Insider: Windows-Chef Steven Sinofsky polarisierte Microsoft

Nachdem Windows-Chef Steven Sinofsky Microsoft verlassen hat, werden zunehmend die Gründe für sein plötzliches Ausscheiden bekannt. Aus dem Unternehmen ist zu hören, dass CEO Steve Ballmer trotz der unbestreitbaren Verdienste Sinofskys klar war, dass er dessen polarisierendes Verhalten nicht länger hinnehmen konnte.

Als Präsident von Microsofts Windows Division hatte sich Sinofsky größten Respekt verschafft, indem er für die rechtzeitige Veröffentlichung ausgereifter Produkte sorgte. Er straffte die Managementstrukturen der umfangreichen Geschäftssparte und schaffte es, sowohl Windows 7 als auch Windows 8 trotz enger Terminvorgaben in einer Qualität zu entwickeln, die viele Kritiker überzeugte. Gerufen worden war er, nachdem sich Windows Vista extrem lange verzögert hatte und weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.

Wie ein Microsoft-Manager wissen ließ, der die Überlegungen der Führungsetage kennt, führte nicht nur ein einzelnes Ereignis zu Sinofskys Abgang. Vielmehr hätten sich die Beziehungen zwischen Ballmer und Sinofsky während der Entwicklung von Windows 8 zunehmend abgekühlt. Trotz der Unstimmigkeiten in den letzten Monaten sei es aber absolut nicht denkbar gewesen, vor dem Marktstart von Windows 8 am 25. Oktober etwas zu unternehmen.

Die endgültige Entscheidung soll erst kurz vor der öffentlichen Bekanntgabe von Sinofskys Ausscheiden am Montagabend gefallen sein. Der naheliegende Grund dafür war, dass Sinofsky ein leitender Angestellter war und aufgrund gesetzlicher Bestimmungen wesentliche Veränderungen im Management sofort bekanntzugeben sind. Obwohl Ballmer Sinofsky offensichtlich aus dem Unternehmen drängen wollte, erklärte das Unternehmen dazu, die Trennung erfolge im beiderseitigen Einvernehmen.

Der Microsoft-Chef sah vor allem ein Problem in der mangelnden Zusammenarbeit Sinofskys mit den Managern anderer Bereiche. In der Führungsebene setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die Zusammenarbeit aller Sparten erforderlich ist, um im Verbrauchermarkt mit Apple und Google konkurrieren zu können – insbesondere Windows, Windows Phone sowie die Entertainmentsparte rund um die Xbox.

„Ballmer ist voll damit beschäftigt, die verschiedenen Teile der Firma zur Zusammenarbeit zu bewegen“, erklärte dazu ein früherer Microsoft-Manager. „Sinofsky aber zeigte ihm den Finger.“

Windows-Chef Sinofsky hatte allerdings auch gute Gründe, die anderen Sparten auf Distanz zu halten. Die Entwicklung von Windows war äußerst komplex mit Tausenden von Entwicklern, Testern und Programm-Managern, die in enger Zusammenarbeit einen Ecktermin nach dem anderen einhalten mussten. Eine Zusammenarbeit mit anderen Sparten, deren Entwicklungszyklen sich unterscheiden, hätte zusätzliche, nicht durch Windows-Manager zu kontrollierende Abhängigkeiten geschaffen. Sinofsky musste darin eine Gefahr für seine geschickt aufgebaute Maschinerie der Produktentwicklung sehen.

Seine Konzentration auf den Entwicklungsablauf brachte dem Windows-Chef auch Bewunderer innerhalb und außerhalb des Softwarekonzerns ein. Microsoft-Entwickler Dare Obasanjo beispielsweise lobte ihn in einem Blogeintrag als „eine vorbildliche Führungskraft und Grund für meinen Glauben an Microsofts Zukunft“.

Sinofsky löste aber ebenso starke Antipathien aus, insbesondere bei Managern, deren Strategien sich nicht mit seinen deckten. Im Laufe der Jahre wurde immer wieder von internen Auseinandersetzungen berichtet, in die Sinofsky verwickelt war. Nach firmeninternen Quellen war das schon bei seiner Ernennung zum Windows-Chef ein Grund der „Beunruhigung“ für Ballmer und Microsoft-Chairman Bill Gates. „Bill und Steve kannten Stevens Schwachstellen“, sagte ein früherer leitender Mitarbeiter.

Sie waren aber bereit oder gezwungen, darüber hinwegzusehen, während er die Probleme der Windows-Sparte löste. In dieser Zeit konnte sich Sinofsky sogar leisten, wiederholt mit seinem Weggang zu drohen, sollten wichtige strategische Entscheidungen nicht in seinem Sinne getroffen werden. In heftige Auseinandersetzungen mit ihm waren die Microsoft-Größen Ray Ozzie, Bob Muglia, Robbie Bach und J Allard verwickelt. Sie alle verließen daraufhin das Unternehmen. Auf diesem Weg folgte ihnen nun Steven Sinofsky – nach Fertigstellung von Windows 8.

[mit Material von Jay Greene, News.com]

ZDNet.de Redaktion

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