Als im vergangenen Jahr das Ende der Cebit verkündet wurde, war das nur der vorhersehbare Abschluss einer langjährigen Negativentwicklung. Das liegt aber nicht daran, dass die IT mittlerweile bedeutungslos ist, eher im Gegenteil: Sie dringt inzwischen so tief in fertigungstechnische, logistische und andere industrielle Wertschöpfungsprozesse ein, dass es ganz einfach nicht mehr sinnvoll ist, das Thema in Form einer separaten Großveranstaltung abzuwickeln.
Es deutet sich für die Zukunft eine Struktur an, in der Spezialthemen wie Embedded, Security, Hochleistungsrechnen, Rechenzentrums- und Cloud-Technik und so weiter in kleineren, fokussierten Veranstaltungen behandelt werden, während auf der HMI zu sehen ist, wie diese Technologien wirken, wenn sie sich in der betrieblichen Landschaft an den unterschiedlichen Stellen entfalten.
Insofern ging es auf der HMI in diesem Jahr auch weniger um Sensationen, sondern um handfeste Informationen darüber, was bereits funktioniert und wo es noch hakt. Dafür gab es an unterschiedlichen Stellen mit sehr hochkarätigen Rednern bestückte Vortragszentren zu diversen Themen. Eines der wichtigsten war hier sicher die 5G-Arena in Halle 16. Dort ging es um den derzeitigen Umsetzungsstand von 5G gerade im industriellen Umfeld und den Hindernissen, die diesem noch im Wege stehen.
Auf der 5G-Arena wurden von zahlreichen Unternehmen Prototypen, Modelle, aber auch reale Fertigungsmaschinen gezeigt, die nach Industrie-4.0-Methoden arbeiten und vernetzt sind. Bei letzterem soll 5G gerade in Deutschland in Form sogenannter Campus-Netze eine wichtige Rolle spielen. Erste Prototypen laufen beispielsweise in einer Osram-Fabrik in Schwabmünchen, hier realisiert von der Telekom. Indem sich die TK-Provider als Betreiber solcher Infrastrukturen, die meist als Slice in öffentlichen 5G-Netzen laufen werden, profilieren, versuchen sie potentielle Verdienstausfälle zu kompensieren. Slicing bedeutet, dass – ähnlich einem VPN – eine komplett getrennte „Scheibe“ beispielsweise eines Unternehmens in einem öffentlichen 5G-Netz definiert wird. Auf diesen Slice hat dann ausschließlich das Unternehmen Zugriff.
Verdienstausfälle entstehen den Providern möglicherweise dadurch, dass für die Industrie überhaupt komplett getrennte Infrastrukturen erlaubt werden. Hierfür gibt es mit dem Frequenzband zwischen 3,7 und 3,8 GHz zumindest in Deutschland auch bereits verfügbares Spektrum, das den öffentlichen Netzen entzogen ist.
Das ermöglicht, dass vielleicht auch andere Chancen auf diesem Markt haben: So plädierte Sander Rotmensen, bei Siemens System Manager Industrial Wireless Communication, nachdrücklich für einen komplett getrennten Betrieb der industriellen 5G-Infrastrukturen. Nokia zeigte innerhalb seines Bereichs in der 5G-Arena eine Kombination aus Dell-EMC-Edge-System und 5G-Antenne, die in der Nokia-Fabrik in Oulu bereits als Prototyp für die Automatisierung des Fertigungsablaufes läuft und so bald auch Kunden angeboten werden soll.
Allerdings wird die industrielle 5G-Implementierung wohl erst wirklich abheben, wenn im Sommer 2019 3GPP Release 15 verabschiedet wird. Denn erst diese Version bietet die Verzögerungen im Mikrosekundenbereich, die bei der Echtzeitsteuerung von Prozessen benötigt werden. Mit dem für Sommer 2020 erwarteten Release 16 sind dann auch die letzten Feinheiten für den industriellen Einsatz weitgehend umgesetzt. Release 17 befindet sich noch in der Phase der Anforderungsdefinition.
Gerade für Szenarien, in denen sich Anwender offenhalten möchten, ob sie diese oder jene Vernetzungsform wählen, hat sich Huawei ein Art Access Point mit einer bis dahin kaum realisierten Technologievielfalt ausgedacht, den man noch dazu sehr einfach befestigen kann. Das Gerät unterstützt neben 5G diverse andere kabelgebundene und kabellose Übertragungstechniken für den Nahbereich, die parallel arbeiten können. Ob die Versuche, die Sicherheitsbedenken europäischer Anwender durch eine Offene-Code-Politik zu zerstreuen, fruchten werden, ist zweifelhaft: der Huawei-Stand war trotz einer überfüllten PK eher wenig bevölkert.
