[Gastbeitrag] Als im Juni 2017 die Meldung über die Nachrichtenticker lief, war die Überraschung groß: Nach jahrelanger Untersuchung verhängte die EU-Kommission wegen des Vorwurfs der Wettbewerbsverzerrung gegen Google eine Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro. Das Unternehmen habe seine Marktposition als Suchmaschine zum Vorteil der eigenen Produktsuche Google Shopping missbraucht und Wettbewerber bei Suchergebnissen bewusst schlechter gestellt, so die Einschätzung der Wettbewerbskommissare. Google reagierte prompt und legte gerichtlich Widerspruch ein.
Ein endgültiges Urteil der EU steht noch aus – und es könnte womöglich härter ausfallen als das vorläufige. Denn die Absicht der Tochter von Alphabet, Google Shopping als eigenes Unternehmen auszulagern und unter den gleichen Bedingungen wie Wettbewerber um Anzeigenplätze bieten zu lassen, hat die Situation nicht wirklich verbessert. Das machen die aktuellen Beschwerden der Konkurrenz deutlich, deren Unmut sich zudem durch Zahlen unterstreichen lässt.
Google Shoppings Methode: eindeutig zweideutig
Die Kritik der Wettbewerbsverzerrung gegenüber Googles Shopping-Dienst hält bereits seit Jahren an und auch einige Statistiken gehen in diese Richtung. Die vorhandenen Zahlen lassen den Schluss zu, dass der Markt für Online-Preisvergleichsportale in Europa in den letzten Jahren zunehmend von Google Shopping dominiert wurde.
So veröffentlichte bereits Ende September 2017 der SEA-Spezialist Searchmetrics eine eigene Analyse der Visibility-Zahlen von Google Shopping und dessen Konkurrenten. Anhand der Statistiken aus drei Ländern (Deutschland, Frankreich, Großbritannien) von Anfang 2013 bis Mitte 2017 lassen sich gleich mehrere Schlüsse ziehen: So konnte der Dienst aus Mountain View im genannten Zeitraum die Sichtbarkeit seiner Produktanzeigen – abgesehen von einigen Ausnahmen – kontinuierlich steigern. Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien lag die Visibility damals deutlich vor der Konkurrenz. In Deutschland lagen die Wettbewerber zum damaligen Zeitpunkt etwa gleichauf.
Unter Berücksichtigung aller drei Länder und der Differenz zwischen dem Anfangs- und Endwert der Visibility konnte Google Shopping insgesamt ein Plus von über 300 Prozent für sich verbuchen – dagegen mussten die Wettbewerber zur gleichen Zeit ein Minus von rund 60 Prozent verkraften. Auch aktuell hat sich daran nicht viel geändert: Die neuesten Zahlen zu Großbritannien und Deutschland zeigen, dass die Mitbewerber von Juni bis Dezember 2017 jeweils noch einmal zwölf Prozent an SEO Visibility verloren haben.
PLA-Ranking: Vorteil Google Ein Vorwurf der EU-Kommission lautet, dass Google seine Quasi-Monopolstellung als Suchmaschine dazu nutze, die eigenen Product Listing Ads (PLA) unverhältnismäßig vorteilhaft zu ranken. Und tatsächlich erscheinen die Anzeigen der Shopping-Sparte des Unternehmens vorwiegend und kaum übersehbar auf der ersten Seite. Dass die Konkurrenz weit weniger gut wegkommt, bestätigten schon bei der ersten Analyse die Zahlen von Searchsmetrics: In Frankreich gelang den Wettbewerbern eine Platzierung auf Seite eins zu lediglich rund 7 Prozent, in Deutschland in nur rund 11 Prozent der Fälle. Eine Ausnahme bildete Großbritannien mit fast 15 Prozent.
Viel häufiger trafen potenzielle Kunden auf den abgeschlagenen Seiten vier und fünf auf die Anzeigen der Wettbewerber: Mit rund 42 Prozent – und damit weniger als der Hälfte – erreichten sie in Großbritannien noch das beste Ergebnis, dahinter lag Deutschland mit 51 Prozent. Traurige Spitzenposition hatte die Konkurrenz aus Frankreich inne, denn hier landeten etwa 60 Prozent ihrer Anzeigen nur am Katzentisch.
