Ungarns Regierung legt Pläne für umstrittene Internet-Steuer auf Eis

Der geplante Gesetzentwurf wurde vorerst zurückgezogen. Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte für Mitte Januar eine Bürgerbefragung als Grundlage für weitere Diskussionen an. Gegen die Internet-Steuer waren unter anderem in Budapest zehntausende Bürger auf die Straßen gegangen.

Offenbar haben die anhaltenden Proteste zehntausender Bürger die ungarische Regierungspartei Fidesz dazu bewegt, den Gesetzentwurf für eine Internet-Steuer vorerst zurückzuziehen. Ministerpräsident Viktor Orbán gab in einem Radiointerview bekannt, dass die geplante Steuer „nicht in ihrer jetzigen Form eingeführt werden kann“. Für Anfang nächsten Jahres kündigte er eine „nationale Befragung“ als Grundlage für weitere Diskussionen an.

Ungarns Regierung will 2015 eine Internet-Steuer einführen (Bild: Shutterstock).

Solche Befragungen gab es in Ungarn schon zu anderen Themen, wie das Budapest Business Journal (BBJ) anmmerkt. Diese umfassten den Versand eines Fragebogens per E-Mail an Bürger des Landes.

Die geplante Internet-Steuer bezeichnete Orbán als Erweiterung der Telekommunikationssteuer. Die Telekommunikation verlagere sich zunehmend ins Internet, und das Steuersystem müsse den „natürlichen Bewegungen des Lebens“ folgen. Der Regierungschef räumte zudem ein, dass es normal sei, dass die Menschen Fragen zu einer neuen Steuer haben, zugleich betonte er aber auch, dass der Disput in diesem Fall „aus dem Ruder gelaufen“ sei.

Regierungskritiker reagierten laut BBJ skeptisch auf Orbáns Ankündigungen. Die Partei Demokratische Koalition (DK) des ehemaligen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány wies darauf hin, dass Orbán lediglich gesagt habe, die Internet-Steuer komme nicht in ihrer jetzigen Form. Hinsichtlich der geplanten Bürgerbefragung erklärte DK, der Ministerpräsident hätte zu diesem Zweck eine der Demonstrationen besuchen sollen. „Sie hätten am Dienstagabend Zehntausende befragen können, wo waren Sie?“. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb die Partei: „Fidesz behandelt uns wieder wie Idioten, seht Ihr das nicht?“.

Der Vorsitzende der liberalkonservativen Partei Modern Magyarország Mozgalom (MoMa), Lajos Bokros, schrieb auf Facebook: „Sogar seine [also Orbáns] Anhänger sind gegen die Internet-Steuer. Ich frage mich, wohin die nationale Befragung führen wird.“

Die Facebook-Gruppe, die zwei Protestzüge gegen die Internet-Steuer organisiert hatte, kündigte für heute Abend um 18 Uhr eine weitere Demonstration an, um den vorläufigen Sieg zu feiern. An den beiden vorherigen Kundgebungen auf dem József Nádor Platz in der Hauptstadt Budapest hatten sich rund 100.000 Bürger beteiligt. Selbst EU-Kommissarin Neelie Kroes hatte via Twitter dazu aufgerufen, sich mit den Demonstranten zu solidarisieren. Heute erklärte sie in einem Tweet: „Sieht so aus, als ob die ungarische Regierung die geplante Internet-Steuer zurückzieht. Gute Nachrichten.“

In seiner aktuellen Fassung sieht der nun zurückgezogene Gesetzentwurf ab 2015 für Internet Service Provider eine Steuer von 150 Forint (umgerechnet 0,49 Euro) pro Gigabyte Datenverkehr vor, der von Privatkunden und Firmen verursacht wurde. Am vergangenen Sonntag präzisierte die Regierungspartei, dass für die neue Steuer eine monatliche Obergrenze von 700 Forint (2,27 Euro) für Privatpersonen und von 5000 Forint (16,20 Euro) für Unternehmen gelten soll.

Ungarns Regierung sah sich schon mehrfach Vorwürfen einer antidemokratischen Politik ausgesetzt. In den vergangenen Jahren führte sie bereits neue Steuern für Banken, den Handel, den Energie- und den Telekomsektor ein, um die Schuldenlast des Landes zu mindern.

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Neueste Kommentare 

2 Kommentare zu Ungarns Regierung legt Pläne für umstrittene Internet-Steuer auf Eis

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  • Am 1. November 2014 um 8:57 von Alexander M.

    Orbán hat in Ugarn die freie Presse erfolgreich dezimiert.
    Ich vermute daher, dass das eigentliche Ziele dieser Steuer ist, die Bürger des Landes davon abzhalten sich übers Internet zu informieren.

  • Am 31. Oktober 2014 um 16:14 von Judas Ischias

    Ein sehr guter und lustiger Artikel.
    Musste schon heftig schmunzeln.
    Was soll denn eine „nationale Befragung“ noch bringen?
    Die Leute haben doch schon kund getan was sie von so einem Quatsch halten.
    Und wenn selbst seine eigenen Anhänger dies für Blödsinn halten ist es doch völlig überflüssig sich weiter damit zu beschäftigen.
    Die Argumentation:“… das Steuersystem müsse den natürlichen Bewegungen des Lebens folgen“, hat jedenfalls großen Unterhaltungswert. ;)))

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