Hybrid-Cloud-Boom stärkt Colocation-Anbieter

Marktbeobachter ISG vergleicht Cloud-Provider in Deutschland. Hohe Nachfrage nach hybriden Lösungen hält an.

In stark regulierten Branchen wie der Bankwirtschaft wächst die Attraktivität der Hybrid Cloud derzeit besonders stark. Viele Anwender sehen in ihr das Mittel der Wahl, um sensitive Daten und Applikationen eher in einer privaten Umgebung zu betreiben und für weniger kritische Workloads die Vorteile der Public Cloud zu nutzen. Anwender­unternehmen wird es somit möglich, ihren Bedarf an Sicherheit und Compliance mit den Kosten- und Flexibilitätsvorteilen von Public-Cloud-Angeboten in Einklang zu bringen.

Die zunehmende Verschmelzung der Leistungsportfolios von Rechenzentrums- (RZ-) und Cloud-Dienstleistern unterstützt diese Entwicklung. So zum Beispiel im Colocation-Sektor, wo der steigende Bedarf an Edge Computing und das Interesse an RZ-Leistungen mit einer besseren Umweltbilanz die Nachfrage derzeit besonders stark treiben.

Hinzu kommt, dass zahlreiche Private-Cloud-Angebote bereits eine hohe Marktreife erreicht haben. Beispielsweise im Hinblick auf die Anforderungen eines Cloud-Native-Tooling. Zudem lassen sich die Angebote mit Hyperscaler-Diensten anreichern, sodass das Look & Feel und die Basisfunktionalitäten der Public Cloud auch in der Private Cloud verfügbar werden.

Das berichtet die neue Studie „ISG Provider Lens Private/Hybrid Cloud – Data Center Services 2023“, die das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Information Services Group (ISG) veröffentlicht hat. ISG untersucht darin das Portfolio und die Wettbewerbsstärke von mehr als 100 Diensteistern, die Managed-Services, Managed Hosting und Colocation-Services für Großunternehmen, Mittelständler und öffentliche Verwaltungen bieten.

Neue Standbeine

Die Nachfrage nach hybriden Cloud-Lösungen ist breit gefächert. Wie weit die Diversifizierung bereits reicht, zeigt sich gerade auch im Bereich der Colocation Services. Deren stärkstes Standbein besteht zwar auch weiterhin dort, wo Anwenderorganisationen den Entschluss fassen, eigene RZ-Kapazitäten abzubauen, um dann vor allem beim Gebäudemanagement, aber auch im Bereich der Konnektivität massiv an Kosten zu sparen. Zumal einzelne Unternehmen zu selten die notwendigen „Economies of Scale“ erreichen. Doch neben dieser klassischen Klientel, der Kunden aller Branchen und Größenklassen angehören, entschließen sich nun aber auch immer größere Teile der IT-Industrie dazu, die Dienste der Colocation-Kollegen in Anspruch zu nehmen.

Neben Service Providern aller Art betrifft dies vor allem auch die Gruppe der Cloud-Hyperscaler. Speziell außereuropäische Public Cloud Provider nutzen die Option, sogenannte Availablility Zones anzumieten, um europäischen Kunden DSGVO-konforme Leistungen zusichern zu können. Jüngstes Beispiel ist der Markteintritt von Amazon Web Services (AWS) in der Schweiz im vergangenen Jahr. Dieser erfolgte ausschließlich über die Zusammenarbeit mit drei Colocation-Providern aus dem Großraum Zürich. Ein ähnliches Vorgehen zeigt sich bei chinesischen Hyperscalern wie zum Beispiel Alibaba oder Tencent.

Mit über 60 Rechenzentren ist Frankfurt nach London der zweitgrößte Colocation-Standort in Europa. Die Bedeutung der Mainmetropole als wichtigstes kontinentaleuropäisches Finanzzentrum und das Vorhandensein des zentralen europäischen Internetknotens DE-CIX sorgen dafür, dass gerade hier besonders hohe RZ-Kapazitäten geschaffen werden. Deutliche Zuwächse verzeichnen inzwischen aber auch die Regionen München und Berlin sowie mit etwas Abstand Dresden, Düsseldorf, Hamburg, Leipzig und Stuttgart.

