Eine vermisste Person identifizieren, die Personalien überprüfen und Einblick in frühere Delikte eines Verdächtigen gewinnen: Streifenpolizisten benötigen während ihrer Arbeit laufend Informationen, die im Polizeicomputer liegen. Anstatt die Daten über ein Smartphone oder Tablet abzurufen oder per E-Mail zu empfangen, werden diese üblicherweise per Funk bei der Leitstelle abgefragt. So auch bei der Polizei Niedersachsen. „Die als Schutz bereitgestellten Sicherheitsmechanismen von herkömmlichen mobilen Geräten reichen nicht aus“, erklärt Peter Rost von Rohde & Schwarz Cybersecurity den Grund für diese Vorsichtsmaßnahme. „Vertrauliche Daten lassen sich deshalb ganz einfach auslesen.“
Vor allem gegen die Ausnutzung von „Zero Day Exploits“ oder „Advanced Persistant Threats“ (APTs) bieten die Schutzmechanismen von handelsüblichen mobilen Geräten keine adäquate Abwehr. Zero-Day-Exploits erkennen und nutzen Sicherheitslücken, noch bevor diese geschlossen werden können – mit fatalen Folgen für die gespeicherten Daten.
Funkabfrage ist keine Alternative
Die Abfrage per Funkgerät bei der Leitstelle ist für die Streifenpolizisten allerdings keine wirkliche Alternative – denn diese ist zeitintensiv und oft auch ungenau. Ein Foto kann beispielsweise nur beschrieben werden. Hinzu kommt ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Beamten. „Angenommen, ich habe einen Verdächtigen und möchte seine Personalien überprüfen“, beschreibt Polizeikommissarin Christel Schuchardt von der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen das Problem. „Dann muss ich für die Funkabfrage mit der Leitstelle möglichst ungestört sein. Ich muss mich also von ihm entfernen. Das birgt immer auch ein Angriffs- oder Fluchtrisiko.“
Die Polizei Niedersachsen hat diese Probleme nun als erste Polizeibehörde gelöst. Seit August sind 500 vom deutschen IT-Sicherheitsunternehmens Rohde & Schwarz Cybersecurity speziell ausgestattete Tablet-Computer in sieben Polizeidirektionen und 33 Polizeiinspektionen im Einsatz. Mit diesen so genannten „BizzTrust Tablets“ haben die Polizisten von überall sicheren Zugriff auf die Daten des Polizeiservers.
BizzTrust senkt die Fehlerquote
„Wenn ich BizzTrust statt der Leitstelle nutze, sehe ich direkt ein Foto auf dem Tablet und kann es mit dem Aussehen meines Gegenübers abgleichen“, schildert Polizeikommissar Dennis Karp vom Polizeikommissariat Misburg, das zur Polizeidirektion Hannover gehört, die Vorteile der neuen mobilen Lösung. „Das ist eine enorme Arbeitserleichterung. Nicht zuletzt senkt die Nutzung von BizzTrust die Fehlerquote.“ Außerdem lassen sich die Personalien – anders als bei einem Gesprach per Funk – direkt in der Nähe des Verdächtigen abgleichen.
BizzTrust Tablets nutzen als Betriebssystem Android. Sie sind allerdings durch einen gehärteten Sicherheitskern mit besonders starken Sicherheitsmechanismen geschützt. Außerdem kommt eine Geräteverschlüsselung mit AES-XTS 256 zum Einsatz.
Ein zusätzlicher Schutz entsteht dadurch, dass das Gerät in einen offenen („Personal“) und einen sicheren, geschäftlichen Bereich „(Business“) getrennt ist. Alle Anwendungen und Daten sind auf diese Weise streng voneinander getrennt. Nutzer können deshalb nach Belieben eigene Apps verwenden, ohne dass diese auf sensitive Daten zugreifen können.
Sicherheit durch Trennung in Business und Personal
Die Trennung zwischen „Business“ und „Personal“ ermöglicht auch den sicheren Zugriff auf E-Mails, Kontakte, Kalender und das Intranet. Aus dem „Business“-Bereich wird dafür die Verbindung über einen sicheren (IPsec) VPN-Tunnel hergestellt. Auch der Zugriff auf externe Webseiten erfolgt im Business-Bereich über die zentrale Firewall, die gefährliche Inhalte ausfiltern kann. Die Nutzer der Polizei Niedersachsen haben so Zugriff auf das Intranet und alle Applikationen, die sie im Alltag benötigen.
Vor allem wenn es schnell gehen muss, ist BizzTrust eine große Hilfe. Polizeikommissar Thomas Focke beschreibt dazu folgendes Szenario: „Wir haben eine routinemäßige Fahrerkontrolle durchgeführt. Ich hatte den Eindruck, dass der Fahrer unter Einfluss von Rauschmitteln stand. Beim Abgleichen der Personalien mit BizzTrust habe ich sehen können, dass der Fahrer wegen Besitz von Rauschgift bereits vorbestraft war. So konnte ich direkt handeln.“
Keine Schulung notwendig
Bislang ist das Angebot für die niedersächsischen Beamten optional. Dass die BizzTrust-Tablets sehr gut angenommen werden, liegt auch daran, dass das System einfach zu nutzen ist. Die Polizeibeamten finden die identischen Anwendungen vor, die sie von ihren Rechnern im Büro kennen. „Eine Schulung ist zur Benutzung von BizzTrust nicht nötig“, erklärt Steve Schuchardt, Polizeioberkommissar und Sachbearbeiter Systemintegration. „Wir haben aber für jedes Gerät einen Gerätepaten bestimmt, der eine kurze Einweisung vornimmt und bei Fragen und Problemen zur Seite steht. Wir legen Wert auf den direkten Kontakt im Support – das schafft auch die hohe Akzeptanz bei den Nutzern.“
Sicherheitsrisiken in öffentlichen WLANs vermeiden – auch im Urlaub
Für die Beamten bedeutet das Tablet zudem eine enorme Zeitersparnis: Was früher handschriftlich notiert und am Abend im Büro abgetippt werden musste, kann jetzt schon unterwegs eingegeben und hochgeladen werden. Alle dafür notwendigen Formulare stehen auf dem Gerät zur Verfügung. Der lästige Papierkram nach Dienstschluss erübrigt sich damit.
