Google hat in einem umfangreichen Schreiben Fragen der EU-Datenschutzbehörden beantwortet und die bisher erhaltenen Löschanfragen nach Ländern aufgeschlüsselt. Nach seiner Auskunft trafen bis 18. Juli über 91.000 Löschanträge ein, die mehr als 328.000 URLs betrafen. Die Antragsteller wollten damit das „Recht auf Vergessen“ wahrnehmen aufgrund des im Mai ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs, wonach Google unter bestimmten Umständen personenbezogene Suchergebnisse löschen muss.
Laut dem Internetkonzern gingen 5500 Löschanträge aufgrund dänischen Rechts ein, 7500 unter italienischem Recht sowie 8000 nach spanischem Recht. Aus Großbritannien kamen 12.000 Anträge, die 44.000 URLs betrafen. Deutschland stand an zweiter Stelle mit 16.500 Anträgen zu Verweisen auf rund 57.000 URLs. An die Spitze setzte sich Frankreich mit 17.500 Anträgen unter französischem Recht, die auf die Löschung von Links zu rund 58.000 URLs zielten.
Europaweit kam Google 53 Prozent der Anfragen nach und entfernte die Links. 32 Prozent der Löschanträge lehnte es ab und machte die Suchergebnisse in den jeweiligen Ländern weiter zugänglich. Bei den übrigen Anfragen bat Google die Antragsteller um mehr Informationen.
Die per Webformular angenommenen Anfragen werden von Mitarbeitern individuell bewertet, was Google zu einer „erheblichen Personalaufstockung“ gezwungen habe. Bei erfolgreichen Anträgen werden Links wie gewünscht bei Suchanfragen mit dem Personennamen aus den Ergebnislisten von Google-Suche, Bildersuche sowie Google News entfernt. Mit anderen Begriffen oder anderen Google-Versionen – etwa Google.com anstelle von Google.de – bleiben die gleichen URLs jedoch weiterhin auffindbar.
Das Schreiben an die Vorsitzende der Artikel-29-Datenschutzgruppe folgt einem Treffen der EU-Datenschützer mit Google, Microsoft und EU. Peter Fleischer, beim Internetkonzern weltweit für Datenschutzbelange zuständig, beantwortet darin ihren Fragenkatalog – und macht „im Interesse der Transparenz“ auch die Antworten öffentlich. Googles oberster Datenschützer räumt außerdem eigene Ratlosigkeit hinsichtlich des EU-Rechts ein. „Unsere Herangehensweise wird nicht statisch sein“, schreibt er. „Wir wissen, dass sie sich im Lauf der Zeit verändern wird, da Datenschutzbehörden und Gerichte Richtlinien vorgeben und wir alle durch Erfahrung lernen.“
Laut Fleischer muss sich Google im Allgemeinen auf die Angaben der Antragsteller verlassen, kann sich deren Richtigkeit aber nicht sicher sein. „Wie sich herausstellte, wurden einige Anfragen mit falschen oder ungenauen Informationen begründet“, heißt es weiter. Selbst bei zutreffenden Informationen sei nicht auszuschließen, dass wesentliche Tatsachen ausgelassen wurden. „Daher kann es vorkommen, dass wir relevante Zusammenhänge nicht zur Kenntnis bekommen, die dafür sprächen, dass ein Suchergebnis zugänglich bleibt.“ Vorgekommen sei auch, dass Antragsteller URLs mit ihrem Namen sperren wollten – sie aber tatsächlich andere Personen mit dem gleichen Namen betrafen.
Google hat inzwischen seine Nutzer um Stellungnahmen zum Recht auf Vergessen gebeten. Dass das EuGH-Urteil nicht sinnvoll umzusetzen ist, erklärte unlängst das Oberhaus des britischen Parlaments. Im Bericht eines Ausschusses wurde die Entscheidung als „unzumutbar“, „nicht umsetzbar“ und „falsch“ kritisiert.
Harsche Kritik am Urteil übte auch Johannes Masing, Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In einer 24-seitigen Auseinandersetzung mit der EuGH-Entscheidung kam er zu dem Schluss, dass sie ein Ungleichgewicht zwischen Persönlichkeitsrechten und Kommunikationsfreiheit schaffe, das „die liberalen Linien des Äußerungsrechts zu unterlaufen droht“. Er machte außerdem darauf aufmerksam, dass das Urteil die potenziellen Einflussmöglichkeiten der Suchmaschinen sogar noch verstärkt. Für gründsätzlich falsch hält Masing, den Suchmaschinenbetreibern die Aufgabe zuzuweisen, zwischen den Grundrechten abzuwägen.
[mit Material von Rich Trenholm, News.com]
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