Amazon: Verdi fordert Tarifvertrag und ruft zu Streiks auf

Die vier deutschen Standorte Rheinberg, Graben, Leipzig und Bad Hersfeld werden bis Dienstag bestreikt. Zu der Arbeitsniederlegung hat die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen. Sie fordert für die Beschäftigten Tarifverträge auf Einzelhandelsniveau.

Leipzig_AmazonAktuell wird an vier Amazon-Logistik-Zentren gestreikt: Neben Leipzig sind auch Graben, Bad Hersfeld und Rheinberg von den Ausständen betroffen (Quelle: Amazon).

Der Tarifkonflikt zwischen Verdi und Amazon geht in die nächste Runde: Die Dienstleistungsgewerkschaft hat jetzt an vier deutschen Logistikzentren des Online-Versandhändlers zum Streik aufgerufen. Dieser ist zunächst auf Montag und Dienstag befristet. Die Arbeitnehmervertreter fordern für die Mitarbeiter einen Tariflohn auf Einzelhandelsniveau. Bislang gilt für sie der Tarif der Logistikbranche.

Aktuell werden die Versandzentren in Rheinberg (Nordrhein-Westfalen) sowie in Graben bei Augsburg bestreikt. Die Aktionen liefen dort mit der Frühschicht an. Schon seit der Nacht wird auch in Leipzig und Bad Hersfeld gestreikt.

Seit Ostern 2013 schwelt die Auseinandersetzung zwischen Amazon und Verdi. Die Gewerkschaft fordert für die Mitarbeiter in den Zentren Bedingungen, die in Deutschland für Einzel- und Versandhandel gelten. Der Online-Versandhändler selbst stuft sich hingegen als Logistiker ein und pocht daher auch auf den für diese Branche geltenden Tarif.

Knapp 9000 Mitarbeiter beschäftigt das US-Unternehmen in Deutschland an insgesamt neun Standorten. Aufgrund der Arbeitsbedingungen in diesen Zentren stand Amazon schon häufiger in der Kritik. Die Beschäftigten klagen unter anderem über den hohen Anteil an befristeten Arbeitsverhältnissen, über unzureichende Pausenregelungen und über hohen Leistungsdruck. Aus diesem Druck resultiere auch der hohe Krankenstand zwischen 15 und 19 Prozent, wie es von Seiten Verdis heißt.

Die Gewerkschaft wirft Amazon vor, seinen Mitarbeitern zum Teil mehrere hundert Euro weniger an Lohn zu bezahlen als es in vergleichbaren Beschäftigungsverhältnissen im Einzel- und Versandhandel üblich ist. „Amazon weigert sich weiterhin, das in Deutschland gesetzlich garantierte Recht der Beschäftigten auf einen Tarifvertrag anzuerkennen“, sagt Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger.

In Graben, Bad Hersfeld, Rheinberg und Leipzig hatte Amazon zuletzt Lohnerhöhungen zwischen 2,1 und 3 Prozent angekündigt. Nutzenberger verbucht das als Erfolg: „Die Gegenwehr der Beschäftigten zeigt ihre Wirkung. Amazon steht unter Druck. Nur ein Tarifvertrag garantiert den Beschäftigten existenzsichernde Einkommen und Arbeitsbedingungen.“

Bereits im Weihnachtsgeschäft 2013 kam es bei Amazon zu Streiks. Damals hatte das Unternehmen wenig Verhandlungsbereitschaft signalisiert und den Streikenden vorgeworfen, ihren Arbeitskampf zu Lasten der Kinder zu führen. Die aktuellen Streiks werden mit der Spätschicht am Dienstag zu Ende gehen.

[mit Material von Martin Schindler, silicon.de]

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13 Kommentare zu Amazon: Verdi fordert Tarifvertrag und ruft zu Streiks auf

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  • Am 23. September 2014 um 15:20 von punisher

    “Amazon weigert sich weiterhin, das in Deutschland gesetzlich garantierte Recht der Beschäftigten auf einen Tarifvertrag anzuerkennen”. Dann würde ich sagen, sollte Verdi vor Gericht.

  • Am 23. September 2014 um 11:43 von Judas Ischias

    Und woher weiß ich, dass die anderen Anbieter bessere Arbeitsbedingungen haben und kannst Du welche nennen?

    • Am 23. September 2014 um 12:16 von Hi, hi...

      …zumal ja noch nicht einmal wirklich klar ist, ob Amazon wirklich Einzelhändler oder Logistiker ist. Ich persönlich tendieren eher zur Logistik, weil der größte Teil der Arbeit, nämlich „Artikel aus dem Regal nehmen und in Versandkartons packen“ überhaupt nicht mit (einzelhändlerischem) Kundenkontakt zu vergleichen ist. Außerdem heißen die bestreikten Orte auch „Logistik-Zentren“ und nicht „Einkaufszentren“, nicht wahr? ;-)

      • Am 23. September 2014 um 13:32 von Hmm

        Das ist doch nur deren Ausrede – die Arbeitsumstände und die Belastung werden dadurch ja nicht besser.

        Man muss halt irgendwo anfangen, und den globalen Konzernen Grenzen setzen – sei es das Steuerrecht (alphabetisch: Amazon, Apple, Google, Ikea, Microsoft, etc.) oder das Arbeitsrecht (aktuell Amazon).

        Es darf nicht sein, dass jeder mit dem Finger woanders auf der Welt hinzeigt, und sagt, dass es ja da schlimmer sei. Zumindest innerhalb Europas sollten die Konzerne die Staaten nicht gegeneinander ausspielen können.

