Bitkom Research hat im Auftrag von LinkedIn ermittelt, dass mehr als die Hälfte der deutschen Großunternehmen derzeit um ausländische Experten wirbt, weil es in Deutschland an Fach- und Führungskräften mangelt. Im Fokus steht offenbar Südeuropa. 56 Prozent der Unternehmen, die sich mit der Rekrutierung ausländischer Experten beschäftigen, suchen in Spanien, Portugal, Italien oder Griechenland. In jedem fünften dieser Unternehmen arbeiten bereits Spezialisten aus diesen Ländern. 46 Prozent der Befragten rekrutieren hingegen bevorzugt in westeuropäischen EU-Ländern wie Frankreich, Großbritannien und Belgien.
Der repräsentativen Studie zufolge beschäftigen derzeit 58 Prozent der Großunternehmen ab 500 Mitarbeitern ausländische Fachkräfte, insgesamt aber nur 13 Prozent aller Unternehmen in Deutschland. Und 55 Prozent der großen Unternehmen planen, in den kommenden zwölf Monaten Personal aus dem Ausland einzustellen; insgesamt sind es 10 Prozent. 75 Prozent der Großunternehmen und 49 Prozent der mittelständischen Unternehmen gaben an, vom Fachkräftemangel betroffen zu sein.
In erster Linie kommen auf diesem Wege Berufseinsteiger (62 Prozent) und sogenannte Young Professionals (59 Prozent) nach Deutschland. Allerdings haben auch 39 Prozent der Unternehmen bereits Stellen auf der ersten Führungsebene mit ausländischen Kandidaten besetzt oder planen, dies zu tun. Aus Sicht der Fach- und Führungskräfte sind der Erwerb neuer Fähigkeiten (für 53 Prozent) oder Erfahrungen (für 47 Prozent) und die schlechten Karriereaussichten im Heimatland (40 Prozent) die wichtigsten Beweggründe für den Schritt, in Deutschland zu arbeiten.
Laut Umfrage werden in erster Linie IT-Fachkräfte und Controller im Ausland gesucht. Jeweils 40 Prozent der Unternehmen, die im Ausland rekrutieren, wollen solchermaßen qualifiziertes Personal nach Deutschland holen oder haben das bereits getan. Allerdings zieht sich der Bedarf durch fast alle Abteilungen der Unternehmen. 26 Prozent suchen Marketing-Spezialisten, je 25 Prozent Qualitätsmanager und Vertriebsexperten sowie 24 Prozent Mitarbeiter für Forschung und Entwicklung.
56 Prozent der Unternehmen, die ausländische Fach- und Führungskräfte beschäftigen wollen, konnten in der EU innerhalb von sechs Monaten neue Mitarbeiter rekrutieren. Im Nicht-EU-Ausland gelingt das nur 17 Prozent der Unternehmen, 45 Prozent benötigen dort ein Jahr oder länger. Im Inland wird ein Viertel der Firmen schneller fündig (bis zu drei Monate) – allerdings benötigen 35 Prozent länger, nämlich bis zu neun Monate, bis sie geeignete Kräfte finden.
Der Umfrage zufolge nutzen die Unternehmen für die Suche nach ausländischen Experten neben klassischen Rekrutierungswegen auch Online-Kanäle. 97 Prozent schalten die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit ein, und 90 Prozent setzen auf spezialisierte Personalvermittlungen. 74 Prozent betreiben eine eigene Karriere-Webseite, 73 Prozent nutzen Online-Jobbörsen und 72 Prozent Soziale Netzwerke.
Am erfolgreichsten scheint die Anwerbung über die Online-Kanäle vonstatten zu gehen – was dem Auftraggeber der Studie, LinkedIn, natürlich gelegen kommt. 96 Prozent der Unternehmen, die im Ausland Fach- und Führungskräfte suchen, bewerten die eigene Karrierewebseite als „erfolgreich“ oder „sehr erfolgreich“. Das könnte aber auch daran liegen, dass bei der Einschätzung die dafür Verantwortlichen befragt wurden – die sich selbst natürlich ein gutes Zeugnis ausstellen. An zweiter Stelle stehen mit 82 Prozent Online-Jobbörsen. Auf Platz drei folgen mit 74 Prozent spezialisierte Personalvermittlungen.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
Tipp: Wie gut kennen Sie sich mit der europäischen Technologie-Geschichte aus? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.
Neueste Kommentare
2 Kommentare zu Studie: Deutsche Firmen holen IT-Fachkräfte aus Südeuropa
Kommentar hinzufügenVielen Dank für Ihren Kommentar.
Ihr Kommentar wurde gespeichert und wartet auf Moderation.
Um den deutschen Firmen die Suche nach Fachkräften im Ausland zu erleichtern, bietet die pliXos GmbH einen kostenfreien Marktplatz um schnell und unkompliziert die passenden Ressourcen zu finden. http://www.plixos.com/market
Aus eigener Erfahrung und Gesprächen kenne ich den Trend, dass viele IT-Firmen angefangen haben in der Weiterbildung zu sparen. Dazu gehört auch statt individuell angepasster Weiterbildung eine One-Size-Fits-Alls-Veranstaltung für mehre Mitarbeiter im Haus zu machen. Aber oft passt es eben nicht.
Weiterhin gibt es aus Optimierungswahn, teilweise auch aus Sicherheitsüberlegungen heraus, den Trend Fachkräfte so spezialisiert einzusetzen, dass die nach wenigen Jahren praktisch keine Chance mehr haben anderswo noch mal ein Job zu bekommen. Was wenn die Firma pleite geht? Das kommt ja in der Branche auch öfters mal vor.
Aus einer Alumniveranstaltung habe ich auch schon von weiteren Folgen gehört: Die technischen Berufe sind oft nur noch zweite Wahl. Die Studenten wissen auch dass das Verhältnis von Risiko und Anstrengung zum erzielbaren Gehalt in manchen anderen Fächern viel günstiger ist.
Und irgendwelche Fortbildungen in die man privat Zeit und Geld gesteckt hat aber nicht in der Berufspraxis einsetzen kann, sind praktisch nichts wert.
Diese Geiz-ist-Geil-Mentalität vieler Arbeitgeber wird sehr wahrscheinlich dem Hochtechnologiestandort Deutschland langfristig schaden. Oder ist man sich sicher, dass Merkel auf Dauer regiert und die Arbeitslosigkeit in Südeuropa hoch halten kann; man also problemlos deutsche Fachkräfte ab 40 langsam auf Harz IV abschieben kann?
Allerdings sehe ich auch nicht, dass irgend eine Oppositionspartei dieses Problem überhaupt wahr genommen hat.