Geplante Änderungen am Telemediengesetz laut Gutachten EU-rechtswidrig

Nach Ansicht der vom Branchenverband eco beauftragten Gutachter sind vor allem die neuen Regelungen zur Host-Provider-Haftung zu schwammig formuliert. Dies könne negative Auswirkungen auf die gesamte Branche haben. Diese Woche will das Bundeskabinett den Gesetzentwurf verabschieden.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) hat ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten (PDF) veröffentlicht, laut dem die kurz vor der Verabschiedung stehenden Änderungen am Telemediengesetz teilweise gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Zudem trage die Neuregelung zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei.

„Dieser Gesetzesentwurf sorgt systematisch und rechtlich für Chaos“, erklärt Dieter Frey, Medienrechtsexperte und einer der Verfasser des Gutachtens. Das Bundeskabinett wird voraussichtlich in den nächsten Tagen über den bereits vor knapp zwei Jahren angekündigten Entwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) entscheiden. Die Neufassung soll einerseits die Haftung von WLAN-Betreibern neu regeln und andererseits verschärfte Regelungen bei der Host-Provider-Haftung einführen.

Compliance (Bild: Shutterstock)Die im Zuge der Änderungen am Telemediengesetz geplanten Änderungen für WLAN-Betreiber wurden schon öfter und von mehreren Seiten als unvollständig und praxisfern kritisiert. Kritik an den Neuregelungen für Host Provider kam bereits im Frühsommer von Digitale Gesellschaft e.V, Förderverein Freie Netze e.V. und dem Verbraucherzentrale Bundesverband, die sie in einem gemeinsamen Schreiben als Verstoß gegen die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie der EU und gegen europäische Grundrechte bezeichneten.

In dem nun vorgelegten Gutachten stehen die geplanten neuen Regelungen zur Verschärfung der Host-Provider-Haftung (PDF) im Mittelpunkt. Sie wurden in der öffentlichen Diskussion des Gesetzes bislang kaum wahrgenommen, hätten aber nach Ansicht des Branchenverbandes eco für viele Online-Geschäftsmodelle folgenschwere Auswirkungen. Insbesondere der neu eingeführte und laut den Gutachtern Dieter Frey, Matthias Rudolph und Jan Oster undefinierte Begriff der „gefahrgeneigten Dienste“ könnte sich negativ auf zahlreiche „etablierte und allgemein anerkannte Geschäftsmodelle wie cloudbasierte Services, Medien-Plattformen und Social-Media-Dienste“ sowie deren Nutzer auswirken.

„Wir erleben hier nach dem IT-Sicherheitsgesetz und der geplanten Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung einen weiteren Sonderweg der Bundesregierung, der eine Art Parallelgesetzgebung zum geltenden EU-Recht etabliert und damit Rechtsunsicherheit schafft“, sagt Oliver Süme, eco-Vorstand Politik und Recht. „Das ist eine gefährliche Entwicklung, die über kurz oder lang die deutsche Provider-Branche international ins Abseits katapultieren könnte.“

Seiner Ansicht nach trifft die geplante Regelung zu „gefahrgeneigten Diensten“ voraussichtlich ausschließlich legale und etablierte Geschäftsmodelle, während die „schwarzen Schafe“ überwiegend aus dem Ausland agieren und unbehelligt bleiben. „Die Regelung ist ein Zugeständnis an die Partikularinteressen der Rechteinhaber, insbesondere der Musikindustrie“, so Süme. Dem Ziel, der Verletzung von Urheberrechten entgegenzuwirken, komme die Bundesregierung mit dem vorliegenden Entwurf keinen Schritt näher, stattdessen setze sie alle deutschen Host-Provider einem unnötigen Haftungsrisiko aus.

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Der mit dem Gesetzentwurf verfolgte Ansatz verfehlt auch den Gutachtern zufolge das Ziel, Plattformen, deren Geschäftsmodelle auf Rechtsverletzungen aufbauen, effektiver zu bekämpfen. Im Gegensatz zum Koalitionsvertrag richte sich der vorgeschlagene Gesetzestext nicht konkret gegen „von der Rechtsordnung missbilligte Geschäftsmodelle“, sondern adressiere mit dem Begriff der Gefahrgeneigtheit ein „schwer abgrenzbares Spektrum an Diensten“.

Aber noch aus einem anderen Grund seien die nun geplanten Schritte nicht nur falsch, sondern auch unnötig. Laut eco ist die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern bereits auf europäischer Ebene im Rahmen der sogenannten E-Commerce-Richtlinie geregelt. Der darin festgelegte Anwendungsbereich und die inhaltliche Reichweite der Host-Provider-Privilegierung könnten gar nicht mehr national festgelegt werden. Die geplante Regelung stehe daher auch in Widerspruch zur europäischen Strategie für den digitalen Binnenmarkt. Außerdem greife die Bundesregierung damit der Europäischen Kommission vor, die bereits angekündigt hat, bis Ende 2015 eine „umfassende Untersuchung über die Rolle von Plattformen und Mittlern im Internet“ einzuleiten.

Auch der Digitalverband Bitkom hält die geplante Neuregelung für EU-rechtswidrig. „Host-Provider werden unter Generalverdacht gestellt, Verstöße gegen das Urheberrecht zu dulden oder sogar zu fördern“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Das sei der falsche Weg, wenn man gleichzeitig digitale Geschäftsmodelle fördern wolle. „Wir müssen die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch in Deutschland große Online-Plattformen aufgebaut werden können. Diese Gesetzesänderung ist kontraproduktiv und schadet dem Digitalstandort Deutschland massiv.“

[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]

Themenseiten: Bitkom, Politik, Urheberrecht, WLAN, eco

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