        • Am 23. September 2014 um 15:52 von Hi, hi...

          …eine Ausrede? Nein!
          Die Arbeitsumstände werden nicht besser, aber sind das die primären Forderungen der Gewerkschaft? Wieder nein!
          Erst mal entscheiden, ob Logistik oder Einzelhandel, dann (eventuell gerechtfertigte) Forderungen aufstellen.

    • Am 23. September 2014 um 12:43 von Patrick

      Du scheinst hier etwas grundsätzlich nicht richtig erstanden zu haben. Hier geht es darum, dass eine Mitarbeitervertretung / Gewerkschaft sich auch an die Öffentlichkeit wendet, um auf besonders eklatante (d. h. branchenunübliche) Missstände und damit einhergehende Wettbewerbsverzerrungen hinzuweisen. Der Endkunde hat nun die Wahl zu sagen, okay, so lange die das nicht verbessern, kaufe ich da nicht mehr so häufig. Die Geschäftsführung hat dann ihrerseits die Wahl, sich weiter gegen die Mitarbeiter UND die Öffentlichkeit (= sinkende Umsatzzahlen) zu stellen, oder etwas zu verändern. Wie bei jedem dieser Fälle, die an die Öffentlichkeit gelangen, geht es also zunächst mal darum, dass sich etwas im konkreten Unternehmen zum Besseren verändert.
      Erst ein Folgeschritt wäre dann gezielt bei solchen Firmen einzukaufen, von denen man weiß, dass sie etwas besser machen. Doch um diese Frage ging es hier aber gar nicht. Etwas platter ausgedrückt: Wenn du ins Krankenhaus musst, wirst du das Krankenhaus meiden, von dem öffentlich bekannt ist, dass die dort Probleme mit MRSA-Keimen haben (= du wirst es boykottieren). Du gehst also zunächst davon aus, das andere Krankenhäuser es besser machen. Erst im nächsten Schritt (und auch nur eventuell) recherchierst du, welches Krankenhaus die geringsten Probleme mit den Keimen hat und wählst dieses dann.

    • Am 23. September 2014 um 13:35 von Nein

      Aber das heisst ja nicht, dass man, sollte man mit den Arbeitsbedingungen bei Amazon nicht einverstanden sein, dennoch weiter so tut, als ob nix wäre?

      Über Amazon ist es nun öffentlich, dass was im argen liegt – einfach von Fall zu Fall entscheiden.

  • Am 23. September 2014 um 11:10 von Patrick

    Von möglichen Auswirkungen auf die Preisentwicklung habe ich doch gar nichts geschrieben. Ich meinte lediglich, dass derjenige, der die Firmenkultur von Amazon nicht unterstützen möchte, auch über einen Kauf bei anderen Händlern (online / offline) nachdenken sollte. Vermutlich wird der Homo Oeconomicus immer zum Bestpreis greifen. Häufig sind es aber einfach nur eingetrampelte Pfade (z. B. bei preisgebundenen Büchern) oder vorbezahlte Kundenbindungsprogramme (etwa Amazon Prime), die einen zu Amazon greifen lassen.
    Und das mehr Wettbewerb speziell im Einzelhandel zu steigenden Preisen führt, halte ich für ein Trugschluss. So eine Wechselwirkung gibt vielleicht bei Spezialfällen wie den Lokführern der Deutschen Bahn.

  • Am 23. September 2014 um 8:42 von Patrick

    Wer die Arbeitsbedingungen bei Amazon nicht unterstützen möchte: Einfach mal wieder bei einem anderen Versender bestellen. Sorgt zusätzlich für mehr Wettbewerb und damit günstigere Endkundenpreise und Vielfalt!

    • Am 23. September 2014 um 9:29 von Hmmm,

      ich soll, da Amazon meistens die günstigsten Preise hat, also woanders teurer einkaufen, damit die Amazonangestellten mehr Geld bekommen, womit dann die Amazonpreise steigen dürften!?
      Angemessene Bezahlung in allen Ehren, aber ganz so einfach ist das dann doch nicht.

      • Am 23. September 2014 um 13:26 von Ja, klar?

        Nun, sieh es so: Amazon macht Gewinne zulasten der Mitarbeiter, und die kämpfen für ihr Recht. Und Amazon kämpft mit Niedrigstpreisen, und drückt so andere aus dem Wettbewerb – nicht, weil sie teuer sind, sondern weil sie nicht beim Dumping mithalten können.

        PS: Wenn Du nur nach dem Preis gehst, müsstest Du ja auch Kinderarbeit akzeptieren, ist noch billiger? Also, findest Du sicher auch nicht ruchtig.

        • Am 23. September 2014 um 13:35 von Ruchtig?

          Tolles Wort!
          Du bemitleidest sicher auch die Verkäuferinnen in allen möglichen, zu Amazon alternativen Läden, die im Einzelhandel AUCH bloß keinen Tarif bekommen, dafür aber weniger Stundenlohn als die Amazonmitarbeiter.
          Nein, ich halte nichts von Kinderarbeit, aber auch nichts von eventuell überzogenen Forderungen der Gewerkschaften.

      • Am 23. September 2014 um 15:38 von hugo

        Also ich bin damals bei Amazon ausgestiegen und habe nichts mehr gekauft nach dem Fernsehreport. Und wenn man sich etwas umsieht bekommt man das meiste genauso günstig oder sogar noch günstiger als bei Amazon. Und mit einem kleinen AddOn zum Firefox bekommt man sogar automatische Hilfe beim suchen. Einfach unter „Preisvergleich im Browser“ suchen.

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