Hat sich an der Situation viel geändert, seitdem Google Shopping selbst um die Positionierung der PLAs mitsteigern muss? In allen Produktkategorien hindurch erscheinen durchschnittlich nur 0,4 Prozent an Konkurrenzanzeigen in Großbritannien – in Deutschland liegt die Zahl auch nur bei 2,0 Prozent, so die Analyse von Searchmetrics. Für echte Vielfalt scheint das neue Auktionsmodell jedenfalls nicht zu sorgen.
Klick dich reich?
Ist der Fall damit gelöst? Keineswegs. Denn die aktuellsten Zahlen des französischen SaaS-Anbieters BeezUP eröffnen einen ganz anderen Blickwinkel: Statt auf das Ranking oder die Visibility zu schauen, misst der Feed-Management-Spezialist die Performance aus Klicks und Sales-Gegenwert, die Online-Händler über die Vergleichsplattformen erreichen können. Dabei fungierte Google Shopping in den letzten Jahren als regelrechter Klickmagnet: Noch im September 2016 lag das Klick-Verhältnis zwischen Google Shopping und dessen nächstem Konkurrenten in Großbritannien bei 10 zu 1, in Frankreich lag es bei 3 zu 1, in Deutschland bei rund 2 zu 1.
Laut der jüngsten Statistiken vom Juni 2017 liegt das Verhältnis in Frankreich derzeit bei 4 zu 1, in Deutschland noch immer bei 2 zu 1 und in Großbritannien bei 6 zu 1. Der Riese aus dem Silicon Valley schafft es also noch immer, deutlich mehr Klicks auf die eigenen Angebote zu lenken. Wirklich interessant wird es hingegen beim Blick auf die Performance. Denn hier schwächelt Google Shopping insgesamt.
Viel Input, wenig Output
Trotz der hohen Klickzahlen im Vergleich zur Konkurrenz gelingt es dieser, sich erfolgreich gegen den US-Primus zur Wehr zu setzen. In Frankreich generiert etwa der Spitzenreiter Idealo pro Klick einen Sales-Gegenwert von 6,99 Euro, dahinter landet Criteo mit einem Wert von 2,97 Euro. Google Shopping erreicht lediglich die Performance von 1,55 Euro pro Klick. In Deutschland findet sich ein ähnliches Bild: Auch hier hat Idealo mit einem Wert von 4,19 Euro die Top-Position inne, gefolgt von Guenstiger.de mit 1,35 Euro und Google Shopping mit 1,01 Euro. Unter den drei Vergleichsländern schafft der Internet-Gigant es nur in Großbritannien mit 1,09 Euro auf den zweiten Platz. Dahinter folgt Idealo mit 0,51 Euro, während der Spitzenreiter Pricerunner 1,16 Euro erreicht.
Folgt man den Zahlen von BeezUP, hält Google Shopping seit Jahren an dieser Strategie fest. Frei nach dem Motto, mit den ganz großen Kanonen am Ende nur Spatzen abzuschießen.
Demzufolge ist der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung auch nicht mehr ganz so eindeutig, wie die Statistiken von Searchmetrics zunächst glauben machen. Allerdings können auch die Zahlen von BeezUP keine abschließende Wahrheit liefern. Schließlich handelt es sich nur um die Werte der eigenen Kunden und nicht um die des gesamten Marktes. Die Zahlen bieten allerdings eine gute Orientierungshilfe.
Google Shopping ändert sich – auf dem Papier
Angesichts des vorhandenen Zahlenmaterials aus der jüngeren Vergangenheit sowie der Beschwerden der Konkurrenz dürfte es interessant werden, wie die EU-Kommission mit der Situation umgehen wird. Denn obwohl diese Google Shopping strikt zu einem fairen Wettbewerb angehalten hat, scheint Alphabet das Verfahren nur ungenügend transparent gestaltet zu haben und der Konkurrenz nur eine unzureichende Zahl an guten Platzierungen bereitzustellen. Dieses Verhalten würde naturgemäß den ROI für Wettbewerber fallen lassen. Andere Anbieter könnten die Übersicht verlieren und sich womöglich in einem Abnutzungskampf wiederfinden, während Google Shopping dank der totalen Übersicht deutliche Vorteile genießt.
