Das Oberverwaltungsgericht Münster hat die ab 1. Juli geltende Regelung zur Vorratsdatenspeicherung bestimmter Verkehrs- und Standortdaten von Nutzern von Internet- und Telefondiensten gekippt. Die im Dezember 2015 eingeführte Pflicht ist nach Ansicht der Richter nicht mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Einer Pressemitteilung zufolge ist der Beschluss „unanfechtbar“.
Konkret geht es um den Paragraph 113a des Telekommunikationsgesetzes. Er sieht eine „Verpflichtung zur Speicherung der Verkehrsdaten“ vor. Ab 1. Juli sollten Anbieter Verkehrsdaten wie Rufnummern sowie Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende einer Verbindung für mindestens zehn Wochen vorhalten. Das sollte auch für die Verkehrsdaten von Kurz- und Multimedianachrichten gelten – auch im Fall von erfolglosen Kommunikationsversuchen. Auch IP-Adressen sowie Benutzerkennungen von Internetnutzern sollten die Diensteanbieter auf Vorrat speichern. Für Standortdaten sollte eine Aufbewahrungsfrist von vier Wochen gelten.
Ein erster Anlauf, europaweit eine Vorratsdatenspeicherung einzuführen, war im April 2014 am Veto des Europäischen Gerichtshofs gescheitert. Die damalige EU-Richtlinie ging den Richtern zu weit. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten. Deswegen müsse die Vorratsdatenspeicherung auf das absolut Notwendige beschränkt werden.
Knapp ein Jahr später dementierte Justizminister Heiko Maas Berichte, die Bundesregierung plane ein neues Gesetz zur Datenspeicherung. Einen deutschen Alleingang lehnte er zu dem Zeitpunkt ab. Stattdessen bemühe sich die Bundesregierung um eine „belastbare Aussage“ der EU-Kommission, ob sie eine neue Richtlinie zu dem Thema plane. Kurz darauf legte Maas trotzdem einen eigenen Entwurf vor, der schließlich in einer modifizierten Fassung von Bundestag und Bundesrat Ende 2015 verabschiedet wurde.
Bereits im Dezember 2016 untersagte der Europäische Gerichtshof die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union. Er bestätigte erneut einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte. Die Richter definierten aber auch Ausnahmen: Bei einer konkreten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder für die Bekämpfung schwerer Straftaten dürften auch weiterhin Daten gesammelt und gespeichert werden.
Diese Entscheidung setzte das Oberverwaltungsgericht nun mit seinem gestrigen Beschluss um. Da die Speicherpflicht in Deutschland pauschal die Verkehrs- und Standortdaten nahezu aller Nutzer von Telefon- und Internetdiensten umfasse, sei sie nicht mit dem Urteil aus Luxemburg vereinbar. Die Maßgabe, dass Behörden nur zum Zweck der Verfolgung schwere Straftaten beziehungsweise zur Abwehr schwerwiegender Gefahren Zugang zu den gespeicherten Daten erhielten, sei nicht ausreichend, um das Verbot der anlasslosen Speicherung zu kompensieren.
„Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Aber jetzt ist es an der Zeit für eine Grundsatzentscheidung, um die Vorratsdatenspeicherung endgültig zu stoppen, andernfalls laufen die Unternehmen Gefahr, ein europarechts- und verfassungswidriges Gesetz umsetzen zu müssen und damit Gelder in Millionenhöhe in den Sand zu setzen“, kommentiert Oliver Süme, Vorstand für Politik und Recht beim Verband der Internetwirtschaft Eco. „Die Vorratsdatenspeicherung ist eine netzpolitische Fehlentscheidung, vor der wir in der Vergangenheit immer wieder gewarnt haben und die vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte“.
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8 Kommentare zu OVG Münster: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen EU-Recht
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Wenn die liebe Autoindustrie solche Daten aber mit den Garantiebedingungen verknüpft und die Garantie nicht gewährt wenn sie keinen Zugriff auf diese Daten bekommen dann wird das Kleingedruckte zum Erpresserbrief.
…macht die Autoindustrie denn dieses?
In den Verträgen wird sicher nicht so etwas stehen wie: „Ohne Daten keine Garantie!“ Es würde sicher in etwa so klingen: „Wir nutzen die erhobenen Daten zu Verbesserung der Fahrzeuge und unseres Services!“ Die Garantie wird an dieser Stelle ganz bestimmt überhaupt nicht erwähnt werden. Und zack – unterschrieben, die Daten, die Dein „Eigentum“ produziert, gehören dem Hersteller!
Nochmal Zustimmung.
So „dämlich“ wird die Autoindustrie ganz bestimmt nicht sein, und den Kunden so direkt darauf zu stoßen.
Das Thema wird in ein, maximal zwei unverfänglichen Sätzen behandelt, der Kunde sieht nichts auffälliges und unterschreibt.
Es wird Zeit, dass Parteien und Politiker, die ständig verfassungswidrige Gesetze beschlie0en auch bestraft werden. Eine Abstrafung an der Wahlurne findet ja leider nicht statt. Die Presse die bei anderen Parteien ja gerenmal ein „populitisch“ davorsetzt könnte ja auch bei CDU/CSU und SPD ein „verfassungsfeindlich“ davor setzen.
Dieses Gesetzt sollte jetzt auch bei Autokonzernen Anwendung finden, die die Daten unserer modernen Autos in Echtzeit oder beim Werkstattbesuch unerlaubterweise auslesen. Es sind Daten die mein Eigentum produziert und die gehören nur mir. Kein Autohersteller sollte ohne meine Genehmigung solche Bewegungsdaten auslesen dürfen.
…hast Du in Deinem Kaufvertrag auch das Kleingedruckte gelesen?
Ich meine, könnte ja sein, dass Dein „Eigentum“ etwas produziert, was laut Vertrag dem Verkäufer/Hersteller gehört.
Da stimme ich Dir zu. Das wird, wenn IoT erstmal richtig in Fahrt kommt, sehr oft der Fall werden, und es werden, wie woanders auch, nur sehr wenige Leute das Kleingedruckte lesen.
Passiert natürlich alles nur zum Nutzen des Verbrauchers. ;)
Zeigt eigentlich nur, daß Politiker in vielen Dingen einfach überfordert sind. Aus welchen Gründen auch immer.
Zum Glück gibts es Richter die anscheinend mehr Ahnung haben und diese Fehlleistungen per Urteil unerbinden.