Zorawar Biri Singh, SVP & Chief Technology Officer Platforms & Solutions bei Cisco, hat heute in Berlin mit seiner Eröffnungsrede den offiziellen Auftakt zur Hausmesse Cisco Live gegeben. Darin gab der der Manager, der seit sechs Monaten bei der Netzwerkfirma an Bord ist, einen umfassenden Blick auf die IT-Branche aus seiner Sicht und zeigte auf, wie sein Unternehmen sich gerade an den Schlüsselpositionen wiederfindet und diesen Umstand nutzen will, um auch künftig eine führende Rolle einzunehmen. Zur kürzlich angekündigten Übernahme des IoT-Spezialisten Jasper konnte er noch keine Aussagen machen, da der Übernahmeprozess noch nicht abgeschlossen ist. Danach, so Singh, werde man jedoch der „IT-Welt zeigen, wo es bei IoT in Zukunft langgeht.“
Grundsätzlich steht die IT-Branche laut Singh am Beginn der „vierten Ära der IT“: Nach Mainframes, Client-Server-Computing und der mit der Einführung von Smartphones begonnenen, relativ kurzen Cloud & Mobile-Phase beginne nun die Ära von Internet der Dinge, Analytics und Automatisierung. Dafür ist das Netzwerk – wie bei Cisco nicht anders zu erwarten – natürlich die unverzichtbare Grundlage. Sie wird aber quasi als selbstverständlich vorausgesetzt. Ausführlich gesprochen hat Singh dagegen über die darauf aufbauenden Schichten.
Diese diversen Stacks ordnete er ebenfalls einzelnen Phasen der IT zu. Und selbst wenn manche der bisher genutzten Stacks, an denen auch Cisco beteiligt war, weiterhin Verwendung fänden, so glaube er doch nicht, dass neue, seiner Ansicht nach in erster Linie datenzentrische Applikationen, künftig noch darauf basierend geschrieben würden. Sie bauten vielmehr mit Sicherheit auf neuen Technologien auf: Einer skalierbaren Infrastruktur, einem leichtgewichtigen Linux, einem objektbasierten Filesystem und Container-Technologie.
Damit würde dann der Wechsel von Cloud-befähigten, auf Open Stack basierenden Infrastrukturen auf „Cloud-Native“- Infrastrukturen vollzogen. Wobei wie bereits angedeutet, Cisco offenbar im Zuge seiner Strategie für Hybride Clouds auch „ältere“ Ansätze weiterhin unterstützen will. Der Schwerpunkt liegt jedoch offensichtlich darauf, beim neuen Ansatz die Nase vorne zu haben – und die insbesondere für Anwendungen im Internet der Dinge nutzbar zu machen.
Hierfür hat Cisco enorme Summen investiert, unter anderem durch die Übernahmen von Meraki für 1,2 Milliarden Dollar im Herbst 2012, Jasper gerade jetzt und einige kleinere, aber für die Gesamtstrategie dennoch wichtige Firmen wie das Kölner Unternehmen ParStream. Zum anderen engagiert es sich verstärkt bei der Förderung von Start-ups und dem Aufbau von Ökosystemen, etwa mit der deutschen Firma Azeti Networks, beteiligt sich aber auch an Start-ups im Bereich IoT, zum Beispiel dem Berliner Unternehmen Relayr. Außerdem soll das erst kürzlich von Cisco in Berlin eröffnete Innovationszentrum openBerlin als Drehscheibe für den Austausch mit Start-ups und Kundne sowie Inspirationsquelle für Cisco selbst dienen.
Mit diesem erweitertem Portfolio und Ideen zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen setzt sich Cisco dann verstärkt mit Kunden zusammen, um gemeinsam mit ihnen die Transformation ihrer Prozesse anzugehen. Dieses Vorgehen unterscheidet sich wesentlich von dem der vergangenen Jahre, als ihnen die Aufrüstung der Netzwerke für höhere Bandbreite, die Ergänzung um Funktionen wie Unified Communications oder Videokonferenzen respektive Telepresence sowie die Absicherung der vorhandenen Netzwerke mit Security-Produkten oder die Erneuerung des Rechenzentrums mittels der eigenen Server-Produktreihe UCS empfohlen wurde.
Zorawar Biri Singh dürfte der richtige Mann dafür sein. Er hat nicht nur Erfahrung im Netzwerkbereich (bei Nortel Networks), sondern auch bei großen IT-Firmen mit Consulting-Ansatz (IBM und HP) und vor allem in Führungspositionen bei mehreren Start-ups gesammelt. Diese bringt er nun offensichtlich alle in den Umbau von Cisco ein. Netzwerk ist in den Präsentationsfolien des Managers nur noch einer von mehreren Punkten oder Teil einer Schicht. Im unteren Bereich der Folie. Ihm geht es nicht mehr um die einzelnen Funktionen des Netzwerks, sondern um das, was darauf aufgebaut werden kann.
Das ist clever. Historisch sieht sich Cisco schon immer als Premium-Anbieter und verlangt dementsprechend auch Premium-Preise. Die wurden bislang durch lange Listen von Sonderfunktionen oder speziellen Möglichkeiten gerechtfertigt. Darauf basierende Echtzeit-Anwendungen wie IP-Telefonie oder Videokommunikation dienten dazu – oder standen zumindest in dem Verdacht dazu zu dienen – die Netzwerklast zu erhöhen und so einen Ausbau erforderlich zu machen. Zur Refinanzierung wurden – allerdings oft nur schwer messbare – Produktivitätssteigerungen ins Feld geführt.
In Zukunft ist das anders. Indem alles vernetzt ist, braucht alles Netzwerkanbindung – und damit wird die Netzwerkverbindung unerlässlich. Allerdings lässt sich für viele Szenarien – etwa die Datensammlung durch Sensoren, die Fernsteuerung oder die autonome Selbstverwaltung von Netzwerkgeräten vor Ort schnell und einfach in einen ROI-Wert umrechnen. Kunden zahlen dann gar nicht mehr für das Netzwerk und machen sich über dessen Kosten auch wenig Gedanken. Sie zahlen für die neuen Geschäftsmodelle, die neuen Steuerungsmöglichkeiten und die neuen Geschäftsprozesse, deren Vorteile nicht nur der Netzwerkadministrator, sondern auch die Geschäftsführung sieht.
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