Auch die Kommission selbst scheint zunehmend Zweifel an Googles Einsicht zu hegen: So erklärte die zuständige Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Interview mit CNBC, man registriere die Situation wie sie sich etwa in der Google Shopping Box darstelle und habe eine ganze Menge an Daten von Google angefordert. Zudem sei die Kommission bereit, im Falle einer nicht-erfüllten Compliance dem Unternehmen auch Tagessätze aufzuerlegen. Welche Entscheidung am Ende auch getroffen wird, die Situation bleibt interessant.
Strategie für Online-Händler
Kunden können damit rechnen, auch in Zukunft die freie Auswahl zu haben, über welche Wege sie ihre Wunschware ergattern – ganz gleich welchen Einfluss die Änderungen des Mutterkonzerns Alphabet ausüben werden. Doch wie sieht es für Online-Händler aus? Auch wenn Google Shopping beim Bieten um Anzeigenplätze in Zukunft mehr Transparenz an den Tag legen sollte, ist kaum davon auszugehen, dass das Unternehmen einen 180 Grad Strategiewechsel hinlegen wird. Die dort geschalteten Anzeigen sorgen in erster Linie für hohen Traffic. Auf der anderen Seite liefern konkurrierende Preisvergleichsportale qualitativ hochwertigere Klicks. Online-Händler sollten daher drei wesentliche Tipps beachten:
- Performance macht den Unterschied: Auch das schönste Schaufenster bringt nicht viel, wenn die Kunden nur gucken, aber nichts kaufen. So verhält es sich auch mit Klicks. Deshalb müssen Händler stets die Performance ihrer Produkte im Auge behalten, um ihr Geld effizient zu investieren.
- Multi-Channel-Strategie: Die meisten Kunden wollen sich nur ungern auf wenige Verkaufskanäle einschränken. Daher setzt eine erfolgreiche E-Commerce-Strategie neben dem eigenen Shop und Marktplätzen wie Amazon oder eBay auch auf verschiedene Vergleichsportale. So können Händler nicht nur hohen, sondern durch kluge Auswahl auch hochwertigen Traffic generieren.
- Überblick durch Tools: Um die Performance von Produkten im Auge zu behalten und rechtzeitig auf Kundenansprüche zu reagieren, helfen Datafeed-Management-Tools. So können Händler etwa schlecht laufende Produkte frühzeitig aus Verkaufskanälen entfernen und damit die Gesamtperformance laut BeezUP im Schnitt um rund 30 Prozent erhöhen. Eine breite Multi-Channel-Strategie ist damit möglich, ohne Zeit, Geld oder andere Ressourcen zu verschwenden.
Über den Autor: Michel Racat
Michel Racat ist Gründer von BeezUP. Er verfügt über umfassende Erfahrung und Expertise im Multi-Channel-Online-Marketing und der Platzierung von Produktkatalogen auf allen wichtigen E-Commerce-Plattformen. Darüber hinaus besitzt Michel Racat breites Know-how in Bezug auf den aktuellen internationalen E-Commerce-Markt und die neuesten Trends in diesem Bereich.
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1 Kommentar zu EU-Verfahren gegen Google Shopping – auf zur zweiten Runde
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google zu verklagen ohne eigenes silikon-valley konzept, ohne eigen wettbewerbsfaehige suchmaschine…hat etwas von futterneid, zumindest ein geschmäckle…. es reicht nicht deutsche it-firmen zu subventionieren. solange die eu-brd ein solches gema-gez-wlan-haftunngs-copyright-gesetzeswadserkopf hat der jede kreativitaet im gesetzessumpf erstickt, braucht man sich ueber die erfolge californiens nicht wundern….