Datenschützer: Großbritannien sperrt fast ein Fünftel aller Websites

Der letztes Jahr aus Jugendschutzgründen eingeführte Pornofilter scheint außer Kontrolle. Manche ISPs blockieren politische Blogs, eine Feministinnen-Website und einen Porschehändler. Kunden von Virgin Media können dagegen die Filteruntersuchung selbst nicht aufrufen.

Britische Internet Service Provider (ISPs) sperren fast ein Fünftel aller Websites. Das hat eine Untersuchung der Open Rights Group ergeben, die sich 100.000 Angebote vornahm und feststellte, das 19.000 bei dem einen oder anderen ISP nicht zugänglich waren.

Inzwischen hat sich die Zahl aufgrund von Nutzerfeedback noch einmal erhöht und 22.000 überstiegen. Die exakten Ergebnisse und ein Vorschlagsformular finden sich auf der Projekt-Website blocked.org.uk. Die Organisation spricht von „Über-Sperren“, die durch das britische Filtergesetz entstanden seien.

Executive Director Jim Killock erklärt: „Wir wollten mit dem Projekt Blocked herausfinden, wie sich Web-Filter auswirken. Das Problem scheint weit größer als gedacht. Unterschiedliche ISPs blockieren unterschiedliche Sites, und das Ergebnis ist, dass viele Leute – vom Blogger bis zum Geschäftsmann – betroffen sind, weil die Leute nicht auf ihre Website kommen.“

Betroffen ist zum Beispiel der politisch-satirische Blog Guido Fawkes, den Paul Staines unter order-order.com betreibt. Staines sagt: „Wir wären wirklich sehr dankbar, wenn uns TalkTalk von seiner Sperrliste entfernen würde. Außer ihnen sperrt uns nur noch die chinesische Regierung.“

Manche ISPs blockieren etwa den Frauenrechte-Blog Sherights.com oder auch die Website eines Porsche-Händlers namens Philip Raby. Über Twitter ergänzten Nutzer die Angaben: Der Filter von Virgin Media sperre leider auch die Projekt-Website blocked.co.uk.

Der britische Webfilter war Mitte letzten Jahres als „Pornofilter“ mit der Motivation Jugendschutz eingeführt worden. „In den dunkelsten Ecken des Internets ereignen sich Dinge, die für unsere Kinder eine direkte Bedrohung darstellen, und das muss ausgemerzt werden“, sagte damals Premierminister David Cameron. Zuvor hatten Sperren – etwa 2012 von The Pirate Bay – in Großbritannien zumindest einen Gerichtsbeschluss erfordert.

Die Beschränkung auf Pornografie klappte von vornherein nicht, wie die BBC ermittelte. Dieses Jahr war auch schon die Nachrichtensite Torrentfreak, die sich viel mit den Themen Urheberrecht und Raubkopien beschäftigt, auf die Sperrliste von Sky gelangt.

[mit Material von Thomas Brewster, TechWeekEurope.co.uk]

Tipp: Wie gut kennen Sie sich mit der europäischen Technologie-Geschichte aus? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.

Themenseiten: Großbritannien, Zensur

Fanden Sie diesen Artikel nützlich?
Content Loading ...
Whitepaper

Artikel empfehlen:

Neueste Kommentare 

2 Kommentare zu Datenschützer: Großbritannien sperrt fast ein Fünftel aller Websites

Kommentar hinzufügen
  • Am 4. Juli 2014 um 1:30 von Judas Ischias

    Es scheint den Briten tatsächlich ernst zu sein, mit „No Sex Please, We’re British. :-)
    Als gäbe es keine anderen Probleme. Gerade bei den Engländern gibt es die meisten minderjährigen Schwangerschaften.
    Und von den Exzessen beim Saufen, auch wieder mit einem hohen Anteil an Minderjährigen mal nicht zu reden.
    Da sollte doch mal ganz dringend der Hebel angesetzt werden.
    Aber nein, man sperrt lieber Pornoseiten, dass dabei auch andere Webseitenbetreiber unter dieser Art von Inquisition zu leiden, ist eben Pech. ;) Da kann man sich ja schon mal an die Zukunft gewöhnen. Da darf dann nur noch eine ausgewählte Elite im Internet tun und lassen was sie möchten.

  • Am 3. Juli 2014 um 16:56 von punisher

    So ist das mit der Politik, sie lügen um Gesetze durchwinken zu können und der Nutzen ist hier z.B. einfach nur Zensur.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *