AVM kritisiert Nichteinschreiten der Bundesnetzagentur beim Routerzwang

Die Regulierungsbehörde begründet ihre Zurückhaltung damit, dass ihr die rechtliche Handhabe fehlt. Als Reaktion auf Nutzerbeschwerden teilt sie mit, dass sie deshalb nicht gegen die gängige Praxis bei manchen Netzbetreibern vorgehen könne. AVM sieht darin einen Nachteil für Verbraucher.

Die Bundesnetzagentur hat sich als Reaktion auf Nutzerbeschwerden zum Routerzwang bei einigen Netzbetreibern geäußert. In Antworten auf Anfragen von rund 30 Verbrauchern erklärte die Regulierungsbehörde, dass sie nicht einschreiten werde, wenn Netzbetreiber ausschließlich den von ihnen vorgegebenen Router am Breitbandanschluss des Kunden zulassen oder ihnen Kennwörter, beispielsweise für Sprachdienste, vorenthalten. Wie aus einem auf Pastebin veröffentlichten Antwortschreiben hervorgeht, fehlt ihr die rechtliche Handhabe, um gegen solch eine Praxis vorzugehen.

Dort heißt es unter anderem: „Wenn Sie einen eigenen ‚Router‘ an der Wand beziehungsweise an der Dose betreiben wollen und zur Einrichtung bestimmte Kennwörter benötigen, besteht keine Verpflichtung der Netzbetreiber zur Nennung der entsprechenden Kennungen.“ Und weiter: „Im Übrigen hält auch die EU-Kommission, die für die Einhaltung der dem FTEG zugrunde liegenden europäischen Richtlinie zuständig ist, Maßnahmen gegen einen ‚Router-Zwang‘ gegenwärtig weder für rechtlich möglich noch für erforderlich.“

Die Antworten seien nach eingehender Prüfung und nach Rücksprache mit der EU-Kommission gegeben worden, erklärte ein Behördensprecher auf Anfrage gegenüber ITespresso. Ohne rechtliche Handhabe könne man nicht tätig werden.

Der deutsche Routerhersteller AVM kritisiert die Stellungnahme der Bundesnetzagentur und die Maßnahmen einiger Netzbetreiber heftig. Routerzwang und Geheimhaltung von Kennwörtern stellten eine wesentliche Änderung gegenüber der langjährigen erfolgreichen Praxis im Markt dar. „Langfristig führt der Routerzwang zu einem Ausschluss an Innovationen, da es keinen Wettbewerb um das beste Endgerät mehr gibt“, so AVM in einer Pressemitteilung.

Knackpunkt in dem Streit ist eine Formulierung im Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen (FTEG). Zwar ist dort festgelegt, dass ein Nutzer jedes zulässige Endgerät an einer definierten Schnittstelle betreiben darf, eine Grauzone ergibt sich aber durch die Definitionen von Schnittstelle und Endgerät.

Nach Auffassung der Bundesnetzagentur kann der Router als Teil des Netzes gesehen werden: Die Schnittstelle ist in dem Fall der Ethernet-Port oder die WLAN-Antenne. Dann hat der Netzbetreiber die Verfügungsgewalt über den Router und kann vertraglich nicht vorgesehene Dienste zum Beispiel durch Kennwörter sperren.

AVM beantwortet die Frage, was die Schnittstelle beim Kunden im Sinne des Gesetzes ist, allerdings anders: Sie liege auf alle Fälle vor dem Router. Alles andere sei ein Rückfall in die Zeiten vor der Öffnung des Telekommunikationsmarktes, sagte ein Firmensprecher ITespresso. Damals war das Telefon auch „Teil des Netzes“ – daher durften nur von der Post zugelassen beziehungsweise ausgegebene Geräte verwendet werden.

