IBM stellt neurosynaptischen Chip „TrueNorth“ vor

In seiner zweiten Generation wurde der Prozessor auf 4096 Kerne skaliert und zugleich der Energiebedarf eines Kerns um den Faktor 100 reduziert. Der vom menschlichen Gehirn inspirierte Chip soll herkömmliche Computertechnik ergänzen und nicht ersetzen. Zu seinen besonderen Fähigkeiten zählt die Mustererkennung in Echtzeit.

IBM hat unter dem Codenamen TrueNorth einen neurosynaptischen Chip entwickelt. Der in der Zeitschrift Science vorgestellte Prozessor ist skalierbar, von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns inspiriert und entfaltet seine Leistung wie dieses mit einem sehr geringen Energiebedarf.

TrueNorth (Bild: IBM)TrueNorth (Bild: IBM)

In Zusammenarbeit mit Universitäten begann IBM 2008 mit dem Projekt, das von der Forschungsbehörde DARPA der US-Streitkräfte unterstützt wurde. 2011 konnte Dharmendra Modha, Projektleiter bei IBM Research, die erste Generation von Chips als greifbares Ergebnis vorzeigen. Sie enthielten damals nur jeweils einen Kern, aber vereinten schon „das Computing in Form von Synapsen und Kommunikation in Form von Axonen“, wie er damals gegenüber ZDNet.com erklärte.

In der jetzt vorgestellten zweiten Generation sieht Modha einen gewaltigen Schritt hin zu realen Anwendungsszenarios. „2011 hatten wir einen Chip mit nur einem Kern“, zitiert ihn Forbes. „Wir haben das jetzt auf 4096 Kerne skaliert, während wir jeden Kern in der Fläche um den Faktor 15 und seinen Energiebedarf um den Faktor 100 reduzieren konnten.“

Die „Systems of Neuromorphic Adaptive Plastic Scalable Electronics“ (SyNAPSE) werden aber auch in der zweiten Phase nicht die herkömmliche Computertechnik ersetzen, die auf der Von-Neumann-Architektur basiert, sondern sollen sie mit ihren besonderen Fähigkeiten ergänzen. Modha vergleicht sie mit Koprozessoren, die Hochleistungsrechner unterstützen. SyNAPSE entspreche eher der rechten Gehirnhälfte, die Architektur der heute eingesetzten Computer der linken Gehirnhälfte. Von-Neumann-Rechner seien vor allem schnell bei der Verarbeitung von Zahlen – neurosynaptische Chips hingegen langsam, aber beispielsweise besser in der Erkennung von Sensordaten in Echtzeit.

Leistungsfähiger sollen die „kognitiven“ Computer mit TrueNorth-Chips darin sein, Muster in Daten wahrzunehmen und zu analysieren. Als typische Anwendung empfehle sich etwa die visuelle Mustererkennung, was sich bei selbstfahrenden Autos als nützlich erweisen könnte. „Google Maps kann Ihre Route planen, aber SyNAPSE kann erkennen, wenn ein Schlagloch in der Straße ist“, sagte Modha.

Zu den potenziellen Anwendungen gehören Kameras, die automatisch interessante Objekte in einer unübersichtlichen Umgebung wahrnehmen. Die IBM-Forscher hoffen außerdem, dass sich die neurosynaptischen Chips in der Verarbeitung natürlich gesprochener Sprache besonders bewähren.

Neben IBM forschen auch Intel und Qualcomm an „neuromorphen“ Chips, und unter Experten gilt noch lange nicht als ausgemacht, welches Konzept das Rennen macht. Als Vorteil der skalierbaren TrueNorth-Chips darf gelten, dass sie mit herkömmlicher Fertigungstechnik produziert werden können, auch wenn sie einen anderen Arbeitsfluss erfordern. Als nächstes Etappenziel gibt Projektleiter Modha einen „neurosynaptischen Supercomputer“ aus. Er soll herkömmliche Prozessoren mit SyNAPSE-Chips vereinen und sowohl große Datenmengen verarbeiten als auch in Echtzeit enthaltene Muster analysieren können.

[mit Material von Natalie Gagliordi, News.com]

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