Tim Berners-Lee: Wir brauchen ein offenes, internationales Web

Das brasilianische Gesetz, das Firmen zur Vorhaltung von Daten auf lokalen Servern verpflichten würde, sieht er als Bedrohung. Der WWW-Erfinder hat aber Verständnis für Misstrauen nach den NSA-Veröffentlichungen und schlägt einen Schutz für Whistleblower vor. Die Geek-Kultur müsse Regierungen bisweilen etwas zurückdrängen.

Tim Berners-Lee hat sich in einem Gespräch mit Wired erneut für ein dezentrales, internationales Web ausgesprochen. Der Erfinder von HTML und damit des World Wide Web warnte vor der Bedrohung, länderweise Sperrbezirke einzuführen. „Ich wünsche mir ein Web, das offen ist, international funktioniert, so gut wie möglich, und nicht auf Nationalstaaten basiert.“

Tim Berners-Lee auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2013 (Bild: News.com) Tim Berners-Lee auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2013 (Bild: News.com)

Anlass war das geplante Internet-Gesetz Brasiliens, auf das Berners-Lee explizit einging: „Was ich nicht will, ist ein Web, in dem die brasilianische Regierung die Daten jedes Sozialen Netzes in Servern auf brasilianischem Boden speichern lässt. Das würde es so schwierig machen, eines einzurichten.“

Der brasilianische Gesetzesentwurf würde internationale Firmen wie Facebook und Google verpflichten, Daten brasilianischer Nutzer im Land zu speichern. Es gilt als Reaktion auf die NSA-Enthüllungen und als Versuch, Daten von Brasilianern besser vor Überwachung zu schützen.

Berners-Lee argumentiert in dem Interview, dass fehlendes Vertrauen nach den NSA-Enthüllungen eine Bedrohung des offenen Web sei – und zwar eine größere als Zensur. Er befürwortet daher einen Schutz für Whistleblower wie Edward Snowden, wenn sie „unter extremen Bedingungen“ geheime Informationen an die Öffentlichkeit geben. Er sieht Snowden dabei nicht als Einzelgänger, sondern als Beispiel für eine ganze Kultur, die im Internet entstanden ist.

„Das ist eine wirklich wichtige Kultur, es ist wichtig, dass die Geek Community als Ganze über ihre Verpflichtungen nachdenkt und darüber, was sie tun kann. Wir brauchen verschiedene alternative Stimmen, die bisweilen die konventionellen Regierungen etwas zurückdrängen.“

Etwas weniger ernst antwortete Berners-Lee auf die Frage, was er heute anders machen würde, wenn er das Web noch einmal erfände: „Ich würde das Slash Slash nach dem Doppelpunkt abschaffen. Man braucht es eigentlich nicht. Es schien damals nur eine gute Idee.“ Damit bezog er sich natürlich auf die beiden Schrägstriche in „//www.zdnet.de“, die den Scheme-Specific Part der URL einleiten.

[mit Material von Lance Whitney, News.com]

Themenseiten: Internet, Kommunikation, National Security Agency, Secure-IT

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Neueste Kommentare 

2 Kommentare zu Tim Berners-Lee: Wir brauchen ein offenes, internationales Web

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  • Am 12. Februar 2014 um 0:15 von Judas Ischias

    Aber sicher wird das Internet gebraucht. Wo hat man denn sonst die Möglichkeit Dinge sofort nachzusehen, bzw. nachzuprüfen, wenn Dinge, egal welcher Art, behauptet werden. Ich erinnere mich noch mit Schrecken an die Möglichkeit in einem Lexikon zu suchen, dass nicht mehr so aktuell war, oder erst am nächsten Tag zur regionalen Zeitung, falls die Möglichkeit dies zuließ, zu laufen und ’ne Bestätigung zu holen. Denn wenn z.B. am späten Abend in versammelter Runde irgendwas behauptet wurde, hat man den genauen Zusammenhang am nächsten Tag vergessen, oder die Gegenseite konnte nicht mit zur Zeitung. Dann ging das Gezanke weiter. Heute Smartphone aus der Tasche und wenigen Sekunden ist die Angelegenheit geklärt.
    Kein Internet mehr, ist Rückfall in die technische Steinzeit!

  • Am 10. Februar 2014 um 9:34 von McNoise

    es wird auch immer genug argumente für ein reguliertes internet geben. ferner stellt sich die frage ob wir das internet überhaupt bräuchten. ohne internet keine überwachung damit und darüber. das internet stand und steht kontrovers gegenüber der souveränität von ländern und kultur.

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