Genau diese Situation sollte mit der vom Gesetzgeber angestrebten Öffnung des Marktes aber verhindert werden. Ein Ausdruck dieses Bemühens ist auch der Standard TR-069 – er erlaubt es, danach arbeitende Router an ein Netz anzuschließen und zu konfigurieren. Dass er überhaupt definiert wurde, untermauert die Ansicht, dass das Netz eben doch schon vor dem Router aufhört.

Was zunächst nach einem eher akademischen Streit aussieht, hat für betroffene Nutzer durchaus gravierende Folgen. Und es geht nicht darum, sich möglicherweise Dienste, die im Vertrag mit dem Netzbetreiber nicht vorgesehen sind, durch technische Kniffe zu erschleichen. Vielmehr werden Verbraucher auch von den Innovationszyklen ihres Netzbetreibers abhängig: Wenn sich ein Kunde beispielsweise kurz nach dem Vertragsabschluss entscheidet, ein neues Notebook zu kaufen, dass auf einer anderen Frequenz funkt als der erhaltene Router, kann er diesen nicht mehr einfach austauschen, sondern muss sich eine unter Umständen komplizierte Behelfslösung ausdenken.

Derzeit schreiben vor allem Kabelnetzbetreiber ihren Kunden den zu verwendenden Router vor. Aber auch die DSL-Angebote von Vodafone und O2 (Alice) sowie einige lediglich regional aktive Anbieter agieren Recherchen von ITespresso zufolge restriktiv. Offen sind dagegen die Deutsche Telekom sowie 1&1 – auch wenn beide natürlich bei Vertragsabschlüssen „ihre“ Router mitliefern.

Vodafone hat ITespresso auch konkrete Gründe für die Einschränkungen genannt: Der größte Teil der Kunden wolle die von Vodafone bereitgestellte EasyBox verwenden. Damit sei auch sichergestellt, dass die Installation reibungslos laufe, Fernwartungs-Services problemlos möglich seien und die „zuverlässige Nutzung von Sprach- und Internet-Diensten“ gewährleistet sei. Nur „sehr wenige Kunden“ wollten eigene Hardware nutzen und benötigen für den Betrieb entsprechende SIP-Zugangsdaten. Vodafone prüfe jede Anfrage individuell. „Sollte der Kunde uns die Herausgabe dieser Daten nachvollziehbar begründen, stellen wir sie ihm selbstverständlich zur Verfügung“, betonte ein Sprecher.

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

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7 Kommentare zu AVM kritisiert Nichteinschreiten der Bundesnetzagentur beim Routerzwang

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  • Am 23. Januar 2013 um 12:29 von ek.le

    Wie auch immer, so werden Missstände mal wieder auf dem Rücken der Nutzer abgewälzt. Das ganze Technikgetöns soll funktionieren und zwar so wie ich es brauche, es will UND bezahle. Wer weiß schon genau, was in einer Easybox abgeht? Klar passt das für Viele, aber eben nicht für Alle!

    Wenn ich nur eine Box an der Wand hängen haben will die DSL-Modem, Router und DECT-Station in einem ist und die Box eines Herstellers X als sinnvoller ansehe, dann ist es nicht hilfreich, dass z.B. Vodafone in seinem NGN bei nur einer Rufnummer SIP-Passwörter verwehrt und sich hinter dem Problem der Ortbarkeit von Notrufen versteckt. Und das scheint mittlerweile nicht ide einzige Ausflucht zu sein…

    Interessant finde ich, dass dieses Problem erst jetzt „hochkocht“. In meinem Fall musste ich diese Erfahrung schon vor 3,5 Jahren machen.

    • Am 29. Januar 2013 um 8:26 von der nukeman

      hierbei handelt es sich nicht „nur“ um das Vorschieben der Nichtortbarkeit von Notrufnummern, das ist eine klare Vorgabe des Regulierers. Des weiteren sind die Netzbetreiber dazu verpflichtet sicherzustellen, das nicht jeder Kunde mit seinen Zugangsdaten zum „Nachbarn“ rennt und sich dort anmeldet – Stichwort Unterbindung der nomadischen Nutzung. Desweiteren möchte bestimmt auch niemand, dass mit seinen Daten von anderen physischen Anschlüssen Kosten erzeugt werden, die euch zugeweiesen werden. Und das ist im Zeitalter des SIP eben nicht so einfach zu gewähren.

