meist durch Daten aus anderen Quellen beziehungsweise Berechnungen ergänzen.
Durch den Einsatz von Tabellenkalkulationen leiden allerdings Standardisierung und Flexibilität. Die unkoordinierte Verwendung und Verarbeitung der Quelldaten erschwert fast immer ein einheitliches Verständnis von Kennzahlen, da sie unterschiedlich berechnet werden. Das „Sammeln“ der Daten und die intensive manuelle Weiterverarbeitung ist außerdem sehr zeitaufwändig und fehleranfällig. Nicht selten entstehen dadurch hochkomplizierte Netzwerke aus verknüpften Tabellenkalkulationen, die zwar kunstvoll anmuten, aber durch die der Informationsfluss vollkommen intransparent wird.
Wie Business Intelligence Unternehmen hilft
An dieser Stelle setzt Business Intelligence als Konzept und Technologie an. BI-Technologien helfen, das berühmte Tabellenchaos zu vermeiden, und sie unterstützen die klassischen Controllingaufgaben. Ziel ist es immer, Geschäftsdaten aufzubereiten und den Entscheidungsträgern bereitzustellen, so dass diese das Unternehmen steuern und auf Kurs halten können.
Regelkreis des Controlling in Anlehnung an Jürgen H. Schindler (Grafik: Stefan Müller)
Unternehmensplanung heißt, die Ziele für die verschiedenen Bereiche eines Unternehmens festzulegen. Das geschieht durch Top-Down-, Bottom-Up oder Gegenstromverfahren. Hat man kein BI-System, heißt das in der Regel: Durchlaufen eines zeitaufwändigen und fehleranfälligen Planungsprozesses mit dem E-Mail-basierten Austausch von Excel-Dateien und deren späterer Konsolidierung. Business-Intelligence-Software ermöglicht den Aufbau von Planungsanwendungen, mit denen die operativen Einheiten ihre Planwerte in eine zentrale Datenbasis eingeben – die zeitraubende Zusammenfassung der Daten entfällt.
Spezielle OLAP-Technologien machen die Aufbereitung und Darstellung der Daten flexibel. Gleiches gilt für Simulations- und Szenarienrechnungen. Die Planwerte lassen sich auch auf aggregierter Ebene eingeben, so dass zum Beispiel die Absatzmengen für Deutschland erfasst und nach einer vorgegeben Relation automatisch auf die unterschiedlichen Bundesländer verteilt werden. Durch Schnittstellen zu SAP ERP können historische Ist-Werte als Anhaltspunkte für die Planer zusätzlich eingespeist werden. BI-Anwendungen machen also die Unternehmensplanung einfacher und effizienter.
Was ein betriebliches Informationssystem leistet
Besonders effizient ist der Einsatz eines betrieblichen Informationssystems. Dessen Ziel ist es, die Adressaten im Unternehmen mit maßgeschneiderten Plan- und Ist-Werten und möglichen Abweichungen zu versorgen, damit sie mit Hilfe dieser Datenbasis ihre Verantwortungsbereiche steuern können. BI-Lösungen extrahieren die steuerungsrelevanten Informationen automatisiert aus den operativen Systemen, bereiten sie auf und verdichten sie.
So lassen sich zum Beispiel die sehr granularen Daten von SAP ERP so verarbeiten, dass sie ein Kennzahlensystem mit Leben füllen. Die Kennzahlen lassen sich in Berichten problem- und empfängerorientiert zusammenfassen und über die BI-Plattform im Unternehmen verteilen. Als Verteilkanäle stehen Intranetportale, Fileserver oder Apps für Smartphones zur Verfügung. Business Intelligence erlaubt also einen globalen Blick auf die Steuerungsinformationen und ihre Verteilung in einer Organisation. Ihr Funktionskatalog geht deutlich über die eines integrierten Standardberichtswerkzeuges hinaus und kann daher auch individuelle Anforderungen erfüllen.
Wenn sich Abweichungen zum Plan ergeben, ist es die Aufgabe des Controllings, die Ursachen herauszufinden. Das heißt: Kostentreiber identifizieren oder unrentable Produkte im Portfolio aufdecken. Sind die Gründe gefunden, werden entsprechende Maßnahmen eingeleitet und ihre Wirksamkeit geprüft. Online Analytical Processing (OLAP) unterstützt diese Aufgabe: Die Anwender nutzen einen sogenannten Datenwürfel, bauen sich mit ihm flexibel eigene Auswertungen auf und betrachten die Kennzahlen aus verschiedenen Perspektiven. Klassisches Beispiel: Man kann sich per einfachem Klick und „Drill-Down“ einen detaillierten Aufriss des Umsatzes nach Regionen oder Zeit geben lassen. Da OLAP-Würfel sehr flexibel und einfach in der Bedienung sind, stellen sie ein leistungsstarkes Instrument für analytische Tätigkeiten dar.
Die Stärken von Open-Source-Business-Intelligence
Wie lässt sich aber Open-Source-Software für die Auswertung von Daten aus SAP ERP einsetzen? Wie in den anderen Softwaremärkten ist auch im BI-Bereich ein deutlicher Trend in Richtung Open Source erkennbar. Anbieter wie Jaspersoft, Jedox oder Pentaho bieten ein attraktives Portfolio.
Interessant ist es besonders für Mittelständler, die SAP als ERP-System einsetzen, aber mit den mächtigen BI-Lösungen von SAP, SAS oder IBM überfordert sind. Sie wollen lieber ein solides Softwarepaket zu überschaubaren Kosten, das ihre Anforderungen in den Bereichen Datenintegration, Reporting und Analyse abdeckt. Hier lohnt ein Blick auf die Open-Source-Anbieter: Sie punkten durch Flexibilität, offene Standards und vergleichsweise niedrige Kosten.