Zwei weitere große IT-Themen dominierten auf der Messe: Der Einsatz von KI und Maschinenlernen sowie das Edge-Computing in vielen Varianten
Wie stark sich neue Ideen gerade für den Bereich IoT/Industrie 4.0 auf die endlich ausreichend leistungsfähigen Softwaretechnologien zur Wissensverarbeitung stützen, war beispielsweise in Halle 13 zu erfahren, wo sich der Young Tech Enterprises Startup Hub befand. Einige Beispiele: Gerotor zeigte eine intelligente Lösung für die Speicherung und anschließende Einspeisung von Überschussenergie in laufende Prozesse (Rekuperation) im Rahmen von Industrie-4.0-Prozessen. An dieser Entwicklung sind auch das BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung), das Fraunhofer-Institut, Bayern Innovativ und Fenes beteiligt. Amorph.pro bietet mit dem Smart Unifier eine universelle Verknüpfungslösung für alles, was innerhalb einer Fabrik kommunizieren muss, an.
Eine ähnliche Funktion übernimmt Cybus Connectware. Cedalo hat mit Streamsheets eine Lösung entwickelt, mit der man über konventionelle Tabellen mit Maschinen kommunizieren können, ohne programmieren zu müssen. Gleichzeitig optimiert die Software durch selbstlernende Geschäftsheuristiken Prozesse und prognostiziert beziehungsweise detektiert kritische Prozessbedingungen in Echtzeit. Die Lösung passt wegen ihrer großen Schnittstellenvielfalt zu nahezu allen IoT-Plattformen. Die Lösung kombiniert das intelligente Management der Produktionsdaten mit Gateway- und Edge-Computing-Fähigkeiten.
Womit Edge in den Vordergrund rückt. Hier hatte nahezu jeder Hardwarelieferant die unterschiedlichsten Devices anzubieten – ob Dell EMC, Siemens, HPE, Huawei, Cisco und wie sie alle heißen. Zudem gibt es bemerkenswerte Aktivitäten im deutschen Mittelstand. Ein Beispiel dafür ist die rasant wachsende QSC-Tochter Q-loud. Sie berät und implementiert nach Kundenwunsch maßgeschneiderte und auf 5G vorbereitete IoT-Hubs, die nicht größer sind als ein Modem und vielfältige Kommunikationsoptionen bieten. Über REST-Schnittstellen lassen sich auch die Clouds der Hyperscaler sowie die SAP- und die IBM-Cloud anbinden.
Die Friedhelm Loh Group stellte ihre Neugründung German Edge Cloud vor. Zusammen mit dem Aufkauf Innovo ist es die Speerspitze der regen Unternehmensgruppe im Marktsegment Edge Computing und Industrie 4.0. Für die Kunden, die vor allem aus dem produzierenden deutschen Mittelstand kommen sollen, soll German Edge Cloud Industrie-4.0-Lösungen konzeptionieren und softwaretechnisch umsetzen sowie die Software gegebenenfalls betreiben, die dann bei Innovo beziehungsweise in der produktionsnahen Edge Cloud laufen. Dazu sollen im Lauf der nächsten Jahre rund 18 von Innovo zu betreibende RZs deutschlandweit entstehen.
Ein wichtiger Baustein in diesem Konzept ist der Schrankspezialist Rittal, der seine Kontakte zur deutschen Industrie sowie seine Hardware, neben Schränken auch IT-Container, in das Geschäft einbringen könnte. Ideen wie diese wird man wohl in der nächsten Zeit noch öfter hören. Anscheinend ist der produzierende Mittelstand hierzulande nicht gewillt, die Hoheit über ihr Prozesswissen und ihre Daten ohne Weiteres in fremde Hände übergehen zu lassen. Immerhin glauben laut einer aktuellen Befragung von Bitkom, die während der HMI vorgestellt wurde, 29 Prozent der befragten 555 deutschen Industrieunternehmen, Deutschland werde 2030 weltweit führend bei Industrie 4.0 sein. Die USA landeten mit 38 Prozent auf Platz 1. Für China entschieden sich nur acht Prozent. Ob das Wunschdenken ist, wird sich zeigen.
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