  • Am 23. Januar 2013 um 5:36 von BowCOM

    Ich muss über den letzten Satz doch sehr schmunzeln. Als ehemaliger Vodafone-Kunde habe ich monatelang auf die herausgabe der SIP-Daten gebettelt. Jedoch hieß es, dass dies aus technischen Gründen nicht möglich sei. Ich habe eine Fritzbox genutzt um VPN nutzen zu können, was mit den easyboxen nicht so einfach und vollen Umfang möglich ist. Die Aussage nun erschüttert mich doch sehr, da ich über 2 Jahre nicht die Telefonflatrate nutzen konnte. In meinen Augen eine wirkliche Frechheit und Einschränkung, die vor Vertragsabschluss weder in den Leistungsbeschreibung noch in den AGB´s zu lesen war!

  • Am 23. Januar 2013 um 1:49 von Liftboy

    Ich kritisiere AVM, dass jene mit gewisses Hochnäsigkeit Windows Phone ignorieren für Ihre App zur Fritz!Box ;)

    Die heulen sich einen ab. AVM ist doch selber mit im Boot gewesen und hat reichlich Boxen an die Provider verkauft.

    • Am 23. Januar 2013 um 9:29 von Peter Marwan

      Hallo Liftboy,
      ich glaube, es geht AVM gar nicht darum, den einen oder anderen Provider an den Pranger zu stellen. Schließlich verkaufen die Berliner sowohl an „offene“ als auch an „restriktive“ Provider ihre Boxen beziehungswiese gibt es „offene“ sowie „restriktive“ die keine Boxen von AVM verkaufen. Auf unsere Anfrage hatte AVM auch keine Zahlen parat, welcher Anteil der in Deutschland nicht-gewerblich genutzten Router überhaupt „im freien Handel“ gekauft wird. Aber ich finde es durchaus berechtigt, dass AVM auf das Problem hingewiesen und so Medien und Kudedn darrauf aufmerksma gemacht hat – denn es gibt eben Nutzer (so wie der ZDNet-Leser BowerCOM unten), die aus unterschiedlichen Gründen darauf angewiesen sind, sich ihren Router aussuchen zu können. Wenn das nicht mehr geht, ist das eine empfindliche Einschränkung.
      Peter Marwan
      Redaktion ZDNet

    • Am 23. Januar 2013 um 11:17 von Mikis Chawales

      der ganz normalen DaU gibt einfach mal wieder seinen senf dazu …
      jeder technik-affine User allerdings bemerkt recht schnell wie beschränkt die Möglichkeiten sind, wenn der Provider sich das Recht herausnimmt über die Hardware an seinem Anschluß zu bestimmen.
      bei uns in der Firma haben wir nämlich genau dieses Problem mit Kabel Deutschland.
      entweder mieten wir von KD beschränkte Auswahl an Hardware dazu oder improvisieren – das ist in beiden Fällen nicht wirklich befriedigend, um es mal so nett zu umschreiben …

      und wer bei Vodafone und Konsorten schon mal Hilfe an der Hotline brauchte … ich spar mir jeden weiteren Kommentar!
      der Telekom-Service hat sich in letzter Zeit allerdings tatsächlich stark verbesert und zumindest bei uns wird es wohl in Kürze eine Veränderung geben.

      die Freiheit des Internet … lang, lang ist`s her.

      • Am 7. Februar 2013 um 18:50 von fr_ka

        Tja, ist schon schlimm. Aber man kann ja immer noch den Provider wechseln. Da ist man ja frei in seiner Entscheidung.

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