Hitzeinseln sind ein zunehmendes Gesundheitsrisiko für die Stadtbevölkerung und verursachen darüber hinaus beträchtliche Infrastrukturschäden. So zum Beispiel durch aufgeplatzte Asphaltdecken und verformte Schienen. Mit vorausschauenden Maßnahmen lassen sich solche Hitzeinseln verringern oder ganz vermeiden.
Davon gehen die Teilnehmer des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderten Forschungsprojekts KLIPS fest aus. KLIPS steht für „KI-basierte Informationsplattform für die Lokalisierung und Simulation von Hitzeinseln für eine innovative Stadt- und Verkehrsplanung.“ Gemeint ist damit eine Informationsplattform mit angeschlossenem Sensornetzwerk, die Hitzeinseln vermessen und die Auswirkungen möglicher Maßnahmen simulieren kann. Letzteres geschieht über den Einsatz geeigneter KI-Algorithmen.
Die Software AG leitet als Konsortialführerin das Forschungsprojekt. Forschungspartner sind das ERGO Umweltinstitut, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut, das Institut für Informationssysteme der Hochschule Hof, das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung, die Landeshauptstadt Dresden und die Stadt Langenfeld sowie auf Unternehemensseite Pikobytes, Terrestris und Meggsimum.
Sensoren für Temperatur und Luftfeuchtigkeit
In den Pilotstädten Dresden und Langenfeld wurden eigene Sensoren zur laufenden Messung der aktuellen Temperatur und Luftfeuchtigkeit entwickelt installiert. Dazu wurden zunächst die Anforderungen der Pilotstädte erhoben und mögliche Anwendungsfälle erarbeitet. Um die erforderlichen Geräte und Sensoren anzubinden zu können und die erzeugten Daten zu analysieren, kam die von der Software AG entwickelte Lösung „Cumulocity IoT“ als IoT-Plattform zum Einsatz.
Dabei wurden in Dresden rund 300 und in Langenfeld 80 Sensoren an repräsentativen Standorten installiert. Diese liefern seither minütlich Messwerte für Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Zur Erfassung, Bereitstellung und Visualisierung der Sensordaten wurde eine Datenplattform entwickelt und Apps zur Bedienung der Messdaten bereitgestellt. Die betreffenden Zielräume wurden zuvor in Workshops, Experteninterviews und Fachgesprächen mit den jeweiligen Stadtverwaltungen ermittelt.
Hitzevorhersagen
Neben den Sensordaten griff das Projekt auch auf Satellitendaten und bereits vorhandene Datenbestände der Pilotstädte zurück. Diese beiden Quellen liefern unter anderem Informationen zu Wetter (historisch und aktuell), Klima, Landbedeckung, Luftschadstoffen, Verkehr, außerdem digitale Höhenmodelle sowie morphologische Informationen zur Bebauung. Auf Basis dieser Daten konnten laut Software AG detaillierte quantitative Analysen zum Zusammenhang zwischen Bebauung, Versiegelung, Verkehrsinfrastruktur und städtischer Erwärmung durchgeführt werden.
Mehrere neuronale Netze wurden regelmäßig mit diesen Daten gefüttert und trainiert. KI-basierte Verfahren wurden entwickelt, um den Zusammenhang zwischen stadtstrukturellen Parametern wie Bebauung, Bodenbedeckung und Grünvolumen sowie der Entstehung und Ausprägung von Hitzeinseln zu modellieren.
Diese Methoden sollen es Stadtplanern ermöglichen, die Auswirkungen von baulichen Veränderungen auf die Hitzeentwicklung genau zu erfassen und in die Stadtplanungsstrategien zu integrieren. Darüber hinaus wurden KI-basierte Modelle entwickelt, die eine 48-stündige Vorhersage der Hitzeentwicklung an heißen Sommertagen ermöglichen und als Grundlage für Hitzeaktionspläne dienen können.
Demonstrator
KLIPS-Dienste, über die alle berechneten Daten abgerufen, verarbeitet und dargestellt werden können, bieten Städten Mess- und Prognosedaten, die sie über standardisierte Geoinformationsschnittstellen in ihre eigene IT und Stadtplanung integrieren können. Zur Veranschaulichung wurde im Projekt ein Demonstrator entwickelt, in den die KLIPS- Dienste integriert sind. Er bietet verschiedene Dashboards, auf denen die gemessene Lufttemperatur und -feuchtigkeit, der Hitzeindex, der Hitzeinseleffekt und die Temperaturdifferenz zum Umland zum aktuellen Zeitpunkt und in einer 48-Stunden-Prognose abgefragt werden können. Die Dashboards sind webbasiert und über einen Browser zugänglich.
Im Rahmen des Projektes wurden die verwendeten Daten rechtlich bewertet, um eine rechtskonforme Nutzung und Bereitstellung als Open Data in der Mobilithek, der Plattform des BMDV für offene Mobilitätsdaten, zu ermöglichen. Darüber hinaus wurde eine Data Governance-Konzeption erstellt, welche der Umsetzung und Dokumentation der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen bei der Datennutzung dient. Dabei wurden erste Ansätze zur Dokumentation der Datenqualität ermittelt, die die Haftung für datengetriebene Prozesse maßgeblich bestimmen.
Übertragbarkeit
„Das Besondere an KLIPS ist, dass es nicht nur einen flächendeckenden Überblick über die aktuellen Hitzeinseln im Stadtgebiet liefert, sondern mit Hilfe von KI-Verfahren auch Simulationen über zukünftige Hitzeinseln ermöglicht“, betont Christian Gengenbach, Vice President Research & Development beim Projektkoordinator Software AG. „Mit diesem Wissen kann die Entstehung von Hitzeinseln vorausschauend verhindert werden. Die im Projekt gewonnenen Daten können in Zukunft vielen Städten helfen, mit Hitzeereignissen umzugehen. Denn die Erkenntnisse und Ergebnisse von KLIPS sind grundsätzlich auf alle Kommunen übertragbar“.
Als Ausblick ergänzt Steffen Rietzschel, Leiter des Amtes für Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Dresden: „Mit der Verbindung von KI und Temperaturvorhersage hat das Projekt KLIPS gerade für Kommunen ein neues Themenfeld eröffnet. Dies sollte in Folgeprojekten zur Hitzevorsorge weiter vertieft werden.“
Das Projekt KLIPS wird im Rahmen der Innovationsinitiative mFUND mit insgesamt 2,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.
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