Windows 8 und Surface: Ballmers letzte Chance

Im Januar 2000 löste Steve Ballmer Bill Gates als Microsoft-Chef ab. Die zwölfjährige Regentschaft als CEO war nicht immer von Erfolg gekrönt. In letzter Zeit häufen sich sogar Stimmen, die seine Ablösung fordern.

Bereits im Mai 2011 hatte der einflussreiche Hedgefonds-Manager David Einhorn auf einer Investorenkonferenz in New York schwere Vorwürfe gegen Microsoft-CEO Steve Ballmer erhoben und ihm zum Rücktritt aufgefordert. Ballmer hänge in der Vergangenheit fest, er solle nach elf Jahren seinen Platz räumen und anderen eine Chance geben.

„Steve Ballmers kontinuierliche Präsenz an der Spitze von Microsoft ist die größte Bremse für den Aktienkurs“, wird Einhorn in einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. Seine Fondsgesellschaft Greenlight Capital verfügt über knapp 8 Milliarden Dollar Inverstorengelder und hält rund 0,11 Prozent aller Microsoft-Aktien. Vor kurzem wurde Microsofts Börsenwert erstmals seit 15 Jahren von IBM übertroffen. Apple wird sogar höher bewertet als beide Firmen zusammen.

Die Rücktrittsforderung schlug sogar so hohe Wellen, dass sich Microsofts Verwaltungsrat unter Vorsitz von Bill Gates genötigt sah, Ballmer öffentlich das Vertrauen auszusprechen. Was eine derartige Bekundung in anderen Branchen bedeutet, weiß jeder: allerhöchste Alarmstufe.


Ballmer stellt das Microsoft-Tablet Surface vor

Ballmer muss in der Folge weitere Tiefschläge einstecken. Im Dezember erschien eine Mitarbeiterumfrage, die den Microsoft-Chef regelrecht abstrafte. Von den über 2000 Kollegen, die an der Abstimmung teilnahmen, sind 55 Prozent mit seiner Führung nicht einverstanden. Bei den unter Mitarbeitern beliebtesten Firmen taucht der Name Microsoft auf den ersten 50 Plätzen nicht auf. Nicht unerwähnt bleiben sollte allerdings, dass nur ein Bruchteil der 90.000 Mitarbeiter an der Abstimmung teilnahmen. Trotzdem wurde in der Folge sogar spekuliert, dass die Rückkehr von Bill Gates als Chef von Microsoft bevorsteht. So weit ist es noch nicht gekommen. Dafür wählte die Zeitschrift Forbes im Mai 2012 den Microsoft-Chef zum schlechtesten CEO aller US-Firmen.

Begründet wurde die „Auszeichnung“ weil Ballmer eine Belastung für Mitarbeiter und den Aktienwert des Unternehmens sei. „Er hat Microsoft nicht nur im Alleingang aus einigen der am schnellsten wachsenden und lukrativsten IT-Märkte (Mobile Music, Smartphones, Tablets) herausgesteuert, sondern in der Folge auch Wachstum sowie Gewinn seiner Firma und von „Ecosystem“-Unternehmen wie Dell, Hewlett-Packard und Nokia geopfert“, sagt Forbes-Autor Adam Hartung über Ballmer.

Die negativen Folgen von Ballmers Arbeit würden weit über Microsoft hinausreichen, in dem er Aktionärsvermögen und Arbeitsplätze zerstöre, wettert der Forbes-Autor. Unter Ballmer seien wichtige Produkte immer wieder verschoben worden und Innovationen ausgeblieben. So habe beispielsweise die Entwicklung des XP-Nachfolgers Windows Vista viel zu lange gedauert.

„Das hätte völlig vermieden werden können, wenn das Microsoft-Board Ballmer schon vor Jahren durch einen CEO ersetzt hätte, der das schnelle Tempo des technologischen Wandels versteht und Microsoft auf Augenhöhe mit den Markttrend gehalten hätte“, heißt es weiter in dem Forbes-Bericht.

Mit dem in dieser Woche vorgestellten Surface-Tablet auf Basis von Windows 8 will Ballmer das Ruder nun herumreißen. Damit geht Microsoft selbst unter die Hersteller und bietet zwei Tablets an: eines mit ARM-CPU und ein weiteres mit Intel-Prozessor. Das ist Ballmers letzte Chance. Sollte diese neue Strategie nicht aufgehen, droht Ungemach. LG hat sich bereits kurz nach der Bekanntgabe von der Tablet-Entwicklung verabschiedet. Dass Microsoft nun Konkurrent seiner eigenen Partner wird, die zu einem großen Teil für die Einnahmen des Software-Konzerns verantwortlich sind, ist ein Pulverfass, das, wenn es explodiert und sich Dell & Co. womöglich anderen Herstellern zuwenden oder deutlich selbstbewusster gegenüber Microsoft auftreten, sehr, sehr teuer für den Softwarekonzern werden könnte.

Zudem ist der Erfolg dieser Strategie völlig ungewiss. Im Tablet-Markt oder besser gesagt iPad-Markt gibt bisher nur einer den Ton an: Apple. Während der iPad-Hersteller bereits über 67 Millionen Geräte seit der Einführung vor zwei Jahren verkaufen konnte, setzten sich Windows-Tablets trotz langjähriger Bemühungen nicht durch und gewannen keine relevanten Marktanteile. Auch Android-Tablets sind bisher nicht sonderlich erfolgreich.

Mit dem neuen Anlauf folgt Microsoft dem Vorbild Apples. Einen ähnlichen Erfolg erzielte der Softwarekonzern bereits mit der Xbox, die bei Spielekonsolen mit der gleichen Formel vertikaler Integration einen US-Marktanteil von fast 50 Prozent erreichte. Wenig erfolgreich war Microsoft hingegen mit dem Medienplayer Zune, den es wieder einstellen musste. Zudem ist die Marktdurchdringung der Xbox teuer erkauft. Fehler im Design der Spielekonsole machte eine milliardenteure Rückstellung für den Austausch vonnöten.

Zuletzt sorgte die Entertainment-Abteilung sogar für einen Verlust in der Bilanz. Noch schlechter ist es um den Online-Bereich mit Bing und Werbung bestellt. Dem Umsatz von 776 Millionen Dollar steht ein Verlust von 479 Millionen Dollar gegenüber. Und Microsofts Hoffnungsträger Windows Phone ist bisher ebenfalls kein Erfolg. Offizielle Zahlen hat der Softwarekonzern zum Smartphone-Betriebssystem noch nicht bekannt gegeben. Dafür reichen die Ergebnisse seines Premium-Partners Nokia, deren Zusammenarbeit den Softwarekonzern einige Milliarden gekostet hat, aus, um zu erkennen, dass sich nicht allzu viele Anwender dafür begeistern.

Es bleibt abzuwarten, wie sich Microsoft in den lukrativen Märkten Smartphones, Tablets und Online entwickelt. Sollten nicht bald Erfolge eintreten, dürften Ballmers Tage als Microsoft-Chef gezählt sein.


Vergleicht man den Verlauf des Aktienkurs von Apple und Microsoft in den letzten zwölf Jahren, erkennt man schnell, warum einige Investoren Ballmer lieber im Ruhestand sähen.

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ZDNet.de Redaktion

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