Leistungsschutzrecht: Snippet-Tarif der VG Media zu teuer

Die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt hält den von den Presseverlegern geforderten Tarif für unangemessen. Die VG Media unterliegt und muss die Verfahrenskosten tragen. Google und die Verwertungsgesellschaft erklären sich beide als Sieger - und der Streit könnte sich über Gerichtsinstanzen hinweg fortsetzen.

Die zuständige Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt hat die Forderungen einiger deutscher Presseverleger wie Springer an Google nach mehreren nichtöffentlichen Verhandlungen als zu hoch bewertet und deshalb die Anträge der VG Media zurückgewiesen. „Der Tarif ist unangemessen“, heißt es in der Entscheidung. „Die VG Media unterliegt und muss die Verfahrenskosten tragen.“ Weiterhin nicht in Sicht ist damit, dass die Verleger Einnahmen des Internetkonzerns in ihre Kassen umleiten können. Im jahrelangen Streit um die Anwendung des Leistungsschutzrecht für Presseverleger erklärt sich die VG Media dennoch als siegreich, da Googles Vergütungspflicht grundsätzlich bestätigt sei.

VG Media vs. Google (Bild: VG Media/Google)Die VG Media peilte als Verwertungsgesellschaft zunächst einen Tarif von 11 Prozent der Suchmaschinen-Umsätze an. Sie reduzierte ihre Forderung aber selbst auf 6 Prozent, da sie nur von rund der Hälfte der Verlage mit der Wahrnehmung ihrer Ansprüche beauftragt wurde. Bemessungsgrundlage des Tarifs sollten „alle durch die Nutzer erzielten Umsätze aus dem Betrieb der jeweiligen Suchmaschine in Deutschland“ sein. Die Schiedsstelle fand das jedoch zu hoch und daher „nicht angemessen“. Die von der Verwertungsgesellschaft zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage der tariflich definierten Umsätze der Suchmaschinenbetreiber und Newsaggregatoren sei nach ihrer Auffassung „zu weit gefasst“. Als Kompromiss empfahl sie den Streitparteien einen Vergleich und die Vereinbarung einer Mindestvergütung anstelle eines umsatzbezogenen Tarifs.

Die Schiedsstelle schlug außerdem eine konkrete Wortzahl vor, unterhalb derer auch nach dem 2013 verabschiedeten Leistungsschutzrecht keine Vergütungspflicht entsteht. Als Obergrenze hält sie dabei sieben Wörter unter Ausschluss der Suchbegriffe für angemessen. Übliche Snippets bei Google haben derzeit die mehrfache Länge. So stark verkürzte Textausschnitte wären aber wenig aussagekräftig und würden daher auch den Traffic deutlich reduzieren, den die Verleger von Google erhalten – und dürften diesen daher ebenso wenig zusagen wie die vollständige Weglassung von Snippets.

Beide Seiten sehen ihre Positionen durch die Entscheidung bestätigt. „Nach dem Bundeskartellamt hat nun auch die Schiedsstelle die Anträge der VG Media zurückgewiesen und in aller Deutlichkeit auf die Widersprüchlichkeit des Leistungsschutzrechts hingewiesen“, sagte Google-Sprecher Kay Oberbeck. „Google ist vergütungspflichtig“, stellte hingegen die Verwertungsgesellschaft in ihrer Pressemittteilung (PDF) heraus. „Das Recht ist anwendbar“, sagte ihr Geschäftsführer Markus Runde. „Google verwertet im Sinne des Urheberrechtsgesetzes die Presseerzeugnisse in den verschiedenen Google-Oberflächen. Damit sind wichtige Fragen von der sachkundigen Schiedsstelle geklärt.“

