Die Betreiber des Blogs Netzpolitik.org stehen nicht mehr unter dem Verdacht des Landesverrats. Der Generalbundesanwalt hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. Seiner Mitteilung nach geht er sowohl davon aus, dass es sich bei den veröffentlichten Inhalten nicht um Staatsgeheimnisse handelt, sieht aber auch „die Voraussetzungen der subjektiven Tatseite nicht als gegeben“ an. Das bedeutet, dass den Betreibern nicht mehr die Absicht unterstellt wird, der Bundesrepublik Deutschland zu schaden.
Dagegen werden die Ermittlungen gegen Unbekannt – nämlich die anonymen Informanten des Blogs – fortgeführt. Ihnen wird Verletzung des Dienstgeheimnisses vorgeworfen. Dafür ist ab sofort aber die Staatsanwaltschaft zuständig.
Die Anzeige hatte Hans-Georg Maaßen erstattet, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Netzpolitik.org hatte im Februar und April jeweils Auszüge aus vertraulichen Berichten des Verfassungsschutzes publiziert. Sie bezogen sich auf die Schaffung einer Überwachungseinheit, die Kommunikation und Organisation von Extremisten im Internet untersuchen sollte. Die Artikel erschienen unter dem Überschriften „Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an ‚Massenauswertung von Internetinhalten‘“ und „Geheime Referatsgruppe: Wir präsentieren die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung.“
Die Betreiber des Blogs, Markus Beckedahl und Andre Meister, wollen sich mit dieser Bekanntgabe aber nicht zufriedengeben. Beckedahl schreibt: „Das ist schön, längst überfällig, aber das reicht uns natürlich nicht. Wir wollen konkret wissen, ob wir im Rahmen der fast dreimonatigen Ermittlungen Opfer von Überwachungsmaßnahmen geworden sind. Und wir wollen Klarheit darüber, wer was wann in der Bundesregierung davon wusste.“
Der Straftatbestand des Landesverrats wird von Paragraf 94 des Strafgesetzbuchs definiert: „Wer ein Staatsgeheimnis […] an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.“ Er wurde in der Geschichte der Bundesrepublik gelegentlich gegen Medien vorgebracht; bekanntestes Beispiel dürfte die Spiegel-Affäre von 1962 bleiben, nachdem das Magazin über geheime NATO-Planungen für den Fall eines Erstschlags der Sowjetunion berichtet hatte.
Die Ermittlungen lösten eine Protestwelle aus. Viele sahen darin einen Angriff auf die Pressefreiheit. Entsprechend fordert etwa der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), die Vorschriften zum Landesverrat müssten überarbeitet und Journalisten von der Strafverfolgung ausgenommen werden.
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