Unified Communications: Renaissance durch Cloud und Mobilitätsanforderungen

Effizient zu kommunizieren hielten Firmen schon immer für wichtig - fanden es aber auch schwierig, dieses Ziel zu errichen. Teillösungen waren die Folge. Mit der zunehmenden Mobilität der Mitarbeiter müssen viele die Aufgabe unter neuen Vorzeichen erneut angehen.

2010 wurden in Europa laut IDC erstmals mehr Smartphones als PCs verkauft, der Absatz der mobilen Endgeräte stieg gegenüber dem Vorjahr um 83 Prozent an. Das hat auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Der Anteil der mobilen Mitarbeiter in deutschen Unternehmen nimmt jährlich um etwa fünf Prozent zu. Sogenannte Personal Devices wie Smartphones, Tablets und Apps sind inzwischen zu wichtigen Werkzeugen für die tägliche Arbeit geworden und haben für Firmen auch einen strategischen Wert.

Dadurch erlebt auch ein Thema eine Renaissance, das die Branche schon seit über einem Jahrzehnt beschäftigt: Unified Communications. In seinen Anfangszeiten lebte der Bereich zunächst von den Möglichkeiten, die die Verknüpfung von Informationstechnologie und Telekommunikation boten. Allerdings waren die auf dem Papier oft vielversprechender, als in der Alltagswelt in den Unternehmen. Was zunächst gut aussah, scheiterte oft an der Vielzahl der Standards, an den Integrationsproblemen in vorhandene oder noch anzuschaffende Software, am eingeschränkten oder völlig unübersichtlichen Funktionsumfang der Lösungen, an der Notwendigkeit, Arbeitsabläufe zu ändern, um die Angebote vernünftig nutzen zu können oder schlichtweg an der mangelnden Leistungsfähigkeit des vorhandenen Netzwerks.

Besonders unternehmensweite Lösungen hatten es schwer, in Nischen blühte dagegen das Geschäft, etwa mit Angeboten für Call-Center. In anderen Bereichen behalf man sich mit weniger ausgefeilten, aber günstigen, einfach zu nutzenden Angeboten für bestimmte Zwecke.

Mobilität bringt Renaissance für UCC

Mit der zunehmenden Mobilität der Mitarbeiter stießen diese Teillösungen aber an ihre Grenzen. Außerdem wuchs der Bedarf an „echten“ Lösungen für Unified Communications – also „vereinheitlichter Kommunikation“ – da sich irgendwelche Behelfssoftware zur Computer-Telefonie-Integration als unzureichend erwies. Umso häufiger die Mitarbeiter nicht mehr am selben Standort sind, umso wichtiger wird es, Möglichkeiten zu schaffen, sich auszutauschen und miteinander in Kontakt zu bleiben.

„Folgerichtig werden Unified Communications und Mobility in den nächsten Jahren zunehmend zur treibenden Kraft im Wettbewerb, indem sie die Zusammenarbeit der Mitarbeiter untereinander fördern, die Zufriedenheit der Mitarbeiter und die Agilität von Geschäftsprozessen steigern sowie Innovationen vorantreiben. Unified Communications und Mobility sind künftig die tragenden Säulen einer jeden Enterprise-Mobility-Strategie“, so Nicholas McQuire, Research Director für Enterprise Mobility Strategies bei IDC.

Das sehen seine Kollegen vom Marktanalyse- und Beratungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC) ähnlich. „Die Modernisierung der ITK-Arbeitsplätze hat sich zu einem Top-Thema auf der ITK-Agenda der meisten Unternehmen entwickelt“, so die PAC-Analysten. Das sei ein zentrales Ergebnis ihrer aktuellen Studie „UCC-Strategien 2012„. Für die repräsentative Studie wurden 150 ITK-Verantwortliche aus Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland befragt. Während sich in der Vergangenheit viele Investitionen auf das Backend konzentrierten, rückt laut PAC nun die Modernisierung der Frontends in den Fokus.

Ein beherrschendes Thema sei dabei die Verbesserung der Zusammenarbeit: Acht von zehn ITK-Verantwortlichen ordnen ihr eine hohe Relevanz in ihrer ITK-Strategie zu. „Collaboration“ bleibt damit die wichtigste treibende Kraft im Markt für Unified Communications & Collaboration. Die Studienergebnisse zu Technologieeinsatz und Investitionsplänen im UCC-Umfeld bestätigten dies.

Erheblicher Bedarf an UCC-Lösungen

Insbesondere bei Echtzeit-Kommunikationsanwendungen wie Audio-, Video- und Web-Conferencing registriert PAC ein deutliches Wachstum. Jedes zweite Unternehmen nutzt heute bereits Web-Konferenzen. In über 40 Prozent wird per Video-Chat kommuniziert. Das sei deutlich mehr als vor zwei Jahren. Und die Investitionsbereitschaft bleibe hoch: 35 Prozent der Firmen wollen in den kommenden zwei Jahren in eine Erweiterung bestehender Web- und Videokonferenzlösungen oder in deren Neuinstallation investieren. Nahezu jedes der befragten Unternehmen setzt heute Smartphones ein. Knapp 30 Prozent haben sogar einen Großteil der Mitarbeiter damit ausgestattet. Fast jedes zweite Unternehmen nutzt bereits Tablet-PCs und 20 Prozent der Unternehmen wollen in den nächsten zwei Jahren erstmals Tablet-PCs anschaffen.

