Vertreter von CDU/CSU und SPD haben sich heute Morgen darüber verständigt, die so genannte Störerhaftung für WLAN-Netze abzuschaffen. Das berichtet Spiegel Online mit Verweis auf Quellen. Der vorliegende Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums wurde dahingehend modifiziert, dass auch private und nebengewerbliche Anbieter als Provider aktiv sein und ein ungesichertes WLAN bereit stellen können.
Unter Störerhaftung ist die Verantwortlichkeit des Inhabers für die Online-Aktivitäten von Nutzern zu verstehen, die seinen Anschluss nutzen, um sich mit dem Internet zu verbinden. Eine unklare Rechtslage sorgte hierzulande immer wieder für Streit und Unsicherheit. Cafés und Hotels stellten aufgrund der Haftungsproblematik ungern ihr WLAN-Netz zur Verfügung. Auch WG-Mitglieder mussten befürchten, dass ihre Mitbewohner hohe Strafen für die Gemeinschaft verursachen, wenn sie den Anschluss für Urheberrechtsverstöße nutzen.
Schon in der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Widerstand von CDU/CSU gegen die Abschaffung der Störerhaftung schwand und Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Eile mahnte. Eigentlich hatten sich die Parteien der Großen Koalition schon im Herbst 2013 in der Arbeitsgruppe „Digitale Agenda“ darauf verständigt, Routerzwang und Störerhaftung bei WLANs abzuschaffen und das auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die gesetzlichen Anforderungen blieben aber lange umstritten. Ein im Frühjahr 2015 vorgelegter Gesetzentwurf sah vor, dass Nutzer offener WLANs sich zumindest anmelden und dabei auf einer Vorschaltseite zusichern müssen, dass sie nur legale Inhalte nutzen werden. Kritiker bemängelten, dass damit vorgesehene Identifikations- und Dokumentationspflichten für WLAN-Betreiber dem eigentlich verfolgten Ziel nicht dienlich seien, in Deutschland flächendeckend offene Internetzugänge einzuführen. Juristen monierten zudem, dass die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „zumutbare Maßnahmen“ an dem ebenfalls beabsichtigten Ziel vorbeigehe, mehr Rechtssicherheit für Gewerbetreibende zu schaffen.
Entgegen der Hoffnungen der Kritiker hatte sich an dem Entwurf bis Juni 2015 wenig geändert, als er unter der offiziellen Bezeichnung „Zweites Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes“ zur Neuregelung der WLAN-Störerhaftung der EU-Kommission vorgelegt wurde. Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) lobte damals zwar, dass die Bundesregierung mit der Neufassung die Trennung zwischen Privatpersonen und kommerziellen Anbietern abgeschafft hatte, bemängelte aber zugleich die für beide Nutzergruppen aus seiner Sicht unnötigen bürokratische Hürden.
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Der Verband der Deutschen Internetwirtschaft (eco) war ebenfalls unzufrieden: Das Gesetz bringe im Vergleich zu dem schon im Frühjahr 2015 kritisierten Entwurf keine wirkliche Verbesserung der Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber. Und die Regelung zu sogenannten gefahrgeneigten Diensten sei für Hosting-Anbieter nach wie vor „höchst problematisch“.
Kritik an der Bundesregierung kam jedoch nicht nur aus den Reihen der Industrie. In einem gemeinsamen Schreiben wandten sich kurz darauf auch die Vereine Digitale Gesellschaft und Förderverein Freie Netze sowie der Bundesverband der Verbraucherzentralen an die EU-Kommission und forderten diese auf, das Gesetz zu stoppen. Sie sahen darin einen Verstoß gegen die Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie der EU und gegen europäische Grundrechte.
Die Kritik wurde in der Folge von der Politik aufgegriffen, fand aber zunächst keine Mehrheiten. Im November 2015 scheiterte Thüringen im Bundesrat mit dem Antrag, die WLAN-Störerhaftung komplett abzuschaffen. Immerhin wurde damals aber der Antrag Nordrhein-Westfalens angenommen, die Pflicht für „angemessene Sicherungsmaßnahmen“ aus dem Gesetzentwurf zu streichen. Begründet wurde das mit den schon lange zuvor von Juristen geäußerten Bedenken, dass so nur neue, unbestimmte Rechtsbegriffe eingeführt würden, deren Auslegung dann später bereits absehbar die Gerichte beschäftigen werde. In diesem Sinne hatte sich der Bundesrat schon im Herbst 2012 in einer „Entschließung zur Beschränkung des Haftungsrisikos für Betreiber drahtloser lokaler Netzwerke“ geäußert.
Für die entscheidende Wendung in der Sache sorgte letztlich – wie von Verbänden und Verbraucherschützern gehofft – die EU. Mitte März erklärte Maciej Szpunar, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Betreiber öffentlicher WLAN-Netze könnten nicht für Urheberrechtsverletzungen der Nutzern haftbar gemacht werden. Sie müssten den Zugang auch nicht zwangsläufig per Passwort absichern, wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen war.
Offene WLAN-Netze sind allerdings mit erhöhten Gefahren verbunden, schließlich könnte sich ein Angreifer bereits im gleichen Netz befinden – was Man-in-the-Middle-Angriffe erleichtert – oder ein Netz gleichen Namens aufsetzen, um etwa Daten abzuschöpfen. Sicherheitsbewusste Anwender sollten in solchen Netzen eine VPN-Lösung einsetzen, wie sie zuletzt etwa Opera unbegrenzt kostenlos einführte.
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