Die US-Regierung will sich am EU-Datenschutz-Prozess gegen Facebook als Amicus Curiae (lateinisch „Freund des Gerichts“) beteiligen. Sie beabsichtigt damit, Stellungnahmen aus ihrer Sicht zu den verhandelten Sachfragen abzugeben, obwohl sie eigentlich keine Partei im Verfahren ist. Die Initiative Europe versus Facebook bezeichnet das als ungewöhnlichen Schritt.. Sie hält für wahrscheinlich, dass die US-Regierung ihre Überwachungsgesetze vor europäischen Gerichten verteidigen und die Bedeutung des Verfahrens für die Vereinigten Staaten darstellen will.
In gleicher Weise beratend am Verfahren teilnehmen wollen die Amerikanische Handelskammer, die Business Software Alliance sowie der Lobbyverband Irish Business and Employers Confederation. Viele Mitglieder dieser Organisationen sind betroffen, weil sie auf derselben rechtlichen Grundlage wie Facebook Daten in die Vereinigten Staaten übertragen.
Der österreichische Jurist Max Schrems, der das Verfahren gegen Facebook in Gang gesetzt hat, begrüßt die beabsichtigte Teilnahme der US-Regierung ausdrücklich. „Das könnte eine einmalige Chance für uns sein“, zitiert ihn eine Pressemeldung (PDF) von Europe versus Facebook. „Es ist eine großartige Möglichkeit, endlich solide Antworten in einem öffentlichen Verfahren zu bekommen. Ich freue mich schon, all die unangenehmen Fragen zur US-Massenüberwachung in diesem Verfahren zu stellen. Es wird sehr interessant, wie die US-Regierung auf die klaren Beweise reagiert.“
Die US-Regierung hat noch keine Amicus-Curiae-Schriftsätze eingereicht, wie Schrems gegenüber Ars Technica berichtete – vielmehr sei bei der ersten Anhörung einfach ein von ihr beauftragter Anwalt erschienen. „Sie werden die Dokumente bis zum 22. Juni einreichen können“, sagte er. „Ich glaube, dieser Schritt wird sich als sehr interessant erweisen. Bislang haben die USA behauptet, dass wir alle die US-Überwachung falsch verstanden haben.“
Der überraschende Schritt ist laut Max Schrems jedoch nicht ohne Risiko für die amerikanische Regierung: „Anders als bei diplomatischen Gesprächen mit der EU und EU-Mitgliedsstaaten sowie öffentlichen Erklärungen in den Vereinigten Staaten ist sie nicht durch US-Gesetze zur Vertraulichkeit geschützt und wird unter Eid gestellt. Wer im Namen der US-Regierung Zeugenaussagen macht, könnte daher schwerwiegende Konsequenzen zu tragen haben, wenn er nicht wahrheitsgemäß alle Fragen beantwortet, die zur massenhaften Überwachung in den USA gestellt werden.“
Admin-Tipps für Office 365
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, der im letzten Oktober das Safe-Harbor-Abkommen zwischen der EU und den USA einkassiert hatte, reichte Schrems weitere Datenschutzbeschwerden gegen Facebook ein. Er will damit erreichen, dass die zuständigen Behörden in Irland, Belgien und Hamburg die Übertragung von Daten europäischer Nutzer in die USA untersagen.
Nach Ansicht von Schrems und seinen Anwälten sind nach dem Aus des Safe-Harbor-Abkommens auch die von Facebook und anderen Unternehmen verwendeten Vereinbarungen zu „alternativen Übertragungsmethoden“ ungültig. Sie enthielten ausdrücklich Ausnahmen für illegale „Massenüberwachung“. Auch Privacy Shield als angekündigter Nachfolger des Safe-Harbor-Abkommens stelle keine Lösung dar. Das Urteil des EuGH basiere auf der EU-Charta der Grundrechte, weswegen jede Safe-Harbor-Vereinbarung nicht für eine Massenüberwachung gelte.
„Wir verlangen jetzt mal alle relevanten Akten von der irischen Datenschutzbehörde, welche uns bisher ohne Grund verweigert wurden“, erklärt Schrems jetzt zum EU-Datenschutz-Prozess. „Nachdem wir die Unterlagen von Facebook erhalten haben, können wir dann eine klare Position zum Antrag der Datenschutzbehörde einnehmen. Erst dann können wir einschätzen, ob dieser Fall wirklich zum EuGH gehen muss.“
Tipp: Sind Sie ein Facebook-Experte? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.
Neueste Kommentare
1 Kommentar zu US-Regierung will sich an EU-Datenschutz-Prozess gegen Facebook beteiligen
Kommentar hinzufügenVielen Dank für Ihren Kommentar.
Ihr Kommentar wurde gespeichert und wartet auf Moderation.
Es freut mich, dass Herr Schrems noch immer an den Rechtsstaat glaubt. Facebook kann er damit vielleicht ein bisschen ärgern, gegen die Massenüberwachung kann er nichts tun. Ich gehe davon aus, dass selbst bei bestmöglichen Ausgang für Herrn Schrems das nur eine verbesserte Handlungsbasis europäischer Geheimdienste ist, Gegenleistungen für das Weiterleiten von Daten von den US-amerikanischen Diensten zu bekommen. Selbstverständlich wird das alles im Rahmen der Gesetze – oder genauer der hanebüchenen Auslegung dieser Gesetze durch der europäischen Dienste – sein. Seit einer Aussage eines Geheimdiensmitarbeiters vor dem Untersuchungsausschusses des Bundestags zur NSA-Affäre wissen wir, dass nach Auffassung des BND das Grundgesetz nicht im Weltraum gilt und wenn das der Fall ist, dann gelten die darauf fussenden Gesetze wohl auch nicht.