Die zunehmende Regionalisierung zeigt die hohe Bedeutung der räumlichen Nähe, die viele Kunden zum Datacenter ihrer Wahl wünschen. Dies geschieht zum einen aus administrativen Gründen, um schnellen Zugriff auf die eigene Hardware zu haben. Zum anderen aber auch, um Edge-Computing-Infrastrukturen für Low Latency Workloads aufzubauen (s.u.).

Wachstumstreiber

Kosteneinsparungen galten lange Zeit als der zentrale Push-Faktor im Markt für Colocation-Dienste. Hinzu kamen klassische Outsourcing-Vorteile wie etwa der Zugewinn an Flexibilität und Skalierbar­keit. Immer stärker kommen nun aber auch externe Faktoren zum Tragen. So zum Beispiel der Fach­kräftemangel, die sich zuspitzende IT-Sicherheitslage oder die ständig steigenden Compliance-Anforderungen, die im eigenen Datacenter oft nicht erfüllt werden können. Im Bereich Compliance betrifft dies zum Beispiel das Einhalten der sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social & Governance, ESG). Im Hybrid-IT-Umfeld steht dabei neben der zunehmenden Bedeutung von Upcycling im Bereich Hardware die Energiebilanz der unterstützenden Rechenzentren im Vordergrund. Denn: Der Umzug in ein modernes Rechenzentrum, von denen viele bereits mit PUE-Werten (Power Usage Effectiveness) nahe dem Bestwert 1 arbeiten, ist für viele Kunden ein attraktives Mittel, um die Treibhausgasemissionen ihres IT-Betriebs drastisch zu reduzieren und sich von regulatorischen Verschärfungen unabhängig zu machen.

In diesem Kontext müssen sowohl die Anbieter im Auge behalten, dass speziell skandinavische RZ-Betreiber zu wesentlich günstigeren Konditionen klimaneutrale Angebote machen können. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten RZ-Verbünde, die länderübergreifend arbeiten. Dies bietet den Anwenderunternehmen die Option, latenzkritische Workloads standortnah zu verarbeiten und die übrige Datenverarbeitung auf entferntere Standorte zu verlagern, wo sich die ESG-Ziele zu niedrigeren Kosten erreichen lassen.

Hybrid-IT-Anbieter reagieren darauf mit dem verstärkten Einsatz von Netzwerk-Tools, die mit den Methoden des Software Defined Networking (SDN) arbeiten. „Mithilfe von SDN können Kunden ihr privates Hybrid-Rechenzentrum in einem Verbund von unterschiedlichen Colocation-Einrichtungen aufsetzen“, erklärt Heiko Henkes, Director & Principal Analyst bei ISG. „Neben Kostenvorteilen bietet dies eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um Hochverfügbarkeitsdienste einzurichten. Gleiches gilt für das Umsetzen von Disaster-Recovery-Konzepten.“

Portfolio-Ausbau

Hinzu kommt ein immer höherer Bedarf an Edge Computing, was den Bau von zusätzlichen Rechen-zentren in der Fläche begünstigt. So zum Beispiel in der Fertigungsindustrie, wo Campusnetze entstehen, in denen es auf Latenzen im Millisekunden-Bereich ankommt. Viele Colocation-Anbieter nutzen diesen Trend, um passende Rechenzentren unmittelbar am Netzwerkrand der Industrie-Cluster zu errichten. Neben den reinen RZ-Dienstleistungen bieten sie dem Kunden dann auch all diejenigen Dienstleistungen an, die für den operativen Betrieb der Edge-Computing-Plattform erforderlich sind.

„Die Angebotserweiterung im Bereich Edge Computing ist kein Einzelfall“, weiß Heiko Henkes und erläutert: „Sie steht exemplarisch für eine Marktentwicklung, bei der Hybrid-IT-Anbieter ein immer breiteres Spektrum an IaaS- und PaaS-Diensten in ihr Portfolio integrieren.“

Themenseiten: Colocation, Hybrid Cloud, Studie

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