Das harte Vorgehen der EU gegen Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette untermauert die Behauptung, dass ESG (Environmental Social Governance) die neueste Variante des „Greenwashing“ ist – ein Feigenblatt, das im Jahresbericht eines Unternehmens gut aussieht, aber nur selten echte Vorteile bringt. Tatsächlich sind die Gründe für das Versagen der Unternehmen im Bereich ESG auch der Grund, warum der „nur Peitsche“ Ansatz ebenfalls scheitern wird.
Der Mangel an effektiven, branchenweiten ESG-Maßnahmen sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Unternehmen den aufrichtigen Wunsch haben, ihre Geschäftstätigkeit ethischer und nachhaltiger zu gestalten. Das Problem ist nicht der Wille, sondern die Art und Weise, wie die Lieferketten seit Jahrzehnten funktionieren. Die Beziehungen zwischen Käufern und ihren Lieferanten basieren nach wie vor überwiegend auf Papierdokumenten. Das macht es praktisch unmöglich, Waren und Materialien durch die vielen Schichten der Lieferantenbeziehungen bis zu ihrer Quelle zurückzuverfolgen. Im Jahr 2018 stellte Deloitte fest, dass zwei Drittel der Unternehmen nur einen begrenzten oder gar keinen Einblick in ihre Lieferkette unterhalb der ersten Ebene der Lieferanten haben.
Lieferketten-Digitalisierung wird zu deutlich mehr Transparenz über das gesamte Lieferantennetzwerk führen
Tatsache ist, dass keine noch so große Menge an „Knüppeln“ in Form von erzwungenen Entschädigungszahlungen dieses Problem löst. Die fehlende Transparenz in der Lieferkette erschwert es den Aufsichtsbehörden, auch nur die gröbsten Missstände zu erkennen. Wenn es Regierungen und Unternehmen ernst damit ist, Lieferketten langfristig gerecht, nachhaltig und widerstandsfähig zu gestalten, brauchen sie umfassende Echtzeitdaten über das gesamte Beziehungsnetz. Und das lässt sich nur erreichen mit mehr Digitalisierung entlang der gesamten Lieferkette.
Wenn die Europäische Union den Unternehmen dabei hilft, durch die Digitalisierung eine vollständige Transparenz der Lieferkette zu erreichen, werden sie feststellen, dass sie damit auf offene Türen stoßen. Es gibt zahlreiche und zunehmende Belege dafür, dass Unternehmen, die die Strategie „Gutes tun, indem sie Gutes tun“ verfolgen, besser darauf vorbereitet sind, mit widrigen Umständen umzugehen, und ein geringeres Investitionsrisiko darstellen. Bessere, ethischere und nachhaltigere Lieferketten werden einer der Lichtblicke der Pandemie sein – aber Geldbußen und andere Strafen sind kein Ersatz für Engagement, Erziehung und Partnerschaft mit den Unternehmen der Welt.
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2 Kommentare zu Das neue EU-Lieferkettengesetz mit hohen Geldbußen
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Nur ein Blatt Papier mehr für die Ablage.
Digitalisierung zur Zeit bedeutet heutzutage mehr Formulare und mehr Futter für die Drucker …
Das ist aller Erfahrung nach verkehrt herum gedacht, hoffentlich nicht absichtlich: Die Digitalisierung der Lieferketten ist natürlich die Voraussetzung für eine Kontrolle über die Lieferkette. Aber wenn die Unternehmen dies wollten, könnte sie doch längst Wirklichkeit sein. Stattdessen ist es umgekehrt, wieder einmal: Erst der gesetzliche Zwang führt zur Umsetzung, eines der Mittel der Wahl wird dann, aber eben erst dann, die digitale Lieferkettensteuerung sein, hoffentlich gleich durch konkrete Vorgaben der Umsetzung, etwa so im Sinne der GDPdU. Die sog. „Freie Marktwirtschaft“ wird schon aus Prinzip immer Greenwashing hervorbringen, denn sie soll ja gerade bei minimalem Aufwand maximalen monetären Nutzen bringen. Und das tut sie dann auch, in der Maximierung des Kapitalertrags bei Minimierung der ethischen Verbesserungen. Und deshalb: Am Anfang steht der Knüppel, sonst profitieren nur die Blender!