Niedersachsen hat Vorbildfunktion
Während aktuell jeweils zwei Tablets in den Kommissariaten im Einsatz sind, soll künftig jeder Kommissar über ein personalisiertes Tablet verfügen. Zudem plant die Polizei Niedersachen einen eigenen App-Store, sodass die Nutzer auch den persönlichen Bereich ihres Tablets mit den von ihnen benötigten Apps nutzen können.
Der Einsatz der neuen Technologie hat sich bereits herumgesprochen: „Mehrere Polizei- und Verwaltungsbehörden sowie der Zoll haben uns bereits besucht, um BizzTrust live im Einsatz zu sehen“, so Polizeihauptkommissar und Teilprojektleiter Mark-Stephan Röhrig. „Nur Niedersachsen verfügt bislang über eine derart sichere mobile Lösung für Streifenbeamte. Wir haben hier eine echte Vorbildfunktion.“
Android und das Update-Problem
Nach der "Mutter aller Sicherheitslücken" in 2015, dem sogenannten Stagefright-Bug, versprachen die Hersteller Besserung in Form von monatlichen Sicherheitsupdates. Allerdings gibt es nur wenige Firmen, die diese Ankündigung in die Tat umgesetzt haben.
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10 Kommentare zu Polizei Niedersachsen: Mit dem Tablet auf Streife
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Wer über die Polizei im allgemeinen schimpft, hat insgesamt ein Problem mit unseren Rechtsstaat. Schon Goethe hatte dazu eine einfache Meinung: „wem es bei uns nicht gefällt dem steht es jederzeit offen in ein anderes Land zu wechseln“. Ich bin froh das es Polizei gibt, die sich leider sehr oft mit wirklich assozialen Menschen rumärgern müssen und sich beleidigen und schlagen lassen sollen. Und diese Randalierer agieren meist anonym aus der Masse heraus, also feiger Abschaum. Wenn Herr Peter Pan nur halbwegs soviel Bildung und Toleranz besitzen würde wie ein Durchschnittspolizist dann würde er nicht so argumentieren sondern erst denken und dann reden.
@Hugo,
dem ist nichts hinzuzufügen. 1+
@Uwe Du hast recht. Sinnvoller sind die Steuergelder in Überwachung der Polizei investiert, sonst denken die noch, dass sie alles dürfen!
Zudem dürfte die Hälfte aller Beamten nicht mal wissen, was sie damit machen sollen. Die können nur Schlagstock und Co. bedienen:-(
In wenigen Jahren wird jeder Polizeibeamte einen Helfer haben, der seine Ausrüstung trägt. Schon jetzt können schlanke Beamte nicht alles am Gürtel Tragen, auf die Schulter kommt noch eine Kamera mit Akkupack usw.
Bei uns in Deutschland sind die wenigsten Beamten zu fuß unterwegs, und einem Streifenwagen werden diese 300gramm mehr herzlich egal sein.
Zum Artikel: eine sinnvolle Ausgabe, denn die Zeit die Eingespart wird, kostet viel mehr als das Tablet, wahrscheinlich hat sich das Tablet und n weniger als einem Jahr schon bezahlt gemacht.
@mstroh
Woher willst du das wissen ?
Diese Tablets sind nicht mit der von Sony gelieferten Androidversion versehen, sondern mit einer speziellen Gesicherten Version von Android einer Drittfirma, im dem Artikel steht weder was von Updatezeit noch was für eine Oberfläche das Gerät hat. Rein theoretisch wäre eine ganz einfache Oberfläche nur für diesen einen Zweck möglich und eine Updatezeit von mehr als vier Jahren.
Also ist deine Aussage nichts weiter als deine Meinung aufgrund von mangelnder Information.
Die deutschen Behörden werden bestimmt mehrere Alternativen angesehen haben bevor es den Zuschlag gab, und sich dann gezielt gegen IOS entschieden haben, vielleicht auch wegen der weniger guten Anpassbarkeit, denn um IOS richtig anzupassen muß ich es Jailbreaken und dann ist die Sicherheit beim Teufel.
Bei uns in der Schweiz arbeitet die Polizei mit iPads.
iOS ist viel sicherer und wird zuverlässig und lange mit Updates versorgt.
Die Bedienung ist auch einfacher.
Android ist in diesem Umfeld das falsche Betriebssystem.
Verschwendung von Steuergeldern!
Finde ich überhaupt nicht. Eine sehr sinnvolle Ausgabe. Dafür zahle ich sogar ausnahmsweise mal gerne Steuern.;)