Scharfe Kritik vom Bitkom an Sieben-Worte-Grenze

Der Digitalverband Bitkom begrüßt die Zurückweisung der Forderung der VG Media, kritisiert aber auch, dass die Rechtsunsicherheit für Start-ups und Suchmaschinenbetreiber weiter bestehen bleibe. Innovative Geschäftsmodelle würden künftig sogar erschwert, da die Schiedsstelle eine maximale Länge der anzuzeigenden Textanrisse bei Suchergebnissen von sieben Worten ins Spiel gebracht habe. „Sieben Worte helfen Internetnutzern kaum, für sie relevante Inhalte zu identifizieren. Geradezu grotesk ist zudem die Herleitung der ominösen 7-Worte-Grenze“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Damit passe sie sehr gut zu dem verkorksten Leistungsschutzrecht. Die Schiedsstelle leitet ihren Vorschlag, eine Grenze von sieben Worten für ein Snippet vorzusehen, von der Rechtsprechung zum Urheberrecht aus den 70er Jahren her. Damals wurde entschieden, dass sieben Privatkopien eines Aufsatzes rechtlich zulässig seien. „Von sieben Fotokopien eines Zeitungsartikels zu sieben Worten bei Suchergebnissen im Web zu kommen, ist schon bemerkenswert. So hätte man auch eine maximale Länge von sieben Buchstaben pro Wort, sieben Snippets je Suchanfrage oder einer Zahlung von sieben Euro je angezeigtem Treffer begründen können. Hätten die Gerichte vor fast 40 Jahren nur zwei Kopien für angemessen gehalten, müssten wir uns im Jahr 2015 wohl mit Zwei-Wort-Anrissen begnügen“, so Rohleder. „Wer geglaubt hat, die Debatte um das Leistungsschutzrecht könne nicht mehr absurder werden, der hat sich ganz offensichtlich getäuscht. Wie es aussieht wird der Rechtsstreit dann wohl noch sieben Jahre dauern.“

Der Bitkom erneuerte angesichts des Schiedsspruchs seine Forderung nach einer Abschaffung des Leistungsschutzrechts. Das Leistungsschutzrecht schränke die Informationsfreiheit ein, gefährde die Medienfreiheit und greife in die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der betroffenen Unternehmen ein. Gleichzeitig hätten die Presseverlage auf technischer Ebene auch ohne Leistungsschutzrecht die vollständige Kontrolle, ob und wie ihre Inhalte in Suchdiensten angezeigt werden. „Das Gesetz bewirkt nichts Positives, sondern führt zu einer Vielzahl von aufwändigen, teuren und langwierigen Rechtsstreitigkeiten“, sagt Rohleder. Auch die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes zweifelt offensichtlich an dem umstrittenen Gesetz. So heißt es in dem gestrigen Schiedsspruch, dass „die Wertungswidersprüche angesichts der vorliegenden Gesetzeslage“ sich wohl auch beim besten Willen „nicht befriedigend auflösen lassen“. Rohleder: „Besser kann man nicht zusammenfassen, dass das Leistungsschutzrecht abgeschafft werden muss.“

Mehr als zwei Jahre nach Verabschiedung des umstrittenen Leistungsschutzrechts für Presseverlage durch die schwarz-gelbe Koalition besteht somit noch immer keine Klarheit über seine Anwendung. Hintergrund des Streits sind die Ausschnitte aus Artikeln, die Google in seiner Nachrichtensuche anzeigt. Das 2013 verabschiedete Leistungsschutzrecht, das aber gegenüber früheren Entwürfen deutlich entschärft wurde, nimmt „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ von der Regelung aus, die damit lizenzfrei bleiben. Um genau diese Snippets ging es aber eigentlich bei dem Gesetz. Denn längere oder komplette Texte sind ohnehin durch das Urheberrecht geschützt.

Nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz ist die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für Streitigkeiten zuständig, in denen es um von Verwertungsgesellschaften beanspruchte Vergütungen geht. Ihre Einigungsvorschläge werden verbindlich, wenn die Beteiligten ihnen nicht widersprechen. Bei Widerspruch ist die nächste Runde beim Landgericht auszutragen. In diesem Fall wird der Streit „wahrscheinlich erst in einigen Jahren vor dem Bundesgerichtshof ein Ende finden“, erwartet die Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht (IGEL) – Rechtssicherheit kehre damit noch lange nicht ein.

Auslöser des Streits zwischen Verlagen wie Springer und Suchmaschinenbetreibern war das Angebot Google News. Die VG Media hatte im Namen der von ihr vertretenen Verlage im Juni 2014 eine Beschwerde und Zivilklage auf Grundlage des Leistungsschutzrechts eingereicht, um zu verhindern, dass Suchmaschinen Inhalte ohne Kompensation in ihren Ergebnissen anzeigen. Daraufhin zeigte Google keine Snippets mehr von den an der Klage beteiligten Verlagen an. Nach einbrechenden Abrufzahlen erteilten sie Google allerdings die Einzwilligung zur kostenlosen Nutzung ihrer Inhalte in Form von kleinen Vorschautexten. Viele Online-Portale wie Focus Online, Handelsblatt.com, FAZ.net, Spiegel Online, Stern.de und Sueddeutsche.de hatten sich der Beschwerde der VG Media von vornherein nicht angeschlossen. Die NetMediaEurope GmbH, die die IT-Magazine ZDNet.de, ITespresso.de, silicon.de, CNET.de und übergizmo.de betreibt, wird von der VG Media ebenfalls nicht vertreten.

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