Intel hat im Kampf gegen die Rekordkartellstrafe der Europäischen Union in Höhe von 1,06 Milliarden Euro Unterstützung von einem führenden EU-Juristen erhalten. Nils Wahl, ehemaliger Richter des Europäischen Gerichtshofs und seit Ende 2012 Generalanwalt des EuGH, stellt in einem am Donnerstag veröffentlichten Gutachten in Frage, dass die Geschäftspraktiken des US-Chipherstellers tatsächlich dem Wettbewerb geschadet haben.
„Intels Beschwerde gegen die Verhängung einer Geldbuße von 1,06 Milliarden Euro wegen Missbrauchs seiner dominanten Marktposition sollte bestätigt werden“, zitiert die Agentur Reuters aus dem Gutachten. „Der Fall sollte für eine neue Beurteilung an das Gericht der Europäischen Union (EuG) zurückgegeben werden.“
Seiner Ansicht nach hat das EuG nicht nachgewiesen, dass die von Intel angebotenen Rabatte und Zahlungen wettbewerbsfeindlich waren und dass bestimmte Absprachen zwischen Intel und dem PC-Hersteller Lenovo europäischen Verbrauchern geschadet haben. Diese Punkte hätten bei der Entscheidung der EU-Kommission im Jahr 2009 eine entscheidende Rolle gespielt, heißt es weiter in dem Bericht.
2014 hatte das EuG Intels Klage gegen das Kartellurteil von 2009 in vollem Umfang abgewiesen. Das Gericht begründete die Klageabweisung damit, dass es sich bei den von Intel gewährten Rabatten an Dell, HP, NEC und Lenovo um Exklusivrabatte handelte. Diese waren an die Bedingung geknüpft, dass nahezu nur Intels x86-Prozessoren gekauft werden dürfen. „Von einem Unternehmen in beherrschender Stellung gewährte Exklusivitätsrabatte sind bereits ihrer Art nach geeignet, den Wettbewerb zu beschränken und die Wettbewerber aus dem Markt zu drängen“, erklärten die Richter. Im beanstandeten Zeitraum von 2002 bis 2007 hatte Intel mindestens einen Marktanteil von 70 Prozent.
Auch die Zahlungen an Media-Saturn waren demnach geeignet, AMDs Wettbewerbszugang zu blockieren. Intel hatte die Bedingung gestellt, dass nur Computer mit den eigenen x86-Prozessoren in Geschäften von Media-Saturn verkauft werden. Intels Vereinbarungen mit HP, Acer und Lenovo, AMD-Produkte später oder überhaupt nicht auf den Markt zu bringen, eigneten sich nach Meinung des Gerichts ebenfalls dazu, den Markteintritt von AMD zu erschweren.
Aus der Urteilsbegründung ging auch hervor, dass Intel keine schlüssigen Argumente liefern konnte, dass die verhängte Geldstrafe unverhältnismäßig ist. Zudem wies das Gericht darauf hin, dass die Kommission sich am unteren Ende der möglichen Strafen orientiert hatte. Sie habe die Geldbuße auf 4,15 Prozent von Intels Jahresumsatz festgelegt. Die Obergrenze liegt bei 10 Prozent.
„Das Maß, in dem der Generalanwalt der EU-Kommission widerspricht, ist erheblich. Das Gutachten des Generalanwalts sagt, dass die Kommission die von Intel gelieferten Beweise völlig falsch verstanden hat“, zitiert Reuters den Rechtsexperten Ian Giles, Partner der Londoner Kanzlei Norton Rose Fulbright. „Angenommen das Gericht folgt diesem Gutachten, dann wäre das aus kartellrechtlicher Sicht ein gutes Ergebnis, das die Kommission dazu bringen könnte, laufende Verfahren anders zu beurteilen.“
Die Einschätzung des Generalanwalts ist für den Europäischen Gerichtshof jedoch nicht bindend. In den meisten Fällen folgt das Gericht aber seinem Rat.
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