„Diese Resultate sprechen für einen erheblichen Bedarf an UCC-Lösungen, um trotz der zunehmenden Vielfalt an Anwendungen und Endgeräten eine hohe Effizienz bei der Zusammenarbeit zu gewährleisten und die Usability für die Endanwender zu verbessern“, so Andreas Stiehler, Principal Analyst bei PAC. Allerdings würden Investitionen in neue Anwendungen von den meisten Unternehmen immer noch ad hoc entschieden und nicht langfristig strategisch geplant.

So ist es laut Stiehler nicht verwunderlich, dass UCC-Lösungen bislang nur von etwa 12 Prozent der ITK-Anwenderunternehmen vollständig umgesetzt wurden. Zwar haben mehr als 60 Prozent der Unternehmen mit der Umsetzung von UCC-Lösungen begonnen, doch in den meisten Fällen wurden diese bislang nur teilweise oder als Teststellung realisiert. Stiehler fordert: „Die Unternehmen müssen Kommunikation und Zusammenarbeit strategisch angehen. Ansonsten steigt das Risiko neuer Insellösungen. Mit einem Anwendungs- und Gerätezoo ist der Zusammenarbeit nicht gedient. Er sorgt letztlich für einen hohen Administrationsaufwand und frustrierte Anwender.“

Allerdings zeigten die Ergebnisse der Studie auch deutlich, dass die meisten Unternehmen mit einfach zu implementierenden Lösungen starten wollen, die konkrete Bedürfnisse erfüllen und schnelle Erfolge versprechen. Auch die Integrationsfähigkeit der Lösungen – sowohl in die bestehende Infrastruktur als auch mit Drittlösungen – steht ganz oben im Anforderungskatalog. Darüber hinaus sind hohe Sprachqualität und gute Akustik absolute Kriterien, die Lösungen unbedingt erfüllen müssen, um in die engere Auswahl zu kommen. „Die Anbieter müssen hier nachbessern, um UCC zum Fliegen zu bringen“, so Stiehler.

Außerdem unterstreiche die Studie den großen Bedarf nach externer Unterstützung – angefangen bei der Definition der UCC-Strategie bis hin zur Planung und Umsetzung von Change-Management-Maßnahmen. „Die Anwender brauchen Lösungspartner, die Prozesse verstehen und echte Umsetzungskompetenz mitbringen – keine Reseller“, fordert Stiehler. Der Vertrieb müsse in der Lage sein, sich in Businessprozesse hineinzudenken und als kompetenter Ansprechpartner für die IT aufzutreten. „Investitionen in UCC-Lösungen werden heute von den Fachbereichen, der Geschäftsführung und IT-Verantwortlichen initiiert. TK-Verantwortliche sprechen bei der Umsetzung zwar mit, spielen aber als Initiatoren von UCC-Projekten keine Rolle“, so Stiehler.

Die Gründe dafür sind auch in den Erfahrungen der Vergangenheit zu suchen: Kaum ein Unternehmen hat sich noch nicht mit Unified Communications oder mit Collaboration beschäftigt, aber nur wenige blicken auf wirklich erfolgreiche Projekte zurück. In der Vergangenheit seien viele Anwender mit der Integration in andere Anwendungen – durch die der eigentliche Mehrwert von Unified Communications erst entsteht – überfordert gewesen, glaubt Martin Kinne, Geschäftsführer von Siemens Enterprise Communications. Es sei der Anspruch seines Unternehmens dafür zu sorgen, dass dies so einfach wie möglich werde.

„Es wurde lange sehr viel darüber geredet, etwas anderes ist es, das dann auch tatsächlich zu leben“, sagt Martin Kinne, Geschäftsführer von Siemens Enterprise Communications. „Und dann gibt es natürlich auch Misstrauen darüber, wie vernünftig solch eine Lösung ist.“ Kosteneinsparungen ließen sich heute unter Umständen sehr schnell erreichen. Wichtig sei jedoch, nicht dogmatisch vorzugehen: Beispielsweise könnten Cloud-basierende Modelle in bestimmten Szenarien genau das richtige sein, in anderen aber völlig ausscheiden. Kinne meint daher, dass Anbieter offen sein müssten, um die vielfältigen Anforderungen abdecken zu können. Wie er sich das genau vorstellt, erläutert Kinne im Video-Interview mit ZDNet.

ZDNet.de: Interview mit Martin Kinne, Geschäftsführer Siemens Enterprise Communications

Themenseiten: IT-Business, Kommunikation, Mittelstand, Siemens Enterprise Communications, Technologien

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