Die Leistung der ERP-Auswahlberater lässt in den Augen der Anwenderunternehmen deutlich zu wünschen übrig. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des ERP-Herstellers Godesys. Demnach zeigten sich 62 Prozent der insgesamt 150 Befragten unzufrieden mit der Arbeit der ERP-Berater. 68 Prozent gaben sogar an, dass falsche Beratung und schlechtes Projektmanagement der Grund für das Scheitern des ERP-Projekts gewesen seien. Nur 16 Prozent führen den Misserfolg auf schlechte Software zurück.
„Es ist alarmierend, dass derart viele Befragte mit ihrer ERP-Lösung unzufrieden sind, dies aber nicht der Software an sich anlasten“, sagt Godelef Kühl, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Godesys. „Dies zeigt den enormen Optimierungsbedarf auf Seiten der ERP-Auswahlberater.“
Aus seiner Erfahrung kennt Thomas Oberländer, Geschäftsführer der Hanauer ERP-Beratung Cerpos, die Fehlerquellen, die den Erfolg eines ERP-Projekt gefährden: „Es wird bei der Prozessaufnahme meist nicht tief genug gefragt und dokumentiert“, berichtet Oberländer. „Aus diesem Grund werden wichtige Detailanforderungen nicht identifiziert und somit bei der ERP-Auswahl auch nicht abgefragt.“
Als weiteres Problem bezeichnet Oberländer eine mangelhafte Systemrecherche, wodurch unpassende Systeme in der Auswahl berücksichtigt würden. Mit fatalen Folgen: „Erst bei der Inbetriebnahme fallen diese Mängel der Beratung auf und der Teufelskreis beginnt.“
Auf das einzelne Unternehmen kommt es an
Damit dies nicht eintritt, kommt es auf die richtige Herangehensweise des ERP-Auswahlberaters an: „ERP-Berater sollten sich nicht nur mit der Software auseinandersetzen, sondern auch mit dem Unternehmen, seinen betriebswirtschaftlichen Merkmalen und den daraus resultierenden individuellen Anforderungen an die ERP-Software“, fordert Kühl. Konkrete Anforderungen an einen guten ERP-Berater formulieren die befragten Anwenderunternehmen.
An erster Stelle stehen dabei umfangreiche Branchenkenntnisse, die 24 Prozent der Umfrageteilnehmer voraussetzen. Daneben sind fundierte Fachkenntnisse gefragt, wie 22 Prozent der Befragten angeben. Auch organisatorische Fähigkeiten müsse ein guter ERP-Berater mitbringen, fordern 19 Prozent. Es folgen kommunikative Fähigkeiten (14 Prozent) sowie eine integere Persönlichkeit (elf Prozent). Langjährige Erfahrung schließlich bezeichnen zehn Prozent der befragten Unternehmen als Merkmal eines guten Beraters.
Damit Unternehmen einen ERP-Berater finden, der dieses Anforderungsprofil erfüllt, sollten sie sich die Auswahl nicht zu leicht machen: Vor allem gelte es, auf die Referenzen eines Beraters zu achten, rät Oberländer. „Die Unternehmen müssen sich Referenzen benennen lassen und diese auch anrufen, um sich persönlich zu informieren.“ Nur so könne man die Tauglichkeit und Neutralität eines Beraters überprüfen.
„Wann war sein letztes Projekt, welche Systeme kamen in die engere Auswahl, welches System kam zum Zug“, formuliert Oberländer entscheidende Fragen. Frank Niemann, Analyst bei PAC in München, ergänzt: „Versteht der Berater mein Business, meine Branche, meine Prozesse?“ Ist der potenzielle Kunde ein mittelständisches Unternehmen, müsse der Berater Erfahrungen mit Firmen dieser Größe mitbringen, also deren Anforderungen, Möglichkeiten und Ressourcen kennen. Und: „Bei einem internationalen Roll-out muss der Berater in der Lage sein, auch länderübergreifende Projekte zu realisieren, entweder durch eigene Ressourcen oder durch Partnerschaften“, betont Niemann.
Die richtigen Auswahlberater zu engagieren, ist jedoch nur ein, wenn auch wichtiger, Aspekt eines erfolgreichen ERP-Projekts. Entscheidend ist auch, dass Unternehmen mit der richtigen Einstellung an ein solches Projekt herangehen. „Die Firma muss verstehen, dass ERP-Projekte fast immer mit Veränderungen verbunden sind, also gehört Change Management dazu“, erläutert Niemann. Er fordert ein klares Commitment des Unternehmens zum Projekt, wozu auch die Abstellung von internen Ansprechpartnern für das Projekt gehöre.
Mitarbeiterschulung darf nicht zu kurz kommen
Aber auch hier gibt es Kriterien zu beachten, wie IDC-Analyst Rüdiger Spies betont: „Es sollte von Anfang an ein Projektleiter aus einem Fachbereich benannt sein, idealerweise nicht aus der IT.“ Zwar werde auch ein IT-seitiger Projektleiter benötigt, „aber die Fachanforderungen müssen im Vordergrund stehen“, fordert Spies, und erinnert daran, dass für ein erfolgreiches ERP-Projekt bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
„Die Anwender sollten zuerst die Prozesse im Hause in Ordnung bringen, bevor sie automatisiert werden.“ Und nicht zuletzt dürfen Unternehmen neben der Technik nicht die Menschen vergessen: „Es sollte genügend Budget für eine Schulung der Mitarbeiter bereitgestellt werden“, so Spies, „damit die Optionen und das Potenzial der System ausgenutzt werden können.“ Ein Punkt, der offensichtlich häufig zu wenig berücksichtigt wird, berichtet Spies: „Leider wird am Ende des Projektes das Schulungsbudget wegen zu hoher anderer Ausgaben oft gekürzt.“
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1 Kommentar zu ERP-Projekte: Beratung mangelhaft
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Hallo,
endlich wird mal bedacht das die Systeme ja auch befüllt und benutzt werden müssen.
Die Verkaufsstrategie ist bislang ja immer nur ein striktes Abbild des Kapitalismuss was kann ich dadurch sparen. Bislang hat sich seltenst mal jemand gedanken darüber gemacht wer die SW denn anwenden soll. Außer bei Prozessschlachten.
Doch so lange Entscheider pp vorgelegt bekommen wie das System die Produktivität steigert bleibt die „Soziale kompetenz“ außen vor.