Datenschützer kritisieren Facebooks Definition von Netzneutralität

Internet.org schlägt nach ihrer Auffassung den falschen Weg zum richtigen Ziel ein. Sie kritisieren auch die Namenswahl des Projekts. Zu den 67 Unterzeichnern eines offenen Briefs zählen Organisationen aus Deutschland und Österreich, aber auch aus Indien, Pakistan, Kongo und Uganda.

Eine Gruppe aus 67 Datenschutzorganisationen hat sich in einem offenen Brief an Mark Zuckerberg gegen das Projekt Internet.org ausgesprochen. Darin heißt es: „Wir fürchten besonders, dass ein Zugang für arme Menschen als Rechtfertigung für Verletzungen der Netzneutralität interpretiert wird.“

Zu den Unterzeichnern gehören die Digitale Gesellschaft und freifunk.net aus Deutschland sowie die österreichische Initiative für Netzfreiheit. Auch beispielsweise Indien und Kolumbien, wo Facebook seine umstrittene Internet.org-App tatsächlich anbietet, Pakistan, Kongo und Uganda sind vertreten. Die App gibt Zugriff auf ausgewählte Dienste, darunter BBC News, Facebook und dessen Messenger, ohne dass dies vom Provider aufs Internet-Volumenkontingent des Nutzers angerechnet würde.

Datenschützer fordern Respekt für die Netzneutralität von Mark Zuckerberg (Bild: Digitale Gesellschaft).Datenschützer fordern Respekt für die Netzneutralität von Mark Zuckerberg (Bild: Digitale Gesellschaft).

Facebook hat in der seit einem Monat laufenden Debatte um das Angebot mehrfach nachgelegt und zuletzt zugesagt, sein Programm für jedermann zu öffnen, solange bestimmte Kriterien (wie Werbefreiheit und sparsamer Umgang mit Bandbreite) eingehalten werden. Die Datenschützer kritisieren aber gerade diese in einem Video vom 4. Mai dokumentierte Definition von Netzneutralität. Wenn Facebook Kriterien vorgebe, sei dies das Gegenteil von Netzneutralität.

Zudem könne ein wie auch immer ausgewählter Satz an Diensten nie „das Internet“ sein, Internet.org führe also einen falschen Namen. Auch sei das Angebot ein Sicherheitsrisiko: Zum einen verbiete Internet.org den Einsatz von Verschlüsselung, zum anderen sei ein einzelner Dienste-Vermittler stets ein Angriffspunkt etwa für Regierungen, die Zugriff auf die Kommunikation der Opposition in ihrem Land erhalten wollen. Auch sei nicht klar, welche Daten Facebook durch das Projekt gewinne.

„Wir verfolgen ebenfalls das Ziel, den zwei Dritteln der Menschheit erschwingliches Internet zu bringen, die dies noch nicht haben“, erklären die Datenschützer, und zwar vollständig, ohne Unterschied der Person oder Herkunft – und ohne jemandes Sicherheit oder Privatsphäre zu kompromittieren. Facebook scheine den entgegengesetzten Weg einschlagen zu wollen.

In Indien hatten sich im April diverse frühere Partner von Facebooks Initiative Internet.org distanziert. So sind der Reisebuchungsdienst Cleartrip, die journalistischen Angebote NDTV und Newshunt sowie bestimmte Titel der Times Group nicht mehr Teil des Angebots. Als Netzbetreiber-Partner fungiert Reliance Communications: Es rechnet Zugriffe auf die in der App zunächst enthaltenen 38 Websites nicht auf das Datenvolumen seiner Nutzer an.

Den ersten Dienst dieser Art hatte das Facebook-Projekt im Sommer 2014 in Sambia gestartet. Später folgten Ghana, Kenia, Kolumbien und Tansania.

Zuckerberg erklärte daraufhin zunächst: „Ich glaube, Netzneutralität ist wichtig, um sicherzustellen, dass Netzbetreiber nicht zwischen Inhalten unterscheiden und Zugriffe auf Dienste beschränken, die die Menschen gern nutzen möchten, besonders in Ländern, wo die meisten Menschen online sind“, sagte er. „Für Leute ohne Internet ist ein bisschen Anbindung und ein wenig Sharing schon besser als gar nichts. Darum sind Programme wie Internet.org wichtig und können mit Netzneutralitätsregeln koexistieren.“

Im Rahmen der gleichen Frage- und Antwortstunde machte Zuckerberg auch öffentlich, dass er sich ein Internet.org-Angebot in Europa vorstellen kann. In den USA dürfte eine solche Offerte seit Februar 2015 rechtswidrig sein.

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Themenseiten: Facebook, Politik, Soziale Netze, Zensur

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