Um den Nutzen von SAP ERP mit den Vorteilen von Open Source zu kombinieren, empfiehlt sich eine „Best-Source“-Strategie: Durch die Integration von Open Source und Closed Source lassen sich die Vorteile beider Ansätze nutzen und zusätzliche Mehrwerte schaffen. Die Stabilität des SAP ERP-Systems wird durch die Flexibilität einer quelloffenen BI-Lösung ergänzt.
Ein weiterer Aspekt: Bestehende und im Laufe der Jahre etwas starr gewordene Systeme werden mit Hilfe neuer Technologien aus dem Open-Source-Umfeld zu anpassungs- und leistungsfähigen Business-Lösungen weiterentwickelt. Dadurch sinken Abhängigkeiten und Kosten, während Flexibilität, Sicherheit und Innovation zunehmen.
Die Abbildung skizziert beispielhaft, wie eine Best-Source-Lösung aussehen kann (Grafik: Stefan Müller).
Jede Nacht werden Daten aus den unterschiedlichen Modulen oder Tabellen des SAP-Systems automatisiert ausgelesen und verarbeitet. Im Rahmen der Verarbeitung werden die Daten harmonisiert, miteinander verknüpft und es finden Kennzahlenberechnungen statt. Schließlich werden die Daten in das Data Warehouse geladen und themenorientiert für die Controllingwürfel aufbereitet. Für die Definition dieser ETL-Prozesse eignet sich zum Beispiel das Datenintegrationswerkzeug von Pentaho. Es bietet nicht nur umfangreiche Verarbeitungsfunktionalitäten in einer grafischen Entwicklungsumgebung, sondern verfügt auch über Schnittstellen zu SAP ERP, SAP BW und Jedox Palo.
Die OLAP-Würfel enthalten Informationen für verschiedene Controlling-Aufgabenstellungen. Die Daten sind im Würfel multidimensional aufbereitet, so dass Auswertungen sehr flexibel möglich sind. Für die Analyseschicht in der BI-Architektur bietet sich Jedox Palo an. Palo besitzt eine In-Memory-OLAP-Technologie. Die Abfragegeschwindigkeiten sind dadurch sehr hoch und die Daten können in die Würfel zurückgeschrieben werden. Die Daten der Würfel basieren auf der standardisierten Schicht des Data Warehouse und lassen sich über unterschiedliche Frontends abfragen.
Zusammenspiel von SAP ERP und Open-Source-Lösungen (Grafik: Stefan Müller).
Was die Ebene des Datenzugriffes durch die Anwender betrifft, leistet Palo ebenfalls gute Dienste. Grund: Die nahtlose Excel-Integration. Die Daten lassen sich über ein Add-In in Excel abfragen, im Browser kann eine Tabellenkalkulation genutzt werden. Klarer Vorteil dieser Frontends: Man muss sich nicht in eine neue Arbeitsumgebung einarbeiten, sondern kann Berichte, Analysen und Planungsanwendungen wie bisher mit Excel-Know-how erstellen. Die Einbeziehung der IT-Abteilung reduziert sich so auf ein Minimum, weil die Fachabteilungen ihre Anwendungen weitgehend selbst betreuen. Interessant nicht nur für den Einsatz im Außendienst: Fast alle Open-Source-Anbieter unterstützen inzwischen mobile Endgeräte.
Fazit
Der Best-Source-Ansatz bietet eine interessante Alternative für alle, die ihre Controllingprozesse verbessern möchten, ohne sich eine weitere mächtige Softwarelösung ins Haus zu holen. Die vorgestellten Anbieter bieten eine funktional hochwertige und gleichzeitig preislich attraktive Lösung für die Analyse von Daten aus SAP ERP.
Zweifellos haben kommerzielle Anbieter weiterhin die Nase vorne, was Funktionstiefe und -breite anbelangt. Mittlere und kleinere Unternehmen benötigen aber erfahrungsgemäß nicht alle Funktionen. Palo und Pentaho bringen die wichtigen Schnittstellen zur Extraktion und Aufbereitung von SAP-Daten mit und stellen für Analyse und Reporting alle relevanten Funktionen bereit. Bei der Auswahl einer BI-Anwendung ist Open Source daher auf jeden Fall eine Überlegung wert.
Stefan Müller ...
... ist Senior Consultant Business Intelligence bei der it-novum GmbH, einem Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf SAP, Open Source und IT-Servicemanagement in den Bereichen Applikationen und Infrastruktur.
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1 Kommentar zu Analyse von Geschäftsdaten aus SAP ERP mit Open-Source-Anwendungen
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Endlich mal über den Tellerrand geblickt!
Ein guter Beitrag zum Thema Closed Source versus Open Source! Denn: Er lässt das „versus“ endlich mal weg. Seien wir ehrlich: Diese Szenarien sind längst zur Normalität geworden. IMmer weniger Firmen misstrauen OpenSource, die einschlägigen Produkte sind endgültig angekommen. Und das auch im SAP-Bereich. Ich halte es für eine Selbstverständlichkeit, dort auf kleine, feine, leichte Lösungen zurückzugreifen, wo der Funktionsumfang eines großes Produktes endet und die Alternative nur ein anderes großes Produkt ist. Open Source rückt allein deswegen aus der „versus